Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 25 – Rechtsschutz bei nachträglicher Anordnung, Rechtsschutz Dritter bei Erteilung der Genehmigung


6.1.2 Rechtsschutz bei nachträglicher Anordnung

Gegen eine nachträgliche Anordnung gemäß § 17 BImSchG bestehen die Rechtsehelfe des Widerspruchs oder ggf. der Anfechtungsklage. Beide ergänzen sich insoweit, als der Widerspruch einen sogenannten Vorschaltrechtsbehelf zur Klage darstellt. Sowohl der Widerspruch als auch die Anfechtungsklage entwickeln gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO eine aufschiebende Wirkung (Suspensiveffekt).

6.1.2.1 Widerspruch

Gegen eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG (s.o., 5.1) besteht die Möglichkeit, einen Widerspruch zu erheben. Gegenstand der Prüfung ist die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit der nachträglichen Anordnung. Als Vorschaltrechtsbehelf zu einer Anfechtungsklage handelt es sich hierbei um einen Anfechtungswiderspruch nach § 68 Abs. 1 VwGO.

Das Verfahren richtet sich auch hier nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Vorschriften in §§ 68 - 73 VwGO, sodass auf die entsprechenden Ausführungen unter 6.1.1.1 verwiesen werden kann. Ein wesentlicher Unterschied zum oben erläuterten Widerspruch besteht allerdings darin, dass es sich bei einer nachträglichen Anordnung um einen belastenden Verwaltungsakt handelt. Daraus folgt, dass bei einer Anfechtung grundsätzlich auch mit der Verschlechterung der Rechtsposition gerechnet werden muss, da der Betreiber hinsichtlich des ursprünglichen Verwaltungsakts keinen Vertrauensschutz mehr genießt.(Fußnote)

Sofern die Behörde dem Widerspruch nicht abhilft (§ 72 VwGO) war, ergeht ein Widerspruchsbescheid (§ 73 VwGO) und der Weg zu einer Anfechtungsklage ist eröffnet.

6.1.2.2 Anfechtungsklage

Sofern der Widerspruchsbescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung (§§ 58, 74 Abs. 1 S. 1 VwGO) versehen war, beträgt die Klagefrist zur Erhebung einer Anfechtungsklage einen Monat. Mit seiner Klage begehrt der Betreiber die Aufhebung der Anordnung in der Fassung des Widerspruchsbescheids (§§ 113 Abs. 1 S. 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).(Fußnote)

6.2 Rechtsschutz Dritter bei Erteilung der Genehmigung

Unter gewissen Voraussetzungen können sowohl natürliche als auch juristische Personen (Gemeinden, Vereine) selbst dann gegen eine Genehmigung vorgehen, wenn diese dem Antragsteller bereits erteilt wurde. Die entsprechenden Rechtsbehelfe und deren Voraussetzungen sollen nachstehend erläutert werden.

6.2.1 Rechtsschutz privater Einwender

Bezüglich der Rechtsbehelfe Dritter ist zwischen dem vorbeugenden Rechtsschutz (vor Genehmigungserteilung) und dem "nachträglichen" Rechtsschutz im Anschluss an die Genehmigungserteilung zu unterscheiden.
Der vorbeugende Rechtsschutz kann darauf gerichtet sein, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht zu erteilen (vorbeugende Unterlassungsklage) oder die Unzulässigkeit der Erteilung festzustellen (vorbeugende Feststellungsklage). Aufgrund der umfangreichen Möglichkeiten, ihre Einwendungen im förmlichen Genehmigungsverfahren vorzubringen, fehlt es Dritten jedoch oft am erforderlichen besonderen Rechtsschutzinteresse.(Fußnote)

Nach der Genehmigungserteilung kommen ein (Anfechtungs-)Widerspruch sowie gegebenenfalls eine Anfechtungsklage in Betracht. Sofern der Antragsteller bereits vor der Genehmigungserteilung mit der Errichtung oder dem Betrieb der Anlage begonnen hat, ist eine Verpflichtungsklage einschlägig. Schließlich besteht die Möglichkeit, im Wege eines Normenkontrollverfahrens gemäß § 47 VwGO den Bebauungsplan als planungsrechtliche und notwendige Genehmigungsgrundlage zu überprüfen.

6.2.1.1 (Anfechtungs-)Widerspruch Dritter

Auch im Falle eines Widerspruchs Dritter gelten die allgemeinen Vorschriften aus §§ 68 - 73 VwGO, sodass sich keine verfahrensrechtlichen Besonderheiten ergeben.
Insbesondere bei Anfechtungswidersprüchen privater Einwender kann es allerdings an der erforderlichen Widerspruchsbefugnis fehlen. Im Falle eines Drittwiderspruchs muss der Widerspruchsführer dabei geltend machen, durch die Verletzung einer auch ihn schützenden Norm in seinen eigenen Rechten beeinträchtigt zu sein.(Fußnote)

Unabhängig von diesem Ausschluss eines Popularwiderspruchs(Fußnote) kann eine Widerspruchsbefugnis Dritter auch aufgrund einer Präklusion, einer Verwirkung oder eines Rechtsmittelverzichts ausgeschlossen sein. Ist der Einwender im Widerspruchsverfahren gemäß § 10 Abs. 3 S. 3 BImSchG präkludiert oder steht dem Widerspruch gemäß § 11 BImSchG ein unanfechtbarer Vorbescheid oder eine unanfechtbare Genehmigung entgegen, ist der Widerspruch grundsätzlich bereits unzulässig.(Fußnote) Eine Verwirkung kommt in Betracht, wenn die Genehmigung dem Einwender gegenüber zwar nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht (s.o., 4.1.2.1.4) wurde, von der Genehmigung aber bereits tatsächlich Gebrauch gemacht wurde (etwa durch Beginn der Baumaßnahmen, vgl. § 58 Abs. 2 VwGO).(Fußnote) Schließlich kann die Widerspruchsbefugnis daran scheitern, dass ein Rechtsmittelverzicht vereinbart wurde. Eine entsprechende vertragliche Verzichtserklärung muss zwar nicht beide Seiten zu Leistungen verpflichten, jedoch hinsichtlich des Gegenstands und der Reichweite hinreichend bestimmt sein.(Fußnote)

Ist der Drittwiderspruch zulässig und hilft die Behörde dem Widerspruch nicht ab (bzw. war die Durchführung entbehrlich), ist mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids der verwaltungsrechtliche Klageweg eröffnet.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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Stand: Januar 2016


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