Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 06 – Teilgenehmigung, Änderungsgenehmigung, Zulassung vorzeitigen Beginns


3.3.3 Die Teilgenehmigung

Die Teilgenehmigung ermöglicht eine abschnitts- oder stufenweise Genehmigung von Großanlagen, deren Errichtung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt.(Fußnote) Dem Antragsteller vermittelt die Teilgenehmigung eine Dispositions- und Investitionssicherheit.(Fußnote) Im Gegensatz zum lediglich feststellenden Vorbescheid entfaltet sie eine gestattende Wirkung. Somit handelt es sich bei der Teilgenehmigung um eine echte Genehmigung, die sich von der Vollgenehmigung nur durch einen beschränkten Inhalt bzw. Umfang unterscheidet.

3.3.3.1 Regelungsgehalt

Inhalt einer Teilgenehmigung ist die Genehmigung eines Teils des geplanten Vorhabens. Sie beinhaltet eine abschließende Entscheidung über einen räumlich real abgrenzbaren Teilbereich der Anlage bzw. einer faktischen Realisierungsphase.(Fußnote)

Gegenstand kann gemäß § 8 S. 1 BImSchG

  • die bloße Errichtung einer Anlage,
  • die bloße Errichtung eines Teils der Anlage oder
  • die Errichtung und der Betrieb eines Teils der Anlage sein.

3.3.3.2 Voraussetzungen

Voraussetzungen für die Erteilung einer Teilgenehmigung sind:

  • ein entsprechender schriftlicher Antrag,
  • ein berechtigtes Interesse des Antragstellers,
  • das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen sowie
  • eine positive Prognose hinsichtlich der Gesamtbeurteilung des Vorhabens.

Im Hinblick auf ihre Struktur ähnelt die Teilgenehmigung dem Vorbescheid. Die für das berechtigte Interesse des Antragstellers geltenden Kriterien unterscheiden sich dabei nicht wesentlich, weshalb auf die voranstehenden Ausführungen entsprechend verwiesen werden kann (s.o, 3.3.2.2).

Allerdings erfordert die Erteilung einer Teilgenehmigung gemäß § 8 S. 1 Nr. 2 BImSchG zusätzlich das Vorliegen und die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen. Daher ist es notwendig, dass der Antragsteller zumindest das Gesamtvorhaben und seine Auswirkungen in groben Zügen erläutert und, falls eine solche erforderlich ist, die für eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendigen Unterlagen einreicht. Abgesehen vom Gegenstand (s.o., 3.3.3.1) ist der Umfang der materiellen Wirkung nicht festgelegt und hängt daher vom Antragsteller ab.(Fußnote)

Zudem muss gemäß § 8 S. 1 Nr. 3 BImSchG ein vorläufiges positives Gesamturteil abgegeben werden können.(Fußnote) Die Beurteilung muss zum Ergebnis kommen, dass der Errichtung und dem Betrieb der gesamten Anlage keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Genehmigungsvoraussetzungen entgegenstehen. Ziel dieser Regelung ist es, die Gefahr vollendeter Tatsachen zu minimieren, da es der Behörde faktisch unmöglich gemacht wird, nach der Genehmigung eines wesentlichen Teils der Anlage weitere Genehmigungen zu versagen.(Fußnote) Gleichzeitig schützt sie den Antragstellervor Investitionen aufgrund einer erteilten Teilgenehmigung, die sich später als nutzlos erweisen.(Fußnote)

Gegenstand der vorläufigen Beurteilung ist alles, was über den in der betreffenden Teilgenehmigung oder den vorangegangenen Teilgenehmigungen genehmigten Anlagenteil und dessen Betrieb hinausgeht.(Fußnote) Vom Umfang her stellt die vorläufige Prüfung mehr als eine rein "kursorische Prüfung"(Fußnote) dar, gleichwohl erfordert sie nicht den gleichen Prüfungsaufwand wie im Bereich des genehmigten Teils,(Fußnote) so dass letztlich eine hinreichende bzw. ausreichende Wahrscheinlichkeit genügt.(Fußnote)

3.3.3.3 Rechts- und Bindungswirkung

Die Rechtswirkung einer Teilgenehmigung ergeht aus ihrem gestattenden Teil. Diese entsprechen dabei denen Wirkungen einer Vollgenehmigung.(Fußnote) Liegen mehrere Teilgenehmigungen vor, die in ihrer Gesamtschau die Anlage vollständig genehmigen, so ergeben sie eine (abschließende) Gesamtgenehmigung. Insbesondere ist eine lediglich zusätzliche feststellende Gesamtgenehmigung unzulässig. In diesen Fällen spricht man von einer summativen Vollgenehmigung.(Fußnote)

Die Bindungswirkung der Teilgenehmigung ergibt sich aus der vorläufigen Gesamtbeurteilung des Vorhabens innerhalb des Teilgenehmigungsverfahrens. Sie wirkt zum einen gegenüber der Behörde und zum anderen gegenüber Dritten. Die Genehmigungsbehörde ist an die vorläufige positive Gesamtbeurteilung grundsätzlich gebunden, solange und soweit eine Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen tatsächlich stattgefunden hat. Allerdings ist insbesondere die Voraussetzung der "positiven Gesamtbeurteilung" (s.o., 3.3.3.2) nicht mit der Erteilung eines Vorbescheids gleichzusetzen.(Fußnote) Dritte trifft die Präklusionswirkung des § 11 BImSchG, sobald die Teilgenehmigung unanfechtbar geworden ist. Diese schließt Einwendungen aus, wenn diese auf Tatsachen beruhen, die im vorhergehenden Verfahren hätten vorgebracht werden können bzw. müssen.

Sowohl die Bindungs-, als auch die Präklusionswirkungen gelten jedoch nicht unbegrenzt. Sie entfallen gemäß § 8 Abs. 2 BImSchG, wenn zunächst entweder eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eintritt oder Einzelprüfungen im Rahmen späterer Teilgenehmigungen vorgenommen werden. Unter einer Änderung der Sach- oder Rechtslage versteht man u.a. neue Erkenntnisse von Wissenschaft und Technik oder die Änderung von Verwaltungsvorschriften,(Fußnote) nicht jedoch abweichende Rechtsansichten.(Fußnote) Eine abweichende Beurteilung nach späteren Einzelprüfungen kann beispielsweise eintreten, wenn die zum Zeitpunkt der ersten Teilgenehmigung eingereichten Unterlagen noch nicht hinreichend präzise waren. Liegt eine dieser beiden Voraussetzungen vor, so muss sie zudem zu einer von der vorläufigen Gesamtbeurteilung abweichenden Beurteilung führen.

3.3.4 Die Zulassung vorzeitigen Beginns

3.3.4.1 Regelungsgehalt

Um das geplante Vorhaben zu beschleunigen, kann die Errichtung der Anlage gemäß § 8a Abs. 1 BImSchG auch vor der Genehmigungserteilung bis hin zur Prüfung der Betriebstüchtigkeit gestattet werden.(Fußnote) Dabei kann es sich um die Genehmigung einzelner Errichtungsschritte oder sogar der gesamten Errichtung handeln, wobei die Zulassung aller Errichtungsmaßnahmen nur ausnahmsweise zulässig ist.(Fußnote)

Ferner können auch Maßnahmen zur Prüfung der Betriebstüchtigkeit, insbesondere der Probebetrieb gestattet werden.(Fußnote) Unter einem Probebetrieb versteht man die kurzzeitige Inbetriebnahme der Anlage zu Testzwecken, um diese zu optimieren und Emissionsmessungen vorzunehmen.(Fußnote) Die Grenzen eines Probebetriebs sind jedenfalls dann überschritten, wenn Produkte hergestellt bzw. veräußert werden oder die mit dem Betrieb verbundenen Maßnahmen denen eines regulären Betriebs entsprechen.(Fußnote)

Schließlich kann auch der Betrieb der Anlage gemäß § 8a Abs. 3 BImSchG genehmigt werden, allerdings nur dann, wenn sie sich in einem Verfahren zur Erteilung einer Teil- oder Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG befindet. Zudem kommt eine solche Zulassung in Betracht, wenn die Grenzen des Probebetriebs nach § 8 Abs. 1 BImSchG überschritten sind.(Fußnote)

Wie auch im Falle der Teilgenehmigung liegt die Zulassung vorzeitigen Beginns im Ermessen der Behörde (vgl. Wortlaut "kann", § 8a Abs. 1 BImSchG).

3.3.4.2 Voraussetzungen

Die Zulassung vorzeitigen Beginns setzt gemäß § 8a Abs. 1 BImSchG Folgendes voraus:

  • einen entsprechenden schriftlichen Antrag,
  • eine vorhersehbare Genehmigung in der Hauptsache,
  • ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers und
  • eine rechtliche Verpflichtung des Antragstellers, im Falle einer Versagung der Vollgenehmigung den früheren Zustand wiederherzustellen.

Neben dem schriftlichen Antrag auf eine vorzeitige Zulassung muss eine Genehmigung in der Hauptsache vorhersehbar sein. Dabei bemisst sich die Erfüllung dieses Kriteriums nicht anhand gesetzlicher Vorschriften oder der Anzahl an bereits vollzogenen Verfahrensschritten, sondern allein daran, ob die Behörde die voraussichtliche Entscheidung zugunsten des Antragstellers hinreichend beurteilen kann.(Fußnote) Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Prüfung der Behörde ergibt, dass kein Aspekt gegen eine Genehmigungserteilung spricht, der nicht durch eine spätere Nebenbestimmung (s.u., 3.5) erfasst werden kann und somit keine wesentliche Gesichtspunkte entgegenstehen.(Fußnote) An das öffentliche oder das berechtigte Interesse des Antragstellers sind hingegen keine erhöhten Anforderungen zu stellen, so dass auf die obigen Ausführungen (s.o., 3.3.2.2) verwiesen werden kann.

Im Unterschied zum Vorbescheid und zur Teilgenehmigung verlangt § 8a BImSchG darüber hinaus die Risikoübernahme in Form einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtungserklärung oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gegenüber der zuständigen Behörde (§ 24a Abs. 1 Nr. 2 der 9. BImSchV). Aus dieser verbindlichen Erklärung muss hervorgehen, dass der Antragsteller sämtliche durch die Gestattung verursachten Schäden verschuldensunabhängig ersetzt. Zudem muss er sich dazu verpflichten, den früheren Zustand wiederherzustellen, falls die Genehmigung versagt werden sollte.

Die ausnahmsweise Betriebsgenehmigung nach § 8a Abs. 3 BImSchG setzt zusätzlich voraus, dass die Änderung der Erfüllung einer Vorschrift des BImSchG oder einer darauf gestützten Rechtsverordnung dient, zum Beispiel wenn

  • die Anforderungen durch Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften verschärft wurden oder
  • sich der Stand der Technik weiterentwickelt hat

und somit der Anlagenbetrieb ohne die Änderung rechtswidrig wäre.(Fußnote)

3.3.4.3 Rechtsfolgen

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 8a BImSchG ergibt, erlaubt eine erteilte Zulassung den Beginn der Errichtung einer Anlage. Daraus ergibt sich jedoch keinerlei rechtliche Bindung für die spätere Genehmigungsentscheidung.(Fußnote) Die gestattende Wirkung § 13 BImSchG tritt mit der Maßgabe ein, dass lediglich eine vorläufige Befreiung vom Erfordernis, weitere öffentlich-rechtliche Genehmigungen einzuholen eintritt.(Fußnote) Im Moment der Zustellung einer (endgültigen) immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verliert die Zulassung vorzeitigen Beginns ihre Wirkung(Fußnote).

3.4 Änderungsgenehmigung

Technische oder bauliche Veränderungen an bereits in Betrieb genommenen Anlagen sind gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG genehmigungspflichtig, sofern die Änderungen die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG berühren können. In systematischer Hinsicht stellt § 16 BImSchG nur die Genehmigungsbedürftigkeit fest, die Anspruchsgrundlage für die Genehmigungserteilung sowie deren Voraussetzungen ergeben sich weiterhin aus § 6 BImSchG (s.u., 4.2).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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