Baumängel vor und im Prozess – Teil 11 – Abnahmeberechtigte, Abnahme nach Kündigung, Verweigerung, Rechtswirkungen

1.3.2. Berechtigte

Der Auftraggeber hat die Pflicht zur Abnahme eines mangelfreien Bauwerks. Die Verpflichtung eines Bauherrn, die vom Unternehmer fertig gestellte Leistung abzunehmen, gilt als Hauptpflicht der Bauherren. Verweigert er diese, kann die sie vom Auftraggeber selbständig eingeklagt werden. Grundsätzlich sollte der Bauherr das Gewerk abnehmen. Indes gibt es immer mehr Fälle, in denen sich der Auftragnehmer vertreten lässt. Jedoch ist in diesen Situationen die ordnungsgemäße Bevollmächtigung dieses Dritten notwendig. Eine Abnahme durch eine nicht bevollmächtigte Person führt nicht nur zur Unwirksamkeit dieser, sondern auch zum Nichteintritt ihrer Wirkung.(Fußnote)

1.3.2.1. Architekt / Bauleiter

Wenn der Architekt als Bauleiter oder ein separater Bauleiter bei der Abnahme für den Auftraggeber handelt, muss er beachten, dass er genaue Vertragskenntnisse zur Überprüfung des Werkes hat und sich vor allem darüber Klarheit verschafft, ob der Auftraggeber Mängel kennt, die er bei der Abnahme vorbehalten muss. Der Architekt welcher für die Bauüberwachung zuständig ist gilt nicht gleich als abnahmeberechtigt im rechtsgeschäftlichen Sinne. Er muss hierzu ausdrücklich durch den Auftraggeber bevollmächtigt worden sein.

Hinweis:
Bauunternehmen sollte nicht nur der Begriff der „originären Architektenvollmacht“ bekannt sein, sondern auch dessen Reichweite. Wenn ein Schaden dadurch entsteht, dass der Architekt über diese anfängliche Vollmacht hinaus eine Abnahme vornimmt oder Zusatzaufträge veranlasst, scheidet eine persönliche Haftung des Architekten aus.(Fußnote)

1.3.2.2. Sachverständiger

Auch ein Sachverständiger kann durch den Auftragnehmer bevollmächtigt werden, das Gewerk abzunehmen. Auch hier muss durch den Auftragnehmer genau nachgeprüft werden, ob eine ausdrückliche Bevollmächtigung durch den Bauherren vorliegt.

1.3.2.3. Öffentlicher Auftraggeber

Diese rechtsgeschäftliche Abnahme stellt ein Sonderproblem dar. Hier gelten besondere Vertretungsregeln beispielsweise seitens der Gemeinden, welche öffentliche Auftraggeber vertreten. Mit der Abnahme wird keine weitere rechtliche Verpflichtung eingegangen, es handelt sich hierbei um eine Pflichthandlung im Rahmen des Bauvertrages. Deshalb kann sie auch durch einen zuständigen Baubeamten erklärt werden.

1.3.3. Abnahme nach Kündigung

Auch nach der Kündigung besteht noch ein Abnahmerecht durch den Auftragnehmer, allerdings nur, wenn diese Leistungen auch abnahmefähig sind. Gemäß § 8 VI VOB/B kann der Auftragnehmer vom Auftraggeber bei dessen Kündigung Aufmaß und Abnahme der von ihm ausgeführten Leistungen alsbald nach der Kündigung verlangen. Die Vergütungsansprüche der bis dahin erbrachten Werkleistungen werden fällig.(Fußnote) Allerdings kann sich der Auftraggeber nicht auf die fehlende Abnahme berufen, wenn er auch nur eine der Teilleistungen des Auftragnehmers durch einen Dritten vornehmen lässt, ohne eine klare Abgrenzung zu den anderen Leistungen des Auftragnehmers zu ziehen.(Fußnote)

Merke:
Der Auftragnehmer hat nach Kündigung Recht auf Abnahme der bis dahin vertragsgerecht erbrachten Leistungen.

Es findet keine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B statt.

Diese ist nach § 640 Abs. 1 S. 3 BGB noch möglich.

Keine Fälligkeit ohne Abnahme.

Eine Kündigung bedeutet nicht zugleich eine Abnahme.

Die Gewährleistungsverjährung beginnt nicht bereits mit der Kündigung, sondern grundsätzlich erst mit der Abnahme zu laufen.

1.3.4. Verweigerung

Die Verweigerung der Abnahme durch den Auftraggeber ist dem Grunde nach gemäß § 641 Abs.1 S.2 BGB und § 12 Abs. 3 VOB/B nur bei Vorhandensein wesentlicher Mängel möglich. Um dies feststellen zu können ist eine Abgrenzung der wesentlichen Mängel von den unwesentlichen nötig. Unter Abschnitt 1.2.4. ist dies bereits ausgeführt worden. Die berechtigte Verweigerung entfaltet keine Abnahmewirkung. Auchs stellt sie keine fiktive Abnahme dar. Die Vergütung wird nicht fällig und der Auftraggeber kann weiterhin Erfüllung verlangen.

Problem:
Ein Sonderproblem kann auftreten, wenn der Auftraggeber die Abnahme zu Recht aufgrund wesentlicher Mängel verweigert und der Auftragnehmer daraufhin eine taugliche Nachbesserung anbietet, der Auftraggeber diese aber nicht zulässt. Nun fragt sich der Auftragnehmer wie er zu seiner Vergütung kommt.

Lösung:
Der Auftraggeber befindet sich in Verzug damit, die Abnahme vorzunehmen. Der Auftragnehmer kann daher nach § 322 Abs. 2 BGB auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung gegen den Auftraggeber klagen. Folglich kann der Auftragnehmer vollstrecken, ohne vorher seine Gegenleistung (die Erfüllung einer Leistung) erbringen zu müssen.(Fußnote) Dabei zu beachten ist, dass der besagte Annahmeverzug im Urteil festzustellen ist.

1.3.5. Rechtswirkungen

Mit der Abnahme treten die Erfüllungswirkungen ein. Die Erklärung ebendieser verändert und gestaltet also die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Bauherrn und dem Unternehmer.(Fußnote)

1.3.5.1. Konkretisierung der Leistungspflicht

Vor der Abnahme schuldet der Auftragnehmer die Herstellung des Werks. Danach ist das Werk im Wesentlichen hergestellt, was der Auftraggeber mittels der Abnahme anerkennt. Der Bauunternehmer ist nunmehr nur der Verpflichtung der Mängelbeseitigung unterworfen.

1.3.5.2. Gefahrübergang

Als Gefahrübergang im Rahmen der Bauabnahme gilt der Zeitpunkt, an dem die Gefahr vom Auftragnehmer auf den Auftraggeber übergeht. Grundsätzlich geht die Gefahr auf den Auftraggeber bei einem VOB-Vertrag mit der Abnahme der Bauleistungen nach § 12 Abs. 6 VOB/B über. Der Auftraggeber kann während der Bauzeit auch noch nicht über sein Eigentum verfügen. Bis zur Abnahme trägt der Auftragnehmer das Risiko. Das gilt im Werkvertragsrecht mit Verbrauchern nach § 644 BGB ebenso.

1.3.5.3. Beweislastumkehr

Der Grundsatz der Beweislast im Zivilrecht besagt, dass wer sein Recht geltend macht, muss die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtsbegründenden und rechtserhaltenden Tatbestandsmerkmale(Fußnote) Bestreiten durch den Gegner beweisen.(Fußnote) Bis zur Abnahme trägt der Auftragnehmer die Beweislast, danach der Auftraggeber. Vertragsänderungen, die eine Abweichung vom Vertrag rechtfertigen sollen, muss der Auftragnehmer beweisen.

Beispiel für den sog. Negativbeweis(Fußnote):
Ein Bauunternehmer klagt gegen den Bauherrn auf Zahlung der üblichen Vergütung (€ 250.000,-). Der beklagte Bauherr wendet ein, ein Pauschalpreis von € 100.000,- sei vereinbart worden. Danach hat der Bauunternehmer die Beweislast dafür, dass der behauptete Pauschalpreis nicht vereinbart wurde.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Baumängel vor und im Prozess“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Babett Stoye LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-67-0.


 

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Stand: Januar 2017


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