Datenschutzstrafrecht – Teil 14 – Verletzung von Privatgeheimnissen: Einwilligung, Offenbarung

7.3 Rechtswidrigkeit

7.3.1 Allgemeine Rechtfertigungsgründe

Wie ansonsten auch, kommen die allgemeinen Rechtfertigungsgründe in Betracht, die bei ihrem Vorliegen die Strafbarkeit des Offenbarenden entfallen lassen. Vor allem die Einwilligung des Betroffenen spielt hier eine wichtige Rolle. Sollte der Betroffene mit der Offenbarung einverstanden sein, entfiele allerdings bereits das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“, sodass sich der Täter allein deshalb nicht nach § 203 StGB strafbar machen würde.

7.3.2 Mutmaßliche Einwilligung

Die Rechtswidrigkeit kann insbesondere unter dem Gesichtspunkt der mutmaßlichen Einwilligung entfallen. Eine solche liegt vor, wenn das Opfer nicht in die Offenbarung einwilligen kann, etwa weil es bewusstlos ist, aber voraussichtlich einwilligen würde, wenn es könnte.

Beispiel
X hatte einen Unfall und liegt seitdem im Koma. Zur weiteren Behandlung ruft E, die Ehefrau des X bei H, dem Hausarzt des X an, um sich nach etwaigen Allergien zu erkundigen.

  • Teilte H der E die gewünschten Informationen mit, erfüllte er den Tatbestand des § 203 StGB. Unter diesen Umständen wäre X aber wohl mit der Offenbarung einverstanden, sodass eine Strafbarkeit des H nach § 203 StGB durch das Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung entfiele.

Die Strafbarkeit des Täters entfällt sogar dann, wenn sich nachher herausstellt, dass der vom Geheimnis Betroffene nicht mit der Offenbarung einverstanden gewesen wäre, solange der Täter zum Zeitpunkt des Offenbarens davon ausgehen durfte, dass der Betroffene eingewilligt hätte. Würde also im oben genannten Beispiel X aus seinem Koma erwachen und hätte erbost erfahren, dass H der E seine geheimen Allergien mitgeteilt hatte, die er unter allen Umständen geheim halten wollte, wäre H dennoch nicht nach § 203 StGB strafbar, da er unter diesen Umständen von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgehen durfte.

7.3.3 Gesetzliche Offenbarungspflichten

Selbstverständlich kann sich nicht nach § 203 StGB strafbar machen, wer ein Geheimnis offenbart, weil er aufgrund einer anderen Norm dazu verpflichtet wird. Beispiele hierfür sind § 138 StGB (Nichtanzeige geplanter Straftaten) oder § 807 ZPO (Abnahme der Vermögensauskunft nach Pfändungsversuch).
Zudem muss die Wahrheit sagen, wer als Zeuge vor Gericht auftritt, sofern er kein Zeugnisverweigerungsrecht hat. Den in § 203 StGB genannten Berufsgruppen steht in der Regel (etwa in § 53 StPO) ein solches Zeugnisverweigerungsrecht zu. Da es sich um ein Zeugnisverweigerungsrecht und keine Pflicht handelt, könnte der Geheimnisträger durchaus vollständig aussagen. Das heißt allerdings nicht, dass ein Schweigeverpflichteter das Geheimnis ohne weiteres offenbaren dürfte, nur weil er als Zeuge aussagt. Er muss vielmehr vom Betroffenen entbunden worden sein oder durch einen anderen Rechtfertigungsgrund gerechtfertigt sein.

7.3.4 Rechtlich gebilligter Austausch

Nach den Landespressegesetzen, innerhalb von Behörden oder zur Terrorismusbekämpfung kann es zulässig sein, Geheimnisse untereinander auszutauschen, sodass sich der jeweils Handelnde nicht nach § 203 StGB strafbar macht. Diese Ausnahmen sind aber eng begrenzt, sodass im Zweifel Zurückhaltung geboten ist.

7.3.5 Rechtfertigender Notstand und anderweitige Abwägung

Nach Abwägung der entgegenstehenden Interessen kann es in Betracht kommen, dass die Offenbarung ausnahmsweise geboten ist, wenn dadurch ein höher zu gewichtendes Rechtsgut gerettet werden kann und dieser Schutz nicht anders gewährleistet werden kann. Sollte dies der Fall sein, hätte dies zur Folge, dass die Tat gerechtfertigt und der Täter straflos wäre.

Die Rechtsprechung hat als gerechtfertigtes Offenbaren unter anderem anerkannt:

  • Die 21-jähirge T ist schwanger, wovon ihre Mutter M nichts weiß und auch nichts wissen soll. Arzt A stellt fest, dass es sich um eine sogenannte Eileiterschwangerschaft vorliegt, die einer sofortigen stationären Behandlung bedarf, da T sonst in akuter Lebensgefahr schweben würde. T ignoriert dies und geht nach Hause, wo sie kurz darauf verstirbt (Fußnote).
    In diesem Fall hätte A die M über die Erforderlichkeit einer stationären Behandlung informieren dürfen (und sogar müssen), da hiermit das Leben der T, das als Rechtsgut höher zu gewichten ist als der Schutz ihrer Geheimnisse, gerettet hätte werden können. Zudem wäre es nicht erforderlich gewesen, der M die Schwangerschaft zu offenbaren.
  • Das Kammergericht Berlin sah es als gerechtfertigt an, wenn ein Arzt das Landeskriminalamt und das Jugendamt über den begründeten Verdacht der Kindsmisshandlung informiert (Fußnote).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Datenschutzstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Guido-Friedrich Weiler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, und Sven Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-61-8.


 

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Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

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Portrait Guido-Friedrich-Weiler

Rechtsanwalt Weiler berät und schult Arbeitgeber und Betriebsräte in allen Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes. Seine umfassende Lehrerfahrung ermöglicht es ihm, Fachanwälte für Arbeitsrecht in Spezialthemen wie der Arbeitnehmerüberwachung fortzubilden.

Als Trainer ist Guido-Friedrich Weiler bei diversen Dax-30-Unternehmen anerkannter Spezialist, wenn es um arbeitsrechtliche Fragen von Datenschutz, Innenrevision oder Compliance geht. In Kooperation mit IT-Sicherheitsunternehmen und Herstellern von Antivirenprogrammen hält er regelmäßig Vorträge zu rechtskonformem Einsatz von IT-Security.

Er publiziert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere zu Fragen der Arbeitnehmerüberwachung.

Von 1999 bis 2006 war Guido-Friedrich Weiler bei der Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.

Guido Friedrich-Weiler ist

  • Lehrbeauftragter an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Hellweg-Sauerland in Soest
  • Lehrbeauftragter an der F.O.M. Fachhochschule für Ökonomie und Management in Bonn, Köln und Aachen
  • Lehrbeauftragter an der Rheinische Fachhochschule Köln
  • Dozent an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie
  • Dozent bei EIDEN JURISTISCHE SEMINARE
  • Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Interimmanager und Consultants
  • Lehrbeauftragter bei dem Bildungszentraum der Bundeswehr Mannheim

Ferner ist Herr Weiler Referent für

  • Management Circle
  • Haub & Partner
  • IMW Bildungsinstitut der Mittelständischen Wirtschaft
  • W.A.F. Betriebsrätefortbildung

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Datenschutz und Compliance
  • Arbeitnehmerdatenschutz
  • Überwachung von Arbeitnehmern: Möglichkeiten und Grenzen
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