Der Bebauungsplan – Teil 39 – Verunstaltungsverbot, Untersagung baulicher Gestaltung, Rücksichtnahmegebot


Autor(-en):
Pascal Bothe
Wissenschaftlicher Mitarbeiter


13.1.2.4 Verunstaltungsverbot

Wie bereits in Bezug auf städtische Satzungen dargestellt, verfolgen Gemeinden oftmals das Ziel einer gewissen optischen Einheitlichkeit. Um diese zu erreichen, kann ebenso das sog. Verunstaltungsverbot zur Beurteilung herangezogen werden:

Nehmen wir an, ein Bauherr plant in Goslars historischer Altstadt in einer Baulücke in der Innenstadt den Bau eines modernen Hauses, in dem er wohnen möchte. Es handelt sich daher wohl um ein fiktives allgemeines Wohngebiet. Der Bauherr will sein Gebäude entsprechend der anderen, ihn umgebenden in geschlossener Bauweise errichten. Seine Umgebung ist über Jahrhunderte gewachsen und verfügt über gewisse optische Eigenheiten, in die sich auch sein Neubau einfügen sollte.

Daher findet sich in allen Landesbauordnungen das sog. “Verunstaltungsverbot“. Darin ist geregelt, dass Bauvorhaben hinsichtlich Form, Maßstab, Farbe noch in das Verhältnis zur Umgebung passen müssen, also in das Straßen- und Ortsbild.

13.1.2.5 Zulässigkeit ohne Einfügen

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in einer Vielzahl von Fällen mit dem Gebot des Einfügens zu beschäftigen. Grundton dieser Entscheidungen ist, dass sich Gebäude auch durchaus einfügen können, wenn diese von der Umgebung abweichen. Die Abweichung darf jedoch nicht in einer Weise stattfinden, die eine Störung oder Belastung der umliegenden Bebauung hervorruft. Einfügen bedeutet damit nicht, dass Neues nur eine Kopie des Alten darstellen darf – vielmehr kommt es darauf an, den Charakter der Umgebung zu wahren. Entscheidend ist damit die Vereinbarkeit mit der umliegenden Bebauung.

Eine Rolle spielen ferner auch wirtschaftliche Gesichtspunkte. Nehmen wir folgendes an:

Ein Unternehmen, dass in einem Stadtteil vor vielen Jahren (möglicherweise vor Planaufstellung) gegründet wurde, will baulich erweitern – in Abwägung der Unzumutbarkeit und technischer und wirtschaftlicher Realisierbarkeit ist abzuwägen, ob eine Zulassung auch ohne striktes Einfügen erfolgen kann. Umgekehrt ist es gut möglich, dass die Eröffnung eines Einzelhändlers untersagt wird, auch wenn dieser sich einfügt, sofern davon der Handel in übrigen Bereichen beeinflusst wird. Dies zu beurteilen ist nicht einfach und oftmals von langen, auch juristischen Auseinandersetzungen geprägt. Oft wird hier um die Frage gestritten, was der zentrale Versorgungsbereich ist und wie dieser negativ beeinflusst wird.

Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass das Einfügen durchaus durchbrochen werden kann, soweit die Bebauung mit den übergeordneten Zielen der städtischen Bauleitplanung vereinbar ist.

13.1.3 Untersagung baulicher Gestaltung aufgrund städtebaulicher Satzungen

Als weitere Möglichkeit einer Gemeinde, um ein städtisches Gesamtbild zu schützen, bietet sich der Erlass von Satzungen an.

Die Stadt Goslar beispielsweise hat eine Satzung mit dem Namen „Örtliche Bauvorschrift über die Gestaltung von Werbeanlagen, Warenautomaten, Vordächern und Markisen in der Altstadt von Goslar (Werbeanlagensatzung)“ erlassen. Dies geschieht auf Grundlage der Kommunalverfassung, die ausdrücklich zulässt, dass örtliche Bausatzungen erlassen werden. Diese ist in einem räumlichen und einen sachlichen Geltungsbereich aufgeteilt. Der räumliche Geltungsbereich legt fest, für welche Straßen im Stadtgebiet diese Satzung gilt. Die sachliche Festlegung bestimmt, welche Gestaltung die Bauherren vorzunehmen haben.

Dort heißt es beispielsweise: Beschriftungen, Zeichen und Symbole sollen in der Länge höchstens drei Viertel der Gebäudefassade einnehmen.

Oder als weiteres Beispiel:

Altstadtgerechte Werbeformen sind:

  1. aufgemalte Buchstaben,
  2. nach vorn leuchtende Einzelbuchstaben,
  3. Einzelbuchstaben, die hinterleuchtet werden,
  4. kleinformatige Leuchtkästen mit ausgestrahlten Einzelbuchstaben,
  5. Werbeschild, angestrahlt,
  6. Werbeträger im Schaufenster (unter 20 % der Schaufensterfläche),
  7. künstlerisch gestaltete Werbeausleger

Zielsetzung der Stadt Goslar ist es, das altstadttypische Erscheinungsbild aufrecht zu erhalten. Um nicht in jedem Fall eine Einzelentscheidung treffen zu müssen, hat man dies in Form einer Satzung festgelegt.

13.1.4 Rücksichtnahmegebot

Denkbar ist, dass sich ein Vorhaben grundsätzlich nach Art der baulichen Nutzung in die Umgebung einfügt und dennoch im Einzelfall unzumutbare Nachbarbeeinträchtigungen mit sich brächte. Dies kann an die Nutzung anknüpfen wie im Falle etwa ausgehender Emmissionen von landwirtschaftlichen Betrieben, Gaststätten oder „störenden Gewerbebetriebe.“.Es kommt jedoch auch in Anknüpfung an das Maß der baulichen Nutzung in Betracht, die sich noch im Rahmen des in der Umgebung vorhandenen Rahmens hält und trotzdem Auswirkungen auf die Nachbarschaft entwickelt, die sich als unzumutbar darstellen, etwa wenn eine beträchtliche Beschattungswirkung davon ausginge und dem Nachbarn dadurch sämtliches natürliches Licht auf seinem Grundstück genommen würde.

Ein Vorhaben muss sich daher nicht nur in die Umgebung einfügen, es muss auch Rücksicht auf die umliegenden Nachbarn nehmen.

Bei der Beurteilung des Maßes an Rücksicht gilt vor allen Dingen die Rücksicht bezüglich der bereits vorhandenen baulichen Nutzung:

Gemäß dieses Rücksichtnahmegebots, welches im § 15 BauNVO geregelt wird, können bauliche Anlagen, welche ansonsten in einem Baugebiet zulässig wären, in Einzelfällen unzulässig sein. Dies ist der Fall, wenn sie aufgrund

  • ihrer Anzahl,
  • ihrer Lage,
  • ihrer Zweckbestimmung oder
  • ihres Umfangs

der Eigenart des betreffenden Baugebets widersprechen.

Es gilt jedoch immer die Einzelfallbetrachtung.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Bebauungsplan Einführung in das Bauplanungsrecht“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Pascal Bothe LL.B.,wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-19-9.


 

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Stand: Januar 2015


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