Datenschutzstrafrecht – Teil 01 – Einleitung, § 202 StGB – Verletzung des Briefgeheimnisses

1 Einleitung

Die Verzahnung der industriellen Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik wird seit spätestens 2013 von der Bundesregierung aktiv nach vorne getrieben. Dort, wo viel Geld, Waren oder Leistungen ausgetauscht werden, entsteht auch für Kriminelle ein attraktiver Markt. Dementsprechend hat sich in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik hierfür bereits ein eigener Bereich gebildet: "Cybercrime".
"Cybercrime umfasst die Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten (Cybercrime im engeren Sinne) oder die mittels dieser Informationstechnik begangen werden." (Fußnote)
"Die von Cybercrime ausgehenden Gefahren für den Privat- und Wirtschaftsbereich sowie die Gesellschaft insgesamt werden weiter zunehmen. Aktuelle Technologietrends, wie z. B. das „Internet der Dinge“, „Industrie 4.0“ oder auch die weiter ansteigende Nutzung des Internets durch den Privatanwender, dürften diese Entwicklung deutlich fördern, weil sie aus Täterperspektive neue Tatgelegenheiten und neue Tatgelegenheitsstrukturen eröffnen." (Fußnote)
Es handelt sich also um einen wachsenden Markt.
Da nicht jedermann von Grund auf übler Gesinnung ist und ggf. unwissentlich ein Delikt begeht, auf der anderen Seite aber bekanntlich Unwissenheit vor Strafe nicht schützt, soll die nachstehende Kommentierung einzelner Vorschriften den Leserinnen und Lesern eine Orientierung vermitteln.

2 § 202 StGB – Verletzung des Briefgeheimnisses

(1) Wer unbefugt
1. einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet oder
2. sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 206 mit Strafe bedroht ist.
(2) Ebenso wird bestraft, wer sich unbefugt vom Inhalt eines Schriftstücks, das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt und durch ein verschlossenes Behältnis gegen Kenntnisnahme besonders gesichert ist, Kenntnis verschafft, nachdem er dazu das Behältnis geöffnet hat.
(3) Einem Schriftstück im Sinne der Absätze 1 und 2 steht eine Abbildung gleich.

2.1 Objektiver Tatbestand

2.1.1 Tatobjekt

2.1.1.1 Schriftstück

Tatobjekt des § 202 I Nr. 1 sind zunächst Schriftstücke, also jeder Träger von Schriftzeichen. Die Sprache und der Inhalt sind für die Kennzeichnung als Schriftstück irrelevant. Es bedarf lediglich einer Festigkeit und Dauerhaftigkeit. Eine Qualifizierung als Urkunde im Sinne von § 267 StGB ist nicht erforderlich. Größtenteils wird auch ein gewisser Persönlichkeitsbezug gefordert.
Auf elektronische Daten ist § 202 StGB nicht anwendbar, hierfür gibt es die §§ 202a ff. StGB.

2.1.1.2 Brief und Abbildungen

Der Brief ist ein Sonderfall des Schriftstückes. Der Brief ist auf die Kommunikation mit dem Adressaten angelegt.
Nach § 202 III StGB sind den Schriftstücken Abbildungen gleich gestellt. Es muss sich also nicht zwingend um Schriftzeichen halten, auch mathematische Gleichungen, Zeichnungen oder Fotografien sind geschützt. Auch hier bedarf es aber einer Verkörperung. Wird eine Chipkarte verschickt, auf der sich die Abbildungen befinden, ist dies nicht als eine Abbildung im Sinne von § 202 III StGB zu verstehen.

2.1.1.3 verschlossen

Das Schriftstück muss verschlossen sein. Dies geschieht in der Regel durch einen Briefumschlag, was aber nicht zwingend erforderlich ist. Aus dem Verschluss muss nur zur Genüge hervorgehen, dass der Zugang zumindest symbolisch erschwert und das Schriftstück nicht jedermann frei zugänglich sein soll (Fußnote). Bloßes Falten oder die Zusammenheftung mittels Büroklammern reichen hierfür jedoch nicht aus. Schleifen und Bänder reichen aus, sofern sie nicht bloß dekorativen Charakter haben.

2.1.1.4 verschlossenes Behältnis (für Abs. 2)

Ebenso erfasst sind nach Abs. 2 Schriftstücke, die in einem verschlossenen Behältnis gelagert werden. Hierfür gilt entsprechendes. Der Verschluss muss zumindest einen symbolischen Charakter haben. Das Behältnis muss ein räumlich begrenzter Gegenstand sein, es reicht nicht, wenn das Schriftstück in einem Zimmer eingeschlossen wird.

2.1.1.5 Neutrale Schriftstücke

Nach der herrschenden Meinung werden neutrale Schriftstücke, also solche, die keinen Persönlichkeitsbezug aufweisen oder in denen der Verschluss nicht der Sicherung des Inhalts dient, nicht erfasst. Hierzu zählen unter anderem Bücher, Beipackzettel oder Werbeprospekte.

2.1.2 Nicht zur Kenntnis des Täters bestimmt

Der Inhalt des Schriftstückes darf dem Täter nicht zugänglich sein. Wem der Inhalt zugänglich sein soll, bestimmt hinsichtlich der Schriftstücke der Verfasser und in den Fällen des Abs. 2 derjenige, der das Behältnis verschlossen hat. Dieses Bestimmungsrecht geht im Zeitpunkt des Zugangs auf den Empfänger über. Dafür muss das Schriftstück aber dem richtigen Empfänger ordnungsgemäß zugestellt worden sein. In Unternehmen kommt es für den Zeitpunkt des Zugangs auf den Zugang beim konkreten Adressaten an. Fehlt eine konkrete Adressierung, reicht der Zugang beim gesamten Unternehmen. Unabhängig von den postrechtlichen Regelungen über die postalische Verfügungsgewalt stellt das unbefugte Öffnen der Post eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Adressaten dar. Wenn ein Arbeitgeber im Rahmen seiner Geschäftsordnung an Mitarbeiter und zugleich an die Dienststelle adressierte Sendungen, welche nicht als persönlich oder vertraulich gekennzeichnet sind, öffnet und mit Eingangsstempel versehen an die Betreffenden weiterleitet., ist § 202 StGB nicht verletzt.

Beispiel
A schreibt einen Brief an seinen Sachbearbeiter S bei seiner Privatversicherung, der V-AG, und adressiert wie folgt: „An die V-AG, Hauptstr. 1-3, 12345 Musterstadt, z.Hd. Herrn S“.

  • Hier geht das Bestimmungsrecht erst mit dem Zugang bei S auf diesen über. Hätte A den Zusatz „z.Hd. Herrn S“ weggelassen, wäre das Bestimmungsrecht schon mit Zugang in der Poststelle der V-AG auf diese übergegangen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Datenschutzstrafrecht“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Guido-Friedrich Weiler, Fachanwalt für Arbeitsrecht, und Sven Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-61-8.


 

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Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist im Datenschutzstrafrecht als Strafverteidiger tätig.

Rechtsanwalt Brennecke hat zum Datenschutzrecht veröffentlicht:

  • „17 UWG – Betriebsgeheimnisse und Verrat durch (ehemalige) Mitarbeiter“, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-38-0
  • "Einführung in das Datenschutzrecht", Kapitel im E-Business Handbuch für Entscheider, 2. Aufl., ISBN 3.540-43263-9, 2002, Springer-Verlag

Folgende Veröffentlichung von Rechtsanwalt Brennecke ist in Vorbereitung:

  • Einführung in das Datenschutzstrafrecht

Rechtsanwalt Brennecke war an der IHK Karlsruhe als Dozent für Datenschutzrecht tätig. Er ist Dozent für Datenschutzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Schutz von Kundenadressen und Geschäftsgeheimnissen – 17 UWG in Theorie und Praxis
  • Datenschutzstrafrecht
  • Datenschutz in Franchisesystemen – Die unterschätzte Gefahr für Franchisesysteme

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Harald Brennecke unter:
Mail: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Guido Friedrich-Weiler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Portrait Guido-Friedrich-Weiler

Rechtsanwalt Weiler berät und schult Arbeitgeber und Betriebsräte in allen Fragen des Arbeitnehmerdatenschutzes. Seine umfassende Lehrerfahrung ermöglicht es ihm, Fachanwälte für Arbeitsrecht in Spezialthemen wie der Arbeitnehmerüberwachung fortzubilden.

Als Trainer ist Guido-Friedrich Weiler bei diversen Dax-30-Unternehmen anerkannter Spezialist, wenn es um arbeitsrechtliche Fragen von Datenschutz, Innenrevision oder Compliance geht. In Kooperation mit IT-Sicherheitsunternehmen und Herstellern von Antivirenprogrammen hält er regelmäßig Vorträge zu rechtskonformem Einsatz von IT-Security.

Er publiziert regelmäßig zu arbeitsrechtlichen Themen, insbesondere zu Fragen der Arbeitnehmerüberwachung.

Von 1999 bis 2006 war Guido-Friedrich Weiler bei der Ernst & Young AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.

Guido Friedrich-Weiler ist

  • Lehrbeauftragter an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie Hellweg-Sauerland in Soest
  • Lehrbeauftragter an der F.O.M. Fachhochschule für Ökonomie und Management in Bonn, Köln und Aachen
  • Lehrbeauftragter an der Rheinische Fachhochschule Köln
  • Dozent an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie
  • Dozent bei EIDEN JURISTISCHE SEMINARE
  • Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Interimmanager und Consultants
  • Lehrbeauftragter bei dem Bildungszentraum der Bundeswehr Mannheim

Ferner ist Herr Weiler Referent für

  • Management Circle
  • Haub & Partner
  • IMW Bildungsinstitut der Mittelständischen Wirtschaft
  • W.A.F. Betriebsrätefortbildung

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zu den Themen:

  • Datenschutz und Compliance
  • Arbeitnehmerdatenschutz
  • Überwachung von Arbeitnehmern: Möglichkeiten und Grenzen
  • Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten durch interne Revision
  • Recht für Revisoren
  • Persönliche Haftung des Risikomanagers
  • Betriebsvereinbarungen zum Thema Datenschutz und Videokameras
  • BYOD – Herausforderungen für Arbeitgeber
  • Emailarchivierung

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Normen: § 202 StGB

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