Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 08 – Zeitlich beschränkte Nebenbestimmungen, Nebenbestimmungen zu Vorbescheiden und zu Zulassungen vorzeitigen Beginns


3.5.1.2 Zeitlich beschränkende Nebenbestimmungen

3.5.1.2.1 Befristung

Nach § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG versteht man unter einer Befristung eine Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet, oder für einen bestimmten Zeitraum gilt.[1] Daraus ergeben sich mehrere mögliche Ausgestaltungen eines zeitlichen Geltungsbereichs des Verwaltungsakts.

Bei einer Anfangs- oder Endbefristung besteht die Möglichkeit einer aufschiebenden oder auflösenden Befristung.[2] Dies bedeutet, dass die Rechtswirkungen entweder mit einem zukünftigen Zeitpunkt beginnen (aufschiebende Befristung) oder mit einem zukünftigen Zeitpunkt enden (auflösende Bedingung).[3] Alternativ kann auch eine gewisse Zeitspanne ("bestimmter Zeitraum") festgelegt werden, während derer bestimmte Begünstigungen oder Belastungen eintreten oder ein Rechtsverhältnis besteht.[4]
Eine Anfangsbefristung hat zwar zur Folge, dass zwar die Rechtswirkungen des Verwaltungsakts erst in Zukunft eintreten. Dies berührt jedoch nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsakts an sich, da dieser mit Bekanntgabe wirksam wird. Somit sind sowohl die Behörde als auch der Adressat bereits an den Verwaltungsakt gebunden.

3.5.1.2.2 Bedingung

Der Begriff der Bedingung ist in § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG definiert. Demnach handelt es sich um eine Bestimmung, nach welcher der Eintritt oder der Wegfall der Begünstigung oder Belastung bei Eintritt eines zukünftigen, noch ungewissen Ereignisses beginnt ("aufschiebende Bedingung") oder endet ("auflösende Bedingung").[5] Dabei kann der Eintritt des Ereignisses auch vom Willen des Begünstigten oder eines Dritten abhängig sein ("Potestativbedingung").[6] Schließlich kann die Bedingung die Erlaubniswirkung der Genehmigung als Ganzes oder auch nur in Teilen betreffen, sie muss aber in jedem Fall hinreichend bestimmt sein.[7]

3.5.1.2.3 Widerrufsvorbehalt

Der Widerrufsvorbehalt ist eine Bestimmung, durch die sich die Behörde die Befugnis vorbehält, den Verwaltungsakt später wieder aufzuheben.[8] Es handelt sich daher um eine strengere Form des Auflagenvorbehalts (s.o., 3.5.1.1.2). Auch der Widerrufsvorbehalt ist gemäß § 12 Abs. 3 BImSchG nur bei Teilgenehmigungen im Sinne des § 8 BImSchG und gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 BImSchG bei der Genehmigung von Erprobungsanlagen zulässig.

3.5.2 Nebenbestimmungen zu Vorbescheiden

Seinem Wortlaut nach ist § 12 BImSchG auf Vorbescheide nicht anwendbar. Dennoch können auch Vorbescheide mit Nebenbestimmungen versehen werden. Deren Zulässigkeit richtet sich nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Regelungen in § 36 VwVfG.

Die Antwort auf die Frage, welcher Absatz des § 36 VwVfG anwendbar ist, richtet sich danach, ob der Vorbescheid in Form einer gebundenen oder einer Ermessensentscheidung ergangen ist. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass Rechtsnormen grundsätzlich in folgender Struktur auftreten: wenn der Tatbestand der Norm erfüllt ist, tritt eine Rechtsfolge ein.[9] Im Verwaltungsrecht besteht die Rechtsfolge zumeist in der Ermächtigung einer Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts.[10] Eine gebundene Entscheidung liegt dann vor, wenn bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen eine Rechtsfolge ergehen muss,[11] also ein Anspruch besteht. Ermessensvorschriften charakterisieren sich dagegen dadurch, dass sie bei Vorliege der Tatbestandsvoraussetzungen die Behörde zum Erlass der Rechtsfolge ermächtigen, aber nicht verpflichten.[12]

Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zu gebundenen Entscheidungen richtet sich nach § 36 Abs. 1 VwVfG. Ihre Verwendung ist daher bei immissionsschutzrechtlichen Vorbescheiden zulässig, wenn sie dessen Rechtmäßigkeit sicherstellen.[13]

Eine Ermessensentscheidung eröffnet den Anwendungsbereich von § 36 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG. Unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 2 BImSchG sind zwar Befristungen ausgeschlossen, in Betracht kommen jedoch Vorbehalte und Auflagen.[14] Beispielsweise könnte ein Vorbehalt den Regelungsgehalt des Vorbescheids einschränken oder der Antragsteller mittels einer Auflage zu laufenden Messungen der Vorbelastungen verpflichtet werden.[15]

3.5.3 Nebenbestimmungen zu Zulassungen vorzeitigen Beginns

Im Falle von Zulassungen vorzeitigen Beginns sind Nebenbestimmungen nur nach § 8a Abs. 2 BImSchG zulässig. Dies ergibt sich daraus, dass diese Vorschrift im Verhältnis zu § 12 BImSchG und § 36 VwVfG spezieller ist und die zulässigen Nebenbestimmungen abschließend regelt.[16] Die Zulassung vorzeitigen Beginns kann also nur mit Auflagen und Auflagenvorbehalten, nicht jedoch mit Bedingungen oder Befristungen versehen werden.


[1] Detterbeck, Rn 763.

[2] Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn 71.

[3] VGH Mannheim, NJW 1986, 395, 399.

[4] Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 36 Rn 72.

[5] Detterbeck, Rn 764.

[6] Detterbeck, Rn 764.

[7] Jarass, § 12 Rn 12f.

[8] Detterbeck, Rn 764.

[9] Ipsen, Rn 512.

[10] Ipsen, Rn 515.

[11] Dies bedeutet, dass die Behörde keinen Ermessensspielraum hat. Beispiel für eine gebundene Entscheidung ist etwa § 6 Abs. 1 BImSchG zur Anlagengenehmigung „Die Genehmigung ist zu erteilen (…)“.

[12] Ipsen, Rn 522.

[13] Jarass, § 9 Rn 10.

[14] Jarass, § 9 Rn 10.

[15] Jarass, § 9 Rn 10.

[16] Jarass, § 8a Rn 14.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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Stand: Januar 2016


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