Crowdfunding – Teil 07 – Prospektpflicht bei Interessenkonflikten
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin
Über den Erfolg einer Kampagne entscheiden häufig die ersten Tage, wenn nicht sogar Stunden. Projekte, die in dieser Zeit genügend Investoren gewinnen können, ziehen aufgrund eines gewissen “Schwarmeffektes” weitere Investitionswillige an und haben gute Chancen, ihr Investitionsziel zu erreichen (Fußnote). Bei Projekten, die die Anfangszeit nicht zu ihren Gunsten nutzen können, ist dies hingegen häufig nicht der Fall. Deshalb investieren Gründer in ihr eigenes Unternehmen gerne auch selbst über Crowdinvesting und das gezielt zu Beginn der Kampagne. Bleibt ihnen diese Möglichkeit verwehrt, kann das den Erfolg der Kampagne insgesamt negativ beeinflussen (Fußnote).
Die Zeichnungsgrenze per Emittent bedeutet auf der anderen Seite nicht, dass der Anleger nicht auch noch in weitere Projekte investieren kann. Es ist dementsprechend möglich, dass er in verschiedene Projekte eine jeweils unter 1000 Euro liegende Summe investiert und sich alle Investitionen als Fehlentscheidungen entpuppen. In diesem Fall kann der Verlust insgesamt deutlich höher ausfallen, als hätte der Anleger nur in ein Projekt - wenn auch eine größere Summe- investiert. Ob das Ziel des Anlegerschutzes mit der Zeichnungsgrenze erreicht werden kann, mag deshalb bezweifelt werden.
2.2.1.2.1.2.1.2.5 Prospektpflicht bei Interessenkonflikten
Selbst wenn alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Anwendung der Crowdfunding-Ausnahme § 2a Abs.5 VermAnlG entgegenstehen.
Die Vorschrift nimmt bestimmte Vermögensanlagen, bei denen Interessenkonflikte bestehen könnten, von der Crowdfunding-Ausnahme aus (Fußnote). Der Wortlaut ist insoweit missverständlich, da es nicht darum geht, dass solche Anlagen überhaupt nicht angeboten werden dürfen. Vielmehr kann das Unternehmen nur die Crowdfunding-Ausnahme nicht in Anspruch nehmen (Fußnote).
Ein relevanter Interessenkonflikt liegt vor, wenn das kapitalsuchende Unternehmen auf den Plattformbetreiber mittelbar oder unmittelbar maßgeblichen Einfluss nehmen kann (Fußnote). Ein maßgeblicher Einfluss ist unter anderem gegeben, wenn ein Mitglied der Geschäftsführung oder deren Angehörige (Fußnote) auch Mitglied der Geschäftsführung des Betreibers der Crowdinvesting-Plattform ist. Dasselbe gilt, wenn das kapitalsuchende Unternehmen mit dem Betreiber der Crowdinvesting-Plattform konzernmäßig verbunden ist, vgl. § 15 AktG (Fußnote).
Da die Vorschrift keinen abschließenden Charakter hat, können auch weitere vergleichbare Konstellationen unter die Ausnahme fallen. Aufgrund des sehr weit gefassten Wortlauts ist davon auszugehen, dass die BaFin die Vorschrift weit auslegen wird (Fußnote).
Von der Regelung des § 2a Abs.5 VermAnlG werden grundsätzlich auch sog. Eigenvertriebsmodelle erfasst. Bei Eigenvertriebsmodellen gründen die Initiatoren eine eigene Crowdinvesting-Plattform, um dabei von der Crowdfunding-Ausnahme zu profitieren (Fußnote). Solche Vorhaben müssen entweder über eine “Drittplattform” gebührenpflichtig abgewickelt werden, oder der Initiator muss einen Verkaufsprospekt veröffentlichen.
Die Crowdfunding-Ausnahme kann auch dann nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn der Geschäftsführer des kapitalsuchenden Unternehmens und des Plattformbetreibers identisch oder miteinander verwandt sind. Dasselbe gilt, wenn die Crowdinvesting-Plattform durch Mitarbeiter des kapitalsuchenden Unternehmens gegründet und betrieben wird (Fußnote).
Von dieser Einschränkung sind allerdings auch Konstellationen erfasst, in denen die Beteiligten die gleichen Interessen verfolgen und ein Interessenkonflikt deshalb nicht ansatzweise erkennbar ist. Der Gesetzgeber scheint auch nicht berücksichtigt zu haben, dass Crowdinvesting-Plattforme generell daran interessiert sind, nur seriöse Projekte – gleich, ob eigene oder fremde – anzubieten. Andernfalls müssten sie mit nachteiligen Folgen für ihre Reputation rechnen und würden damit langfristig ihre eigene wirtschaftliche Existenz gefährden.
Die Notwendigkeit einer solchen weitreichenden Interessenkonfliktregelung ist umso weniger nachvollziehbar, als gerade die konfliktträchtigen Konstellationen nicht erfasst werden. Der umgekehrte Fall, d.h., dass die Crowdfunding-Plattform Einfluss auf das Unternehmen ausüben kann, ist nämlich nicht geregelt (Fußnote). Der Gesetzgeber sah darin offenbar - aus welchem Grund auch immer - keine potenziellen Interessenkonflikte begründet.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die grundsätzliche Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz auch für Crowdinvestments gilt. Eine Befreiung ist nur unter den Voraussetzungen des § 2a Abs.5 VermAnlG möglich. In der Praxis werden Plattforme ihre Bedingungen entsprechend gestalten und somit nur Projekte zulassen, die diese Voraussetzungen erfüllen.
Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Crowdfunding“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, Carola Ritterbach, Rechtsanwältin mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2020, www.vmur.de
Herausgeber / Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Carola Ritterbach
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