Der Immobilienkaufvertrag – Teil 20 – Positive Kenntnis, grob fahrlässige Unkenntnis, Kenntnis grundbuchrechtlicher Rechtsmängel

4.5.1.1 Positive Kenntnis

Die Kenntnis des Mangels, ist nach der rechtlichen Definition, das Wissen um diejenigen Tatsachen, die in ihrer Gesamtheit den Mangel begründen (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 441 Rn. 7). Der Käufer muss sich das Wissen seines Vertreters, Betreuers oder sonst bei Vertragsabschluss Bevollmächtigten zurechnen lassen (§ 166 BGB).

Bei positiver Kenntnis kann der Käufer sich nicht darauf berufen, der Verkäufer habe ihm den Mangel arglistig verschwiegen (dazu im nachfolgenden Punkt 4.5.3). Der Ausschluss der Mängelgewährleistungsrechte wegen Kenntnis greift auch bei Mängeln, die vom Verkäufer arglistig verschwiegen wurden (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 441 Rn. 9).

Beispiel
Der Immobilienkäufer K ist im Ausland. Vor seiner Abreise beauftragte er seinen Freund F in einem notariell beurkundeten Vertrag, damit ihn bei dem Kauf einer Immobilie vollständig zu vertreten und für ihn alle notwendigen Vertragserklärungen abzugeben. Online sucht K eine passende Immobilie und informiert F darüber. Nach kurzer Zeit hat K ein passendes Objekt gefunden. Die Vertragsdetails zum Objekt wurden zwischen K und dem Verkäufer V bereits geklärt, es fehlt lediglich die Vertretung bei einem letzten Besichtigungstermin und beim Notartermin.
Bei der Besichtigung treffen sich F und V in dem Immobilienobjekt. Dem F fallen keine Mängel auf. Zwei Tage vor dem Notartermin kommt F zufällig noch einmal an dem Objekt vorbei und wird von den Nachbarn angesprochen. Diese erklären gegenüber dem F, dass Teile der Immobilie Schwarzbauten sind.
So gäbe es weder für den Dachausbau, die Garage oder den Wintergarten baurechtliche Genehmigungen. Der Verkäufer hatte dies weder gegenüber K noch F erwähnt. F stört das aber nicht und so unterschreibt es zwei Tage später mit der Vollmacht des K den Immobilienkaufvertrag.

  • K kann den Vertrag nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten, da F die baurechtswidrigen Zustände der Immobilie kannte. Zwar hat der Verkäufer durch sein Verschweigen bezüglich der fehlenden Baugenehmigung tatsächlich arglistig über die Mangelfreiheit getäuscht, aber durch die positive Kenntnis des F vor Vertragsschluss, ist die Anfechtung insoweit ausgeschlossen. Der Mangel war bereits vor Vertragsschluss bekannt und K muss sich alle Willenserklärungen und das Wissen des F bezüglich des Immobilienkaufvertrages zurechnen lassen. Schäden die ihm dadurch entstanden sind, muss er gegenüber seinem Vertreter F geltend machen.

Dieser hat Vollmacht alle wichtigen -erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.

4.5.1.2 Grob fahrlässige Unkenntnis

Von einer grob fahrlässigen Unkenntnis eines Mangels spricht man immer dann, wenn der Mangel aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.
Nach § 276 Abs. 2 BGB handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen im Einzelfall in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und dasjenige unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Emmerich/Sonnenschein in: Emmerich/Sonnenschein, § 536b, Rn. 7). Das wäre beispielsweise der Fall, wenn es bei einem Immobilienkauf im Einzelfall bestimmte Sorgfalts- und Untersuchungspflichten für den Käufer gäbe und er den Mangel nicht kannte, weil er diese unterlassen hat.

Liegt eine grob fahrlässige Unkenntnis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Immobilienkaufvertrages vor, sind die Mängelrechte grundsätzlich ausgeschlossen. Nur in Fällen, in denen der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie übernommen hat, greift der Anspruchsausschluss nicht (§ 442 Abs. 1 S. 2 BGB).

Bei einem Immobilienkauf gibt es grundsätzlich keine besonderen Untersuchungspflichten, die bei einem Unterlassen oder einer nachlässigen Ausführung, dazu führen, dass der Käufer sich grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen muss (vgl. (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 441 Rn. 11; vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn. 2237).

Etwas Anderes kann ausnahmsweise bei Unternehmenskäufen gelten, wenn auffällige Mängel bei der sogenannten "Due Diligence Prüfung" übersehen wurden (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 442 Rn. 13). Mängel in der Durchführung der Untersuchung der Immobilie führen dabei aber nicht zwingend zur Rechtsfolge des § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Die Fälle der grob fahrlässigen Unkenntnis beim Immobilienkauf sind daher regelmäßig Einzelfälle, in denen aufgrund ganz spezifischer Umstände Untersuchungen oder Nachforschungen des Käufers geboten waren (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn. 2238). Das ist zum Beispiel der Fall gewesen, bei dem Kauf eines Bauplatzes in einem erkennbar ehemaligen Steinbruch, bei dem der Käufer als Mangel die Aufschüttung des Bauplatzes geltend machen wollte. Hier wurde die Unkenntnis des Mangels als grob fahrlässig bewertet (BGH, 30.06.1969, Az.: ZR 91/66).

4.5.1.3 Kenntnis grundbuchrechtlicher Rechtsmängel

Bezieht sich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis auf Rechtsmängel, die im Grundbuch eingetragen sind (§ 442 Abs. 2 BGB), greift der Ausschluss für die Mängelrechte jedenfalls nicht hinsichtlich der Beseitigung dieses Rechtsmangels. Das bedeutet, der Käufer kann wegen eines Rechtsmangels, der im Grundbuch eingetragen ist, die vollständige Beseitigung dieses Mangels verlangen, unabhängig davon, ob er den Mangel kannte oder nicht. Er kann dann entweder über eine Löschungsbewilligung nach § 19 GBO oder im Wege der Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB (vgl. Weidenkaff, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 442 Rn. 23) den Rechtsmangel beseitigen.

Der Ausschluss eines solchen Anspruchs kann allerdings im Rahmen einer vertraglichen Übernahmevereinbarung bestimmter Rechtsmängel geregelt werden (vgl. unten Punkt 7.2.1).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Immobilienkaufvertrag“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Kristin Nözel, Volljuristin Dip. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-74-8.


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Stand: Januar 2017


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Michael Kaiser beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Rechtsfragen des Immobilienrechts. Er prüft Immobilienkaufverträge, Grundstücksverträge, begleitet Bauvorhaben und vertritt bei Streitigkeiten um Bauleistungen.


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