Das Recht der GmbH – Teil 38 – Der Geschäftsführer in der Insolvenz

8.6 Der Geschäftsführer in der Insolvenz(Fußnote)

Zu den wichtigsten Pflichten des Geschäftsführers gehört es, die finanzielle Situation der GmbH zu überwachen. Er muss frühzeitig erkennen, wenn die Gesellschaft in eine wirtschaftliche Krise steuert. Für den Geschäftsführer ist dies von persönlichem Interesse, um den zahlreichen Haftungsrisiken in einer Insolvenzlage zu begegnen. Fehlverhalten und Pflichtverletzungen des Geschäftsführers führen in der Insolvenzreife zu zahlreichen zivilrechtlichen und strafrechtlichen Ansprüchen, die eine persönliche Haftung auslösen können. Neben den Insolvenzstraftaten stehen dabei besonders die Verletzung der Insolvenzantragspflicht und das Ausführen von Zahlungen in einer Insolvenzlage im Mittelpunkt.

8.6.1 Zahlungen in Insolvenzlage § 64 GmbHG

Gemäß § 64 S. 1 GmbHG besteht für einen Geschäftsführer die Pflicht, nach Eintritt der Insolvenzreife die zukünftige Insolvenzmasse nicht durch Neubelastungen zu schmälern und dadurch die Überschuldung zu erweitern. Das Gesellschaftsvermögen der GmbH soll vor einer Masseverkürzung geschützt werden. Daher haftet der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft für Zahlungen, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind und die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden (Fußnote). Diese Haftung wird in einem laufenden Insolvenzverfahren vom Insolvenzverwalter geltend gemacht, der dann Zahlung vom Geschäftsführer persönlich verlangen kann.

8.6.1.1 Verbotene Zahlungen nach Eintritt Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung

Der Geschäftsführer haftet gemäß § 64 S. 1 GmbHG, wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung Zahlungen geleistet hat, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Zahlungen sind Geldleistungen und alle sonstigen Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen schmälern.

Die Zahlungen müssen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung geleistet worden sein.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Davon ist abstrakt auszugehen, wenn eine innerhalb von 3 Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners 10% seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt (Fußnote). Konkret ist Zahlungsunfähigkeit gegeben, wenn der Schuldner seine am Tag X fälligen Verbindlichkeiten, innerhalb eines Zeitraums von 3 Wochen, nur in Höhe von höchstens 90% bezahlen kann, also eine Liquiditätslücke von 10 % besteht.

Beispiel 1

Die Verbindlichkeiten des Schuldners werden am Tag X fällig und ein Vergleich zu den liquiden Mitteln ergibt eine Deckungslücke von 10%.

Der Schuldner kann bis zum Tag X+3 Wochen maximal 90% der fälligen Verbindlichkeiten begleichen. Die Liquiditätslücke besteht damit weiterhin in Höhe von 10%

Es greift die Regelvermutung der Zahlungsunfähigkeit, da der Schuldner innerhalb von 3 Wochen eine Liquiditätslücke von 10% nicht beseitigen konnte. Kann der Schuldner die Liquiditätslücke innerhalb der 3 Wochen beseitigen, handelt es sich lediglich um eine Zahlungsstockung. Reduziert sich die Liquiditätslücke auf unter 10% ist grundsätzlich von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, die Lücke wird demnächst wieder 10% oder mehr betragen. Ebenso ist von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn die Lücke zwar kleiner als 10 % ist, aber innerhalb von maximal 6 Monaten nicht vollständig beseitigt werden kann.

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Zur Feststellung der Überschuldung trifft einen Geschäftsführer eine strenge Überwachungspflicht der Finanzen der Gesellschaft. Er hat in einer wirtschaftlichen Krise eine Fortbestehensprognose und eine Überschuldungsbilanz zu erstellen um zu überprüfen, ob bereits der Zustand der Überschuldung eingetreten ist. Die Überschuldungsbilanz wird grundsätzlich aus der Handelsbilanz abgeleitet und gibt über die tatsächlichen Werte des Gesellschaftsvermögens Auskunft. Darauf aufbauen ist eine Fortbestehensprognose, regelmäßig nach IDW S6 Standard, zu erstellen, welche ermittelt, ob das Unternehmen weiterhin am Markt bestehen kann.

Wurden nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung Zahlungen geleistet, sind diese nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar, wenn sie der Insolvenzmasse schaden und es damit zu einer Verkürzung der Masse kommt.

Solche Zahlungen sind bspw. Überweisungen auf ein Gläubigerkonto, Warenlieferungen, Dienstleistungen oder die Übertragung von Rechten und Forderungen, wenn diese zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse führen (Fußnote).

8.6.1.2 Zulässige Zahlungen

Der Geschäftsführer haftet gemäß § 64 S. 2 GmbHG nicht, wenn Zahlungen trotz Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu vereinbaren sind.

Zahlungen sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns zu vereinbaren, wenn dadurch größere Nachteile für die Insolvenzmasse abgewendet werden sollen. Damit sind vor allem Zahlungen zulässig, die die Masse nicht schmälern.

Dazu zählen bspw.

  • Zahlungen an absonderungsberechtigte Gläubiger (gesicherte Gläubiger im Sinne des §§ 49ff. InsO) in Höhe des Werts der Sicherung
  • Zahlungen mit vollwertigen Gegenleistungen oder
  • Zahlungen zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs für Zwecke des Insolvenzverfahrens (Fußnote).

Zahlungen zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs für Zwecke des Insolvenzverfahrens sind im speziellen:

  • Zahlung der Sozialabgaben. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es sich lediglich um den Arbeitnehmeranteil handeln darf. Die Zahlung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung ist regelmäßig nicht mir der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar (Fußnote). Der Geschäftsführer sollte daher zur Haftungsvermeidung eine Tilgungsbestimmung mit den zuständigen Krankenkassen treffen
  • Zahlung der Löhne und Gehälter
  • Zahlung von Miete und sonstigen betriebsnotwendigen Verpflichtungen, welche im Insolvenzverfahren grundsätzlich als Masseverbindlichkeiten beglichen werden würden.

Ob eine Zahlung zulässig ist, hat der Geschäftsführer zu beweisen. Er muss darlegen, dass er die notwendige Sorgfalt angewendet hat und die Insolvenzmasse nicht geschmälert wurde, oder die Zahlung für die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs im Rahmen des Verfahrens notwendig gewesen ist. Eine Zulässigkeit der Zahlung ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Zahlung aus der ex ante-Sicht mehr Vorteile als Nachteile für die spätere Insolvenzmasse verspricht (Fußnote).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Das Recht der GmbH“ von Harald Brennecke, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-33-5.


 

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Stand: Januar 2015


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Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Rechtsanwalt Harald Brennecke ist Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Er berät, vertritt und begleitet Gesellschafter, Geschäftsführer und Unternehmen bei

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    Harald Brennecke ist seit 1999 im Bereich der Unternehmenssanierung tätig. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät und begleitet er Sanierungen und betreut Geschäftsführer und Gesellschafter bei Firmeninsolvenzen. Er unterstützt Geschäftsführer in der Unternehmenskrise hinsichtlich der für sie bestehenden Haftungsrisiken sowie Gesellschafter im Interesse der Wahrung der Unternehmenswerte. Er unterstützt bei der Suche nach Investoren und Wagniskapitalgebern (venture capital), begleitet Verhandlungen und erstellt Investorenverträge.


Rechtsanwalt Harald Brennecke hat im Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht veröffentlicht:

  • "Das Recht der GmbH", Verlag Mittelstand und Recht, 2015, ISBN 978-3-939384-33-5
  • "Der Gesellschaftsvertrag der GmbH - Die GmbH-Satzung in Theorie und Praxis", 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-40-3
  • "Der Unternehmenskauf -  Rechtliche Risiken bei Kauf und Verkauf mittelständischer Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-18-2
  • "Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-29-8
  • "Gesellschaftsrecht in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-26-7
  • "Die Limited in der Insolvenz", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-34-2
  • "Der Insolvenzplan – Sanierungsinstrument in der Insolvenz", 2007, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-03-8
  • "Die Regelinsolvenz - Insolvenz für Unternehmer und Unternehmen", 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-07-6
  • "Gesellschafterinteressen in der Publikums-KG: Auskunftsrechte der Kommanditisten einer Publikums-KG gegen Treuhänder“, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-28-1
  • "Die Gesellschafterversammlung: Ein Leitfaden", Harald Brennecke und Dipl.-Jur. Marc Schieren, M. L. E., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-50-2
  • "Arztpraxis – Kauf und Übergang", Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Folgende Veröffentlichungen von Rechtsanwalt Brennecke sind in Vorbereitung:

  • Die Due Diligence – Rechtliche Prüfung beim Unternehmenskauf
  • Die Liquidation der Kapitalgesellschaft
  • Die Unternehmergesellschaft (UG)

Harald Brennecke ist Dozent für Gesellschaftsrecht und Insolvenzrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Insolvenzrecht im DeutscherAnwaltVerein.  
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Gesellschaftsrecht für Steuerberater und Unternehmensberater – Grundlagen des Gesellschaftsrechts
  • Gesellschaftsvertragsgestaltung – Grundlagen und Risiken
  • Die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – kleine Chance, großes Risiko
  • Welche Gesellschaftsform ist die Richtige? Vor- und Nachteile der Rechtsformen für Unternehmer
  • Geschäftsführerhaftung – Geschäftsführung von Kapitalgesellschaften; das letzte große Abenteuer der westlichen Zivilisation
  • Insolvenzrecht für Gründer und lebende Unternehmen: Aus Insolvenzen anderer lernen heißt das eigene Insolvenzrisiko zu vermeiden
  • Unternehmenssanierung: Kopf aus dem Sand! Wer zu spät reagiert, reagiert nie wieder.
  • Insolvenzrecht für Steuerberater – Grundlagen des Insolvenzrechts für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
  • Insolvenzrecht für Unternehmensberater – Sanierungschancen erkennen und wahren
  • Insolvenzberatung: das (enorme) Haftungsrisiko des Sanierungsberaters

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Normen: § 64 GmbHG

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