Der Immobilienkaufvertrag – Teil 17 – Nacherfüllung - Mangelbeseitigung, Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag

4.3.1 Nacherfüllung: Mangelbeseitigung

Unter Nacherfüllung versteht man grundsätzlich, entweder die Mangelbeseitigung oder die Neulieferung einer mangelfreien Sache. Bei dem Kauf einer Immobilie ist die Neulieferung eigentlich nur bei Bauträgerverträgen über den Bau eines Fertighauses denkbar, weshalb als Nacherfüllung bei Immobilienkaufverträgen regelmäßig nur auf die Mangelbeseitigung abzustellen ist.

Wenn möglich hat der Verkäufer die Mängel an der Immobilie zu reparieren, Instand zu setzten oder sonst zu beseitigen. Will der Käufer, dass der Verkäufer einen Mangel beseitigt, muss er diesem die Gelegenheit dazu geben, die Immobilie hinsichtlich des Mangels zu prüfen (BGH, 19.12.2012, Az.: VIII ZR 96/12).

Alle erforderlichen Aufwendungen und Kosten, die zum Zweck der Nacherfüllung und der Überprüfung des Mangels anfallen, wie z.B. Arbeits- und Materialkosten, hat der Verkäufer zu tragen § 439 Abs. 2 BGB.

In Ausnahmefällen kann eine Nacherfüllung ausgeschlossen sein, wenn die Mangelbeseitigung tatsächlich oder praktisch unmöglich ist, z.B., weil die Beseitigung des Mangels unverhältnismäßig hoch ist (BGH, Entscheidung vom 16.04.2009, Az.: VII ZR 177/07).

Bei der Frage, ob die Beseitigungskosten unverhältnismäßig sind, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Wenn z.B. die Höhe der Reparaturkosten mehr als das Doppelte der Wertminderung der Immobilie betragen oder den Wert der Immobilie in mangelfreiem Zustand übertrifft, ist von einem Missverhältnis auszugehen und die Nacherfüllung ausgeschlossen.

Die anderen Rechte des Käufers auf Rücktritt, Minderung, Schadensersatz bleiben unabhängig von einer ausgeschlossenen Nacherfüllung bestehen.

Der Käufer kann den Kaufpreis bis zur Erfüllung der Mangelbeseitigung rechtmäßig zurückbehalten (§ 320 BGB). Ein Ausschluss dieses Zurückbehaltungsrechts in Formularkaufverträgen ist unwirksam (§ 309 Nr. 2 a BGB). Der Verkäufer kann also nicht vom Käufer verlangen, dass dieser den Kaufpreis vorleistet, obwohl er selbst noch einen Mangel an der Immobilie zu beseitigen hat.

Beispiel:
Der Immobilienkäufer I erwirbt von dem Verkäufer V ein Einfamilienhaus. Das Dach des Hauses ist undicht.

  • Bei dem undichten Dach handelt es sich um einen Sachmangel. I kann dem V deshalb eine Frist zur Nacherfüllung setzen, damit dieser den Mangel beseitigt.
  • 1. Abwandlung: Brennt das Dach vor der Mangelbeseitigung aufgrund eines Fehlverhaltens des I ab, ist die Nacherfüllung durch Dachreparatur unmöglich geworden. I könnte dann lediglich den Minderungswert in Höhe des geschätzten Reparaturaufwands geltend machen. Will I von dem Vertrag zurücktreten, hat er bei der Rückabwicklung die Verschlechterung durch den Brand zu vertreten.
  • 2. Abwandlung: Regnet es noch vor Nacherfüllung durch das undichte Dach und werden Gegenstände des I beschädigt, handelt es sich um sogenannte Mangelfolgeschäden, für die V haftet (vgl. hierzu Punkt 4.3.4.1).

4.3.2 Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag

Das Recht vom Immobilienkaufvertrag zurückzutreten, steht dem Käufer einer Immobilie immer dann zu, wenn zuvor erfolglos versucht wurde, eine Nacherfüllung vorzunehmen oder die Nacherfüllung unmöglich ist.

Sobald der Käufer einer Immobilie einen Mangel feststellt, muss er nach den gesetzlichen Regelungen immer erst erfolglos eine Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt haben, bevor er den Rücktritt vom Vertrag erklären kann (§ 323 Abs. 1 BGB).

Ausnahmsweise kann er sofort vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn eine Frist zur Nacherfüllung entbehrlich ist (§ 323 Abs. 1 BGB) oder die Nacherfüllung verweigert oder fehlgeschlagen ist (gemäß § 440 BGB nach dem zweiten erfolglosen Mangelbeseitigungsversuch).

Entbehrlich ist die Fristsetzung immer:

  • bei einer ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Nacherfüllung

Beispiel
Nach dem Erwerb eines Einfamilienhauses stellt der Käufer K fest, dass das gesamte Gebäude von Hausschwamm befallen ist. Der K teilt dies dem Verkäufer V mit und der erklärt, dass ihn das nichts mehr angehe und er dafür nicht einstehen werde. V verweigert die Beseitigung des Hausschwamms.

  • K muss keine Frist zur Mangelbeseitigung setzen und kann sofort zurücktreten, da V eine Beseitigung des Hausschwamms ernsthaft und endgültig verweigerte. (§ 323 Abs. 1 BGB).
  • bei einem terminlich festgelegten Zeitpunkt für die Nacherfüllung, sog. Fixgeschäft

Beispiel
Vor dem Erwerb eines Einfamilienhauses stellt der Käufer K am 13.01.2017 fest, dass das Dach des Haus undicht ist. Der Verkäufer V sichert dem K daraufhin bereits im Kaufvertrag zu, dass der bestehende Mangel bis spätestens zum 31.03.2017 beseitigt ist. Am 01.04.2017 stellt K fest, dass der V keinerlei Reparaturen unternommen hat.

  • K kann sofort von dem Kaufvertrag zurücktreten, da der festgelegte Termin, bis zu dem der Mangel beseitigt sein sollte nicht eingehalten wurde.
  • bei besonderen Umständen, die den sofortigen Rücktritt rechtfertigen (BGH, Entscheidung vom 08.12.2006, Az.: V ZR 249/05 und vom 09.01.2008, Az.: VIII ZR 210/06)

Beispiel
Der Käufer K erwirbt von dem Verkäufer V ein Hausgrundstück. Das Haus leidet allerdings unter erheblichen Baumängeln, so dass bei starken Regenfällen Wasser in den Keller und in die Garage eintritt. Von den Nachbarn erfährt K, dass V dies bei dem Verkauf gewusst haben muss, da seine damaligen Mieter wegen dieser Mängel aus dem Haus ausgezogen sind. V hatte diese Baumängel gegenüber K verschwiegen.

  • K kann sofort von dem Kaufvertrag zurücktreten, da die arglistige Täuschung durch V einen sofortigen Rücktritt rechtfertigt. Durch die Täuschungshandlung beim Abschluss eines Kaufvertrags ist nach der Rechtsprechung in der Regel davon auszugehen, dass die Vertrauensgrundlage, die für eine Nacherfüllung erforderlich ist beschädigt ist (BGH, Entscheidung vom 08.12.2006, Az.: V ZR 249/05). Der Käufer hat daher ein berechtigtes Interesse daran, eine weitere Zusammenarbeit mit dem Verkäufer abzulehnen und ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung vom Kaufvertrag zurückzutreten.

Tritt der Käufer vom Immobilienkaufvertrag zurück, wird damit ein Recht zur Minderung des Kaufpreises automatisch ausgeschlossen. Das einstige Vertragsverhältnis wird mit Zugang der Rücktrittserklärung beim Verkäufer in ein Rückgewährschuldverhältnis (§ 346 BGB) umgewandelt. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt alle gewährten Leistungen und Ansprüche zurückzugeben sind. Daneben kann der Käufer alle vergeblichen Aufwendung ersetzt verlangen und Schadensersatz gegenüber dem Verkäufer geltend machen, wenn er den vorliegenden Mangel zu vertreten hat (vgl. unten zum Schadensersatz unter Punkt 4.3.4 und 5.4).

Beispiel
Der Immobilienkäufer M erwirbt von dem Verkäufer V mit notariellem Kaufvertrag ein lastenfreies Grundstück mit Einfamilienhaus. Die Auflassung wird erklärt und die Eintragung im Grundbuch erfolgt. Als M in das Objekt einziehen will, erfährt er von dem Nachbarn, dass das Einfamilienhaus eigentlich an den Mieter A vermietet ist, der sich gerade auf einer Auslandsreise befindet. Weder bei der ersten Besichtigung des Objekts noch später bei Kaufvertragsabschluss wurde M von V über die Vermietung in Kenntnis gesetzt. M hätte die Immobilie sonst nie gekauft.

  • Die Vermietung des Einfamilienhauses stellt einen Rechtsmangel dar, da ein mietvertragliches Recht des Mieters A an dem erworbenen Objekt besteht von dem M nichts gewusst hat. M kann von dem Kaufvertrag zurücktreten und Schadensersatz von V verlangen. V hat dem M alle Aufwendungen, wie Notar-, Anwalts-, Reise- und Umzugskosten zu ersetzen.
  • Daneben ist ihm sein finanzieller Schaden, z.B. die Anmietung einer teureren Wohnung von dem V zu ersetzen. M muss so gestellt werden als hätte er den Vertrag nie abgeschlossen.

Ein Teilrücktritt ist grundsätzlich möglich, bei einem Immobilienkauf aber nicht relevant. Ist bei einem Immobilienkaufvertrag nur ein Kaufvertragsobjekt von mehreren mangelhaft, soll der Rücktritt vom ganzen Vertrag nur dann möglich sein, wenn aufgrund des mangelhaften Teilobjekts das Interesse am gesamten Kaufvertrag entfällt.

Beispiel
Das Unternehmen U plant den Bau eines Einkaufscenters und erwirbt dazu mehrere zusammenhängende Grundstücke mit notariellem Kaufvertrag von dem Immobilienverkäufer V. Das Motiv des Grundstückskaufs wird mitbeurkundet und V versichert, dass alle drei Grundstücke problemlos bebaubar sind. V erklärt nicht, dass eines der Grundstücke früher zu Aushebungen von Erde und später als Deponie verwendet wurde. Die Auflassung wird erklärt und das Eigentum zu Gunsten des U ins Grundbuch eingetragen.

Vor dem Baubeginn erfährt U durch Bodenuntersuchungen von den Bodenverunreinigungen des einen Grundstücks. Die tiefgelegenen Müllablagerungen, die fehlende Erde und die zahlreichen Unebenheiten im Untergrund machen das Grundstück unbebaubar. U wendet sich an V und will zurücktreten.

  • U kann hier wegen dem Mangel sofort vom vollständigen Vertrag zurücktreten. Die Beschaffenheit der Bebaubarkeit aller Grundstücke war hier vereinbart. Dass ein Grundstück nicht bebaut werden kann, stellt einen Sachmangel dar. Dieser Mangel berechtigt nicht nur zum Teilrücktritt, sondern zum vollständigen Rücktritt vom Vertrag, da auch an den anderen Grundstücken wegen dieses Mangels kein Interesse mehr besteht. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war hier nicht notwendig, da zum einen eine Mangelbeseitigung unmöglich ist und U das Abwarten aufgrund der Täuschung des V nicht zuzumuten ist.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Immobilienkaufvertrag“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Kristin Nözel, Volljuristin Dip. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-74-8.


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Stand: Januar 2017


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Michael Kaiser beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Rechtsfragen des Immobilienrechts. Er prüft Immobilienkaufverträge, Grundstücksverträge, begleitet Bauvorhaben und vertritt bei Streitigkeiten um Bauleistungen.


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