Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 04 – Genehmigungsbedürftige Handlungen, Änderung und Errichtung


3.2.2 Genehmigungsbedürftige Handlungen

Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) unterliegt niemals die Anlage selbst einem Genehmigungserfordernis, sondern stets eine damit verbundene Handlung. Nach der Systematik unterscheidet das Gesetz zwischen genehmigungsbedürftigen, anzeigebedürftigen sowie weder genehmigungs- noch anzeigebedürftigen Handlungen.

Genehmigungsbedürftig ist die Neuerrichtung und der Betrieb gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG (s. 3.2.2.1), sowie die wesentliche Änderung gemäß § 16 BImSchG (s. 3.2.2.2.1). Lediglich anzeigebedürftig sind dagegen die einfache Änderung gemäß § 15 Abs. 1 BImSchG (s. 3.2.2.2.2) sowie die Einstellung des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage gemäß § 15 Abs. 3 BImSchG.

3.2.2.1 Neuerrichtung und erstmaliger Betrieb

Genehmigungsbedürftig sind gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG zunächst die Neuerrichtung und der Betrieb einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage.

Unter der Errichtung versteht man sämtliche Tätigkeiten, die zur baulichen und technischen Fertigstellung der Anlage vorgenommen werden. Sie umfasst daher sowohl sämtliche Baumaßnahmen, als auch die technische Einrichtung, wie etwa das Aufstellen der vorgesehenen Aggregate und Anlagenteile(Fußnote).

Die Errichtung beginnt mit der Aufstellung der Anlage(Fußnote) bzw. dem Beginn der Baumaßnahmen am vorgesehenen Ort(Fußnote) und endet mit der Einrichtung(Fußnote). Somit sind die Prüfung der Betriebstüchtigkeit und der Probebetrieb der Errichtung zuzurechnen(Fußnote).

Der Betrieb einer Anlage besteht in ihrer Verwendung entsprechend des vorgesehenen Zwecks(Fußnote). Er beginnt mit der Inbetriebnahme zu Produktionszwecken und endet mit der endgültigen Stilllegung oder einer Betriebsunterbrechung von mehr als drei Jahren(Fußnote).

Bereits aufgrund der begrifflichen Unterschiede zählen weder die Herstellung von Anlagen oder deren Teilen, noch die unveränderte Wiedererrichtung(Fußnote). Die Herstellung ist Gegenstand der gesetzlichen Regelungen im 3. Teil des Bundesimmissionsschutzgesetzes, die Wiedererrichtung ist hingegen in § 16 Abs. 5 BImSchG normiert.

3.2.2.2 Änderungen an Anlagen

Neben der Errichtung und dem Betrieb kann auch für die Vornahme von Änderungen an einer Anlage eine Genehmigung erfordern. Eine Änderung im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist eine Abweichung vom ursprünglichen Genehmigungsbescheid in Bezug auf die Lage, die Beschaffenheit oder den Betrieb einer Anlage (§ 15 Abs. 1 S. 1 bzw. § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG). Umfasst werden dabei sowohl qualitative als auch quantitative Änderungen (etwa Erweiterungen)(Fußnote).

Die Erteilung einer (Änderungs-)Genehmigung setzt bereits aus systematischen Gründen zwei Tatbestände voraus:

  • Bezüglich der bestehenden Anlage muss bereits eine Genehmigung erteilt worden sein und
  • Sie muss auch nach der geplanten Änderung noch genehmigungsbedürftig sein.

Daraus folgt, dass die §§ 15 und 16 BImSchG schon nicht einschlägig sein können, wenn noch keine Erstgenehmigung vorliegt. Eine solche Situation kann etwa dann eintreten, wenn die Änderung im Laufe des Erstgenehmigungsverfahrens eingebracht wird oder wann erst durch die geplante Änderung die Grenze zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit erreicht wird(Fußnote). In diesen Fällen ist zunächst eine Erstgenehmigung gemäß § 4 BImSchG einzuholen.

Ausgangspunkt für das Vorliegen einer Änderung ist die Anlage in ihrer gestatteten Form. Somit bildet die ursprüngliche Genehmigung mitsamt ihrer nachträglichen Anordnungen den Bewertungsmaßstab. Diese ist darüber hinaus auch in Verbindung mit den Antragsunterlagen sowie der Dokumentation des Genehmigungsverfahrens zu betrachten und gegebenenfalls auszulegen. Anschließend muss eine Abweichung hinsichtlich der Lage, der Beschaffenheit vorliegen, so dass die betreffende Maßnahme nicht mehr vom Genehmigungsbescheid gedeckt ist. Dabei kann auch hier nur eine "Änderung" vorliegen, wenn der ursprüngliche Genehmigungsbescheid überhaupt eine entsprechende Regelung getroffen hat.

Je nach Art und Umfang kann die Änderung genehmigungsbedürftig, lediglich anzeigebedürftig oder sogar genehmigungs- und anzeigefrei sein. Welche Tatbestände zur jeweiligen Pflicht führen ergibt sich aus dem systematischen Hierarchie der §§ 15 und 16 BImSchG. Demzufolge sind

  • Änderungen im Sinne des § 16 BImSchG als "wesentlich" einzustufen und deshalb genehmigungspflichtig;
  • Änderungen im Sinne des § 15 BImSchG als "einfach" einzuordnen und daher anzeigepflichtig;
  • sonstige, weder "wesentliche" noch "einfache" Änderungen von einer Genehmigungs- oder Anzeigepflicht befreit.

3.2.2.2.1 Wesentliche Änderungen

Die Genehmigungspflicht wesentlicher Änderungen von Anlagen ergibt sich aus § 16 Abs. 1 1. HS BImSchG. Wesentlich ist eine Änderung somit, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • die Änderung hat Auswirkungen auf die Schutzgüter des § 1 BImSchG,
  • diese Auswirkungen müssen wiederum für die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG relevant sein,
  • sie muss nachteilig sein können und
  • muss eine gewisse Bagatellgrenze überschreiten.

Aus § 16 Abs. 1 S. 1 BImSchG folgt, dass solche Änderungen durch den Gesetzgeber als wesentlich eingestuft wurden, die nachteilige Auswirkungen hervorrufen und daher eine Relevanz für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG haben können(Fußnote). Daher sind ausschließlich die in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter (s.o., 2.1.1.2) für die Beurteilung der Wesentlichkeitsschwelle maßgeblich. Dabei ist zu beachten, dass eine Änderung schon dann wesentlich im Sinne des § 16 BImSchG ist, wenn die bloße Möglichkeit einer nachteiligen Auswirkung besteht und daher die Genehmigungsbedürftigkeit innerhalb einer präventiven behördlichen Kontrolle erneut zu bewerten ist(Fußnote). Bezüglich der Relevanz dieser Auswirkungen auf die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sich also die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellen(Fußnote).

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG muss sichergestellt sein, dass die Pflichten, die sich aus § 5 BImSchG und aus einer nach § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergeben, erfüllt sein müssen.

Zum einen darf also die Änderung nicht die Erfüllung der Betreibergrundpflichten aus § 5 BImSchG beeinträchtigen. Unter Vorgriff auf eine detaillierte Darstellung im Kapitel 4 (s.u., 4.2.1.1.1) sind folgende Grundpflichten bei Anlageänderungen insbesondere relevant:

  • den Schutz vor umweltschädlichen Einwirkungen,
  • die Vorsorge vor umweltschädlichen Einwirkungen,
  • die Vermeidung von Abfällen undden effizienten Energieeinsatz.

Darüber hinaus ist auch die Einhaltung sämtlicher Pflichten aus Rechtsverordnungen, welche aufgrund des § 7 Bundesimmissionsschutzgesetz erlassen wurden, sicherzustellen.

Solche Rechtsverordnungen konkretisieren und erweitern die Grundpflichten im Anwendungsbereich besonderer Anlagen. Im Hinblick auf eine Änderung ist, sofern die Verordnung auf die Anlage Anwendung findet, beispielsweise auf die speziellen Anforderungen zur Einhaltung

  • der Pflichten für die Errichtung, Beschaffenheit und den Betrieb von besonders gefährlichen Anlagen im Sinne der Störfallverordnung(Fußnote) oder
  • der Pflicht zur Senkung der Emissionen von Schadstoffen im Sinne der Abfallverbrennungsanlagenverordnung, der Abfallablagerungsverordnung oder der Deponieverordnung zu achten.

Auch bezüglich der nach § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen wird auf eine ausführliche Darstellung in Kapitel 4 (s.u., 4.2.1.1.2) verwiesen.

Bei der Beurteilung der Nachteiligkeit der Auswirkungen ist darauf abzustellen, ob sie wenigstens in einer Hinsicht die Schutzgüter des § 1 BImSchG negativ belasten können(Fußnote), wobei jedes Schutzgut des § 1 BImSchG gesondert zu betrachten ist(Fußnote). Somit kann es weder auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommen, noch müssen die nachteiligen Auswirkungen mit Sicherheit auftreten, denn gerade dies ist Gegenstand der Prüfung(Fußnote). Als Bezugspunkt dient die genehmigte Anlage unter Einbeziehung sämtlicher erteilter Genehmigungen, nachträglicher Anordnungen und Anzeigen nach § 15 Abs. 1 BImSchG.

3.2.2.2.2 Einfache Änderungen

Änderungen der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage, die nicht der Regelung des § 16 BImSchG unterfallen, bedürfen einer vorhergehenden schriftlichen Anzeige(Fußnote). Somit betrifft die Regelung des § 15 Abs. 1 BImSchG nicht die Genehmigungspflicht. Eine Auseinandersetzung mit dieser Vorschrift ist jedoch für die Abgrenzung zur genehmigungsbedürftigen wesentlichen Änderung (s.o., 3.2.2.2.1) erforderlich. Auch die Anzeigepflicht nach § 15 Abs. 1 BImSchG setzt das Bestehen einer genehmigungspflichtigen Anlage voraus, an der Änderungen vorgenommen werden, welche die Schutzgüter des § 1 BImSchG in irgendeiner Weise betreffen können. Somit ergibt sich der Unterschied zu einer wesentlichen Änderung lediglich daraus, dass die einfachen Änderungen nicht für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 S. 1 BImSchG erheblich sein dürfen. Somit dürfen die Änderungen nicht die Grundpflichten aus § 5 BImSchG oder die Pflichten aus Rechtsverordnungen aufgrund des § 7 BImSchG verletzen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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Stand: Januar 2016


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