Baumängel vor und im Prozess – Teil 13 – Die Verjährung

1.4. Die Verjährung

Sowohl bei dem Erwerb eines neu gebauten Hauses, eines Fertigbaus oder auch wenn man sich ein Haus von einem Bauunternehmer erstellen lässt, kann man in die Lage kommen, dass erst nach Jahren Mängel am Werk auftreten. In diesen Fällen kommt der Verjährungsfrage dieser Mängelgewährleistungsansprüche eine große Bedeutung zu, von welcher sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer unter anderem die Frage der Verjährung für die Ansprüche der Mängelbeseitigung abhängt.

Wenn ein Anspruch verjährt ist, bedeutet das nicht, dass er nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Hinsichtlich der Fragestellung der Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen ist zunächst der zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber abgeschlossene Vertrag zu prüfen, das heißt, ob das BGB oder die VOB/B zur Anwendung kommen.

1.4.1. Verjährungsfrist für Bauwerke nach BGB

Die Ansprüche verjähren bei einem BGB-Werkvertrag grundsätzlich nach 5 Jahren. Es muss sich bei dem Werk laut Vertrag allerdings um eine neu erstellte Immobilie handeln. Die Verjährungsfrist tritt erst ein, wenn die Abnahme des Gewerks vorgenommen wurde. Oft nimmt der Bauherr das Bauobjekt konkludent durch Bezug- oder Ingebrauchnahme ab. Ein weiteres Indiz für diese schlüssige Abnahme ist auch ein Bewohnen über einen fortwährenden Zeitraum und wenn lediglich unbedeutende Mängel gerügt worden sind.

Beachte:
Keine Abnahme und somit kein Fristlaufbeginn für die Verjährung ist ein Bezug des fertig gestellten Gewerkes aus dem Grund, weil der bisherige Wohnsitz nicht mehr zur Verfügung steht oder der Einzug eine Verhinderung eines zu befürchteten eintretenden Schadens beim Bauherrn. Auch im Rahmen der jeweiligen Kenntnis beider Vertragsparteien, dass das Werk als noch nicht fertiggestellt gilt, liegt keine Abnahme vor. Die Verjährungsfrist beginnt noch nicht zu laufen.

Im BGB-Werkvertrag gelten mit 5 Jahren längere Verjährungsfristen für die Mängelrechte des Auftraggebers als in der VOB/B. Dies ist generell vorteilhaft. Wenn allerdings ein Mangel auftritt, welchen der Auftraggeber anzeigt und zugleich auch beseitigen lässt, läuft ab der Beseitigung die Verjährung ununterbrochen weiter. Nur der Zeitraum zwischen Anzeige und Beseitigung wird nicht bei der Berechnung berücksichtigt.

1.4.2. Verjährungsfrist für Bauwerke nach VOB/B

Die Verbindlichkeit eines VOB/B-Vertrags für den Bauherren ergibt sich nur aus der ausdrücklichen Vereinbarung im Vertrag, dass die VOB/B wesentlicher Vertragsbestandteil sein soll. Nach §13 Abs. 5 VOB/B ist der Auftragnehmer verpflichtet, alle während der Verjährungsfrist hervortretenden Mängel, die auf vertragswidrige Leistungen zurückzuführen sind, auf seine Kosten zu beseitigen, wenn der Auftraggeber dies vor Ablauf der Frist schriftlich verlangt.(Fußnote) Die Frist von 4 Jahren beginnt mit der Abnahme der gesamten Werksleistung zu laufen. Bei Mängelbeseitigungsansprüchen, die vor der Abnahme des Werks entstanden sind, gilt dies seit einem BGH-Urteil(Fußnote) ebenso. Eine Ausnahme gilt für sogenannte in sich abgeschlossene Teile – hier beginnt die Verjährung mit der Teilabnahme.

Der Vorteil der VOB/B besteht darin, dass eine Mängelanzeige die Verjährung für das betreffende Objekt unterbricht und die Verjährungsfrist von neuem zu laufen beginnt. Nachteilig ist allerdings, dass die Dauer der Verjährung dann nur noch 2 Jahre erfordert. Sie endet jedoch nicht vor Ablauf der regulären 4-Jahresfrist im Sinne des § 13 Abs. 4 VOB/B.

1.4.3. Sonstige Verjährungsfristen im Rahmen des Baurechts

Nach § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB verjährt weiterhin die Gewährleistung für Werke, deren Erfolg in der Herstellung, Wartung oder Veränderung einer Sache oder in der Erbringung von Planungs- oder Überwachungsleistungen hierfür besteht, in zwei Jahren. Dies gilt jedoch nicht („vorbehaltlich der Nr. 2), wenn es sich um die Erbringung von Planungs- und Überwachungsleistungen bzgl. eines Bauwerks handelt: hier greift die fünfjährige Frist.

Im Rahmen der VOB/B stellt der § 13 Abs. 4 VOB/B zunächst auch entsprechend des § 634a Abs. 1 Nr.2 BGB bereits benannte Gewerke unter die 2-jährige Verjährungsfrist. Hinzu kommt hier jedoch, dass die Verjährungsfrist für feuerberührte und abgasdämmende Teile von industriellen Feuerungsanlagen nur 1 Jahr beträgt.

1.4.4. Arglist des Auftragnehmers

Ein Anspruch gegen den Bauunternehmer kann jedoch auch über die 5-jährige Frist hinaus anhalten. Zunächst verschiebt sich das jeweilige Fristende weiter nach hinten, wenn Mängel beseitigt werden müssen. Für sogenannte verborgene Mängel können auch noch längere Fristen eintreten. Bei gravierenden Schäden, welche erst nach einigen Jahren sichtbar oder bemerkt wurden, kann sogar eine Frist von dreißig Jahren gelten.

Einen besonderen Fall stellt jedoch die Arglist des Bauunternehmers hinsichtlich des Verschweigens eines Mangels dar. Dieser Umstand liegt vor, wenn der Mangel dem Auftragnehmer während der Bauausführung bekannt geworden ist und dieser Mangel bis zum Zeitpunkt der Abnahme durch ihn nicht korrigiert worden ist. Zudem müsste für diesen Fall der Bauunternehmer es unterlassen haben, dies dem Bauherrn gegenüber bis zur Abnahme mitzuteilen, obwohl er davon ausgehen musste, dass der Auftraggeber den Mangel bzw. dessen Umfang nicht kannte. Hinzukommen muss allerdings, dass der Auftragnehmer den betreffenden Mangel als bedeutend eingestuft hat und zumindest hätte annehmen müssen, dass der Bauherr so die Werksleistung nicht abgenommen hätte.

Beispiele:

  • wissentlicher Verstoß gegen öffentliche Baugenehmigungen oder Bauverordnungen
  • unrichtige Angaben über die Mangelfreiheit des Objekts

Der Bauherr muss die Kenntnis des Bauunternehmers von dem Mangel beweisen. Aufgrund der Schwierigkeit dieser Beweisführung hat die Rechtsprechung gewisse Anforderungen aufgestellt: Ist der Mangel besonders einfach erkennbar oder liegt ein folgenschwerer Mangel an einer wichtigen Bauleistung vor, dann tritt die Umkehr der Beweislast ein. Dies erfolgt in dem Sinne, dass nunmehr der Bauunternehmer den Beweis erbringen muss, dass er seine Baustelle ordnungsgemäß und fachmännisch geführt hat und nach einer Untersuchung auf eventuelle Mängel dieser Mängel nicht festgestellt werden konnte.
Zusammenfassend beträgt bei einer zweifelsfrei vorliegenden Arglisthaftung des Auftragnehmers die Verjährung gemäß § 634a Abs. 3 S.2 BGB mindestens 5 Jahre und längstens 10 Jahre ab Entstehung des Schadensersatzanspruchs.

1.4.5. Organisationsverschulden des Auftraggebers

Bei einem sogenannten Organisationsverschulden des Bauherrn kann eine Haftung, bis zu 10 Jahre eintreten.

Das Organisationsverschulden ist ein von der Rechtsprechung entwickelter Haftungsbegriff. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs(Fußnote) beschreibt der Begriff Organisationsverschulden die schuldhafte Verletzung von Organisationspflichten oder das Nichterfüllen von Anforderungen an betrieblich-organisatorische Maßnahmen. Ein Werkunternehmer, der das Werk arbeitsteilig herstellen lässt, muss die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Werk bei Ablieferung ohne Mängel ist. Wenn diese Voraussetzungen nicht vom Auftragnehmer erfüllt worden sind und der Mangel sonst entdeckt worden wäre, tritt die Verjährung der Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers wie bei dem arglistigen Verschweigen eines Mangels ein.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Baumängel vor und im Prozess“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Babett Stoye LL.B., mit Fußnoten mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-67-0.


 

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Stand: Januar 2017


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