Bilanzierung – Teil 18 – Folgebewertung


Autor(-en):
Carola Ritterbach
Rechtsanwältin

Monika Dibbelt
Rechtsanwältin

Jens Bierstedt
LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


6.3.3 Folgebewertung

Im Rahmen der Folgebewertung der Vorräte wird sich zumeist am Börsen- oder Marktpreis orientiert oder, wenn dieser sich nicht ergibt, wird der niedrigere beizulegende Wert ermittelt.

6.3.3.1 Überblick

Gemäß § 253 Abs. 4 HGB sind Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens am Abschlussstichtag auf den sich aus dem niedrigeren Börsen- oder Marktpreis ergebenden Wert oder - falls dieser nicht feststellbar ist - auf den am Abschlussstichtag niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben. Für die Bewertung der Vorräte gilt somit die aus dem Imparitätsprinzip resultierende strenge Niederstwertvorschrift. Die strenge Niederstwertvorschrift lässt sich damit begründen, dass Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens kurzfristig veräußert werden können und somit die am Markt eingetretenen Wertminderungen bereits am Abschlussstichtag zu antizipieren sind. Planmäßige Abschreibungen sind bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens nicht vorzunehmen.

6.3.3.2 Werte zur Bewertung

Börsenpreis: Der an einer amtlichen Börse bei tatsächlichen Umsätzen festgestellte Preis. Typischerweise ein Preis an Aktienmärkten für dort gehandelte Wertpapiere.

Marktpreis: Der Preis, der an einem Handelsplatz (Markt) für Güter einer bestimmten Gattung von durchschnittlicher Art und Güte zu einem bestimmten Zeitpunkt im Durchschnitt zustande kommt.

Niedrigerer beizulegender Wert (Ersatzwert): Der Ersatzwert kommt erst zu Anwendung, wenn kein Markt- oder Börsenpreis festgestellt werden kann. Er leitet sich aus dem Beschaffungsmarkt und/oder dem Absatzmarkt für gleiche Vermögensgegenstände ab. Leitet sich der niedrigere beizulegende Wert vom Beschaffungsmarkt ab, so ist von den Wiederbeschaffungspreisen plus Nebenkosten auszugehen. Bei der Ableitung des Wertes vom Absatzmarkt ist vom Veräußerungspreis auszugehen, von dem noch anfallende Aufwendungen abzuziehen sind.

6.3.3.3 Maßgeblichkeit von Beschaffungs- und/oder Absatzmarkt

Die Maßgeblichkeit von Beschaffungs- und/oder Absatzmarkt ist davon abhängig, um welche Vorräte es geht. Der Wert der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe leitet sich grundsätzlich am Beschaffungsmarkt ab. Eine Ausnahme bilden Überbestände für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe. Für diese ist der Absatzmarkt üblich.
Für unfertige und fertige Erzeugnisse ist grundsätzlich der Absatzmarkt maßgebend. Diese Erzeugnisse sind dazu bestimmt am Absatzmarkt veräußert zu werden.

Zwei Ausnahmen sind zu berücksichtigen:

  • Sind die unfertigen und fertigen Erzeugnisse so ist der Beschaffungsmarkt maßgeblich. Für Überbestände bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen gilt eine doppelte Maßgeblichkeit d.h. man ermittelt für diese Vermögensgegenstände sowohl abgeleitet am Beschaffungsmarkt den Wiederbeschaffungspreis als auch abgeleitet am Absatzmarkt den Veräußerungspreis abzüglich anfallender Aufwendungen. Als Vergleichswert ist dann der niedrigere von beiden zu verwenden.
  • Für Handelswaren - also Waren die der Unternehmer einkauft und ohne größere weitere Be- und Verarbeitungsschritte veräußert - gilt die doppelte Maßgeblichkeit. Als Vergleichswert ist dann wieder der niedrigere von beiden zu verwenden. Entweder als Wiederbeschaffungspreis am Beschaffungsmarkt oder als Veräußerungspreis am Absatzmarkt.

Beispiel
Unternehmer M ermittelt per Inventur 10 kg Knöpfe. Der gewogene periodische Durchschnittswert beträgt 11,38 €/kg, der Tageswert zum Bilanzstichtag abgeleitet aus dem Beschaffungsmarkt 10,- €/kg, der Tageswert aus dem Absatzmarkt.

  • Die Knöpfe sind Hilfsstoffe. Nach § 253 Abs. 4 HGB ist der Niederstwert-Test durchzuführen. Maßgeblich ist der Beschaffungsmarkt. Zum Bilanzstichtag sind danach 10 € pro kg anzusetzen, so dass die 10 kg Knöpfe mit einem Wert in Höhe von 100 € bilanziert werden müssen.

Beispiel
Unternehmer M ermittelt per Inventur 10 selbst entworfene und produzierte Designer-Shirts der Reihe Black-Shirt. Die Herstellungskosten pro Shirt betragen 50,- €. Der voraussichtliche Nettoverkaufspreis beträgt 54,- €. Es fallen noch Vertriebs- und Verwaltungskosten von 8,- € pro Shirt an.

  • Bei den Designer-Shirts der Reihe Black-Shirt handelt es sich um Fertigerzeugnisse, da das Produkt von M selbst erstellt wird. Maßgeblich für die Wertermittlung ist der Absatzmarkt. Dazu ist der Veräußerungspreis zu ermitteln abzüglich noch anfallender Aufwendungen. Man spricht in dem Zusammenhang auch vom Grundsatz der verlustfreien Bewertung. Die Bewertung hat am Abschlussstichtag so zu erfolgen, dass durch den Verkauf der Shirts nach dem Bilanzstichtag ein Verlust nicht mehr entstehen kann. Der Verlust wird durch die Abwertung bereits zum Bilanzstichtag erfasst. Damit sind von dem Nettoverkaufspreis in Höhe von 54,- € noch die Vertriebs- und Verwaltungskosten von 8,- € pro Shirt abzuziehen. Anzusetzen als Wert sind am Bilanzstichtag danach 10 Stück * 46,- €/Stück = 460,- €.

Beispiel
Unternehmer M ermittelt per Inventur 20 Simpel-Shirts, die er zu Anschaffungskosten von 5,- € pro Shirt eingekauft hat und die er ohne weitere Bearbeitung verkaufen will. Der Tageswert zum Bilanzstichtag beträgt abgeleitet aus dem Beschaffungsmarkt 4,- €/Stück, der Tageswert aus dem Absatzmarkt 8,- €/Stück. Es fallen keine weiteren Aufwendungen an.

  • Bei den Shirts handelt es sich um Handelsware. Es gilt die doppelte Maßgeblichkeit d.h. es ist der niedrigere Wert zu verwenden, der sich aus dem Beschaffungs- oder Absatzmarkt ableiten lässt. Somit sind die Shirts mit 4,- €/Stück und damit 20 Stück mit insgesamt 80 € in die Bilanz aufzunehmen.

Beispiel
Unternehmer M hat im August 01 Rohstoffe zu Anschaffungskosten von 4.000,- € gekauft. Am Bilanzstichtag zum 31.12.01 beträgt der Marktpreis der Rohstoffe nur noch 3.000,- €. Im Zeitpunkt der Aufstellung der Handels- und Steuerbilanz zum 30.04.02 liegt der Marktpreis der Rohstoffe bei 5.000,- €.

  • In der Handelsbilanz ist eine Abschreibung nach § 253 Abs. 4 HGB auf den niedrigeren Marktpreis von 3.000,- € vorzunehmen. Entscheidend ist, dass hier der Marktpreis am Bilanzstichtag niedriger ist als die Anschaffungskosten. In der Steuerbilanz liegt es anders. In Betracht kommt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG eine Teilwertabschreibung, die allerdings nur bei voraussichtlich dauernder Wertminderung vorzunehmen ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann von einer voraussichtlichen dauernden Wertminderung nicht mehr ausgegangen werden, wenn diese zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz nicht mehr vorliegt. Das ist hier der Fall. In der Steuerbilanz darf deshalb eine Teilwertabschreibung nicht durchgeführt werden, da es sich nur um eine vorübergehende Wertminderung handelt, die im Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses nicht mehr gegeben ist. Der Teilwert entspricht bei Wirtschaftsgütern des Vorratsvermögens regelmäßig den Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag. Bei Wirtschaftsgütern, die zum Absatz bestimmt sind und die durch Lagerung, Änderung des modischen Geschmacks oder aus anderen Gründen im Wert gemindert sind, ergibt sich der Teilwert aus dem voraussichtlich erzielbaren Verkaufserlös nach Abzug des durchschnittlichen Unternehmergewinns und noch anfallender Kosten.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Bilanzierung“ von Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, spezialisiert auf Steuerrecht, Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Jens Bierstedt LL.M., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6.


 

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Autor(-en):
Carola Ritterbach
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Monika Dibbelt
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LL.B., Wirtschaftsjurist und wissenschaftlicher Mitarbeiter


Kontakt: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2016


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Über die Autoren:

Carola Ritterbach, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Portrait Carola-Ritterbach

Rechtsanwältin Carola Ritterbach absolviert derzeit den Fachanwaltskurs Steuerrecht. Sie berät Gesellschafter und Unternehmer bei der steuerlichen Gestaltung von Gesellschaften und Unternehmen. Sie begleitet Betriebsprüfungen und vertritt bei Finanzgerichtsstreitigkeiten mit dem Finanzamt oder vor Finanzgerichten.  Rechtsanwältin Ritterbach berät und vertritt bei Steuerselbstanzeigen und Steuerstrafverfahren.  Sie erstellt Unternehmensbewertungen und begleitet Unternehmenskäufe bzw. Unternehmensverkäufe aus steuerrechtlicher Sicht.
Sie berät bei der Gestaltung von Erbschaften und Schenkungen zur Vermeidung unnötiger Erbschaftssteuer und entwirft Vermögensübertragungskonzepte. 
Sie berät hinsichtlich steuerlicher Auswirkungen von Insolvenzen. Dabei prüft und beantragt sie Steuererlasse zum Zweck der Unternehmenssanierung oder für insolvente Steuerschuldner sowie die nachträgliche Aufteilung
on Steuern im Fall der Zusammenveranlagungen bei Insolvenzen einzelner Ehepartner.
Rechtsanwältin Ritterbach ist Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und ist seit vielen Jahren im Bereich Bankrecht tätig. Steuerliche Fragen bei Finanzierungsgeschäften treffen daher ihr besonderes Interesse.

Carola Ritterbach hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9
  • Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen, 2014, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8,
  • Die Haftung für Steuerschulden, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-39-7

Weitere Veröffentlichungen von Rechtsanwältin Ritterbach im Steuerrecht sind in Vorbereitung, so

  • Änderung von Steuerbescheiden – Wann darf das Finanzamt einen Steuerbescheid aufheben oder korrigieren

Carola Ritternach ist Dozentin für Steuerrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie sowie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im Deutschen Anwaltsverein.
 Sie bietet Vorträge und Seminare unter anderem zu folgenden Themen an:

  • Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer vermeiden
  • Wahl der Gesellschaftsform unter Steuergesichtspunkten
  • Lohnsteuer- und Umsatzsteuerhaftung des Geschäftsführers
  • Mindestlohn – Worauf hat der Steuerberater zu achten
  • Die Umsatzsteuer – eine kauf- und leasingrechtliche Betrachtung
  • Die steuerliche Organschaft – Was wird wo versteuert?
  • Die Besteuerung ausländischer Einkünfte – Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kapitalanlagen oder Geschäftsführergehälter

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Ritterbach unter:
Mail: ritterbach@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

Portrait Monika-Dibbelt

Rechtsanwältin Monika Dibbelt berät und vertritt Steuerschuldner bei Fragen über die Abgabe von Steuern und die Pflichten zur Abgabe von Steuererklärungen, insbesondere im Rahmen von Insolvenzverfahren und Wohlverhaltensperiode. Sie vertritt ihre Mandanten bei der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Bescheide des Finanzamtes sowie in Verfahren vor den Finanzgerichten und im Steuerstrafrecht. Rechtsanwältin Dibbelt arbeitet derzeit an Veröffentlichungen im Bereich Steuerrecht.

Monika Dibbelt hat im Steuerrecht veröffentlicht:

  • Bilanzierung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-49-6
  • Steuerstrafrecht – Strafbarkeit der Organe in Unternehmen, Monika Dibbelt, Carola Ritterbach und Alexander Mayr, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-48-9
  • Die strafbefreiende Selbstanzeige, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-47-2
  • Besteuerung Personengesellschaften, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Jens Bierstedt LL.M., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-52-6
  • Steuerberaterhaftung, Carola Ritterbach, Monika Dibbelt und Anika Wegner, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-51-9

 

Eine steuerberatende Tätigkeit kann Frau Rechtsanwältin Dibbelt nicht erbringen. Bei Bedarf empfiehlt sie gerne einen geeigneten Kontakt.

Kontaktieren Sie Rechtsanwältin Dibbelt unter:
Mail: dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0421-2241987-0

 

Normen: § 253 Abs. 4 HGB

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