Der Immobilienkaufvertrag – Teil 06 – Nichtigkeitsgründe beim Immobilienkaufvertrag

2.4 Nichtigkeitsgründe beim Immobilienkaufvertrag

Eine weitere Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Immobilienkaufvertrages ist neben der Beurkundung, dass er nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstößt oder Wucher darstellt. Solche Verstöße führen zur Nichtigkeit des gesamten Immobilienvertrages. Die Folge wäre, dass eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu erfolgen hat und gegenseitige Schadensersatzansprüche entstehen können.

2.4.1 Gesetzliches Verbot § 134 BGB

Verstößt der Abschluss des Immobilienkaufvertrages oder sein Inhalt gegen ein gesetzliches Verbot, ist der Vertrag gemäß § 134 BGB nichtig. Als gesetzliche Verbote kommen landes- oder bundesrechtliche Gesetze in Betracht. So liegt z.B. ein Gesetzesverstoß vor, wenn

  • eine Gemeinde in dem Kaufvertrag eine Verpflichtungserklärung abgibt, innerhalb einer bestimmter Frist einen Bebauungsplan aufzustellen (BGH, Urteil vom 22. November 1979, Az.: III ZR 186/77; Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB: vgl. Ellenberger, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 134, Rn. 16)
  • der Immobilienkaufvertrag die Vereinbarung über die Errichtung eines bewussten Schwarzbaus ohne Baugenehmigung enthält (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn. 122)

Gesetzliche Regelungen, die bestimmte Genehmigungspflichten für den Vertragsabschluss fordern oder die Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien beschränken, können ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB darstellen (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn. 122), wie z.B.:

  • Schenkungsverbote durch gesetzliche Vertreter oder Betreuer
  • Genehmigungsbedürftigkeit bei Grundstückverträgen mit Betreuten oder Minderjährigen
  • Regelungen zu Verfügungsbeschränkungen bei Ehegatten oder Erben.

Erkennt der Notar bei dem Beurkundungstermin, dass der Vertragsabschluss gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist er verpflichtet, die Beurkundung ablehnen (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn. 122).
Hat der Notar Zweifel an der Wirksamkeit des Notarvertrages, hat er diese neben den entsprechenden Äußerungen der Beteiligten nach § 17 Abs. 2 Satz 2 BeurkG in der Vertragsurkunde zu vermerken (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn. 122). Das bedeutet, ein Notar wird und darf sich nicht auf die Beurkundung eines Kaufvertrages, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, einlassen.

In Fällen, in denen ein Vertrag beurkundet wurde, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wird der Vollzug des Vertrages durch den Notar regelmäßig sofort eingestellt, sobald die Umstände des Verstoßes bekannt werden (vgl. Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 7. Auflage 2014, Rn.123). Der Vertrag wird kraft Gesetz nichtig.

Beispiel
Der Rentner R wohnt in einem Altenheim. Das Heimpersonal und die Stationsschwester S kümmern sich um alle Bedürfnisse des R. Als R erfährt, dass S eine zentrumsnahe Eigentumswohnung sucht, überlegt er, ihr seine alte, leerstehende Eigentumswohnung zu schenken, wenn sie ihm die Wohnungseinrichtung zu einem Gesamtpreis von 5.000,00 € abkauft. Die Stationsschwester S und der Rentner R wollen daher in einem Immobilienkaufvertrag vereinbaren, dass die Eigentumswohnung einschließlich Mobiliar für 5.000,00 € verkauft und übereignet werden soll.

  • Bei dem beabsichtigten Immobilienvertrag liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des § 14 HeimG vor, das Zuwendungen zwischen Heimpersonal und Heiminsassen untersagt. Im Rahmen des Vertrages soll nämlich ein Teil verschenkt werden. Dies wäre eine unentgeltliche, einseitige Verpflichtung des Rentners R und daher nach § 14 HeimG verboten. Der Immobilienvertrag wäre hinsichtlich der Schenkung nichtig. Im Ergebnis würde dies zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führen, da die Schenkung nicht ohne den Verkauf der Einrichtung gewollt ist.

2.4.2 Wucher § 138 Abs. 2 BGB

Der Immobilienkaufvertrag kann als Wuchergeschäft nichtig sein. Wucher ist immer dann anzunehmen, wenn

  • ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und
  • durch einen Vertragsteil eine bestehende Schwächesituation bei dem anderen Vertragsteil bewusst ausgenutzt wird (Ausbeutung einer Partei).

Eine solche Schwächesituation eines Vertragsteils kann verschiedene Ursachen haben (vgl. Ellenberger, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., § 138 Rn. 69 ff.), wie z.B.:

  • eine persönliche Zwangslage
  • Unerfahrenheit (Minderjährige, Ältere Menschen usw.)
  • mangelndes Urteilsvermögen (Fälle der Verstandesschwäche)
  • erhebliche Willensschwäche (ist sich über Rechtsfolgen bewusst kann sich aber nicht korrekt verhalten, z.B. wegen Drogen oder Alkoholeinfluss).

Die Nichtigkeit erstreckt sich bei einem Wuchergeschäft auf die Rechtshandlungen des dinglichen Rechtsgeschäfts (vgl. oben unter Punkt 2.2.2), so dass sowohl der Immobilienkaufvertrag als auch die erfolgte Auflassung und Grundbucheintragung nichtig sind.

Beispiel
Der Rentner R wohnt freiwillig in einem Altenheim. Das Heimpersonal und die Stationsschwester S sind immer sehr aufmerksam und kümmern sich angemessen, um alle Bedürfnisse des R. Jedoch leidet der R an einer beginnenden Alzheimererkrankung. Als R erfährt das S eine zentrumsnahe Eigentumswohnung verkaufen will, überlegt er diese für seinen Enkel E zu kaufen. R hat noch nie einen Immobilienkaufvertrag abgeschlossen und kennt sich mit den Marktpreisen nicht aus. Als S von dem Interesse des R erfährt, beschließt sie ihren ursprünglichen Kaufpreiswunsch von 50.000,00 € (der dem Verkehrswert der Immobilie entspricht) auf 150.000,00 € anzuheben, da sie weiß, dass R keine Kenntnis von dem tatsächlichen Immobilienwert im Stadtzentrum hat und keine Möglichkeit besitzt, dies zu prüfen. Schließlich würde er selbst bestehende Zweifel sofort wieder vergessen. R verlässt sich auf die Angaben der S und trifft sich mit ihr zum vereinbarten Notartermin.

  • Der Kaufpreis ist um 150 % höher als der Verkehrswert, wodurch ein auffälliges Missverhältnis der sich gegenüberstehenden Leistungen besteht. Das Unwissen des R, das zum einen auf seiner Unerfahrenheit und zum anderen auf seiner geistigen Leistungsschwäche beruht hat S bewusst ausgenutzt. Der Immobilienkaufvertrag ist nichtig.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Immobilienkaufvertrag“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Kristin Nözel, Volljuristin Dip. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-74-8.


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Stand: Januar 2017


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