Baumängel vor und im Prozess – Teil 08 – wesentlicher/unwesentlicher Mangel, verdeckter / versteckter Mangel, optischer Mangel

1.2.4. wesentlicher/unwesentlicher Mangel

Sowohl im Rahmen des BGB-Bauvertrags als auch bei einem VOB-Bauvertrag spielt der wesentliche Mangel speziell bei der Abnahme für den Auftraggeber eine entscheidende Rolle. Der Auftraggeber ist zur Abnahme des Werkes verpflichtet, wenn dieser keine wesentlichen Mängel entgegenstehen. Unwesentlich ist ein Mangel dann, wenn die Auswirkungen derart unbedeutend sind, dass das Interesse des Bestellers nicht schützenswert ist.(Fußnoten) Doch wann ist ein Mangel wesentlich im Sinne des Gesetzes? Dies hängt allein von den jeweiligen Umständen des Bauprojektes ab. Besonders die Kosten der Mängelbeseitigung und die Art der Beeinträchtigung spielen bei dieser Bewertung eine Rolle. Bei den unwesentlichen Mängeln besteht die Möglichkeit der unkomplizierten und kostengünstigen Nachbesserung durch den Auftragnehmer.

Beispiele wesentliche Mängel:

  • dem Haus fehlt ein Geschoss
  • die Dachneigung ist deutlich falsch
  • fehlende Übergabe von Revisionsplänen (Installationspläne)
  • unzureichendes Bodengefälle im Bad
  • Fundament zu kurz
  • nicht zumutbare optische Beeinträchtigung

Beispiele unwesentliche Mängel:

  • wenige ganz oder teilweise abgerutschte Dachziegel
  • tropfender Wasserhahn

1.2.5. verdeckter / versteckter Mangel

Dieser Mangel ist dem Werkvertragsrecht unbekannt. Manche Auftraggeber meinen, wenn sie nach gewisser Zeit einen Mangel erkennen, diesen noch erfolgreich rügen zu können mit der Begründung, weil es sich doch um einen „versteckten Mangel“ gehandelt habe, den sie nicht eher habe erkennen können. Unzutreffend sind manche Behauptungen, dass bei sog. verdeckten oder versteckten Mängeln, die Verjährungsfrist für Mängelansprüche gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB/ § 13 Nr. 4 Abs. 1 VOB/B erst dann zu laufen beginne, wenn der Mangel augenscheinlich geworden ist.(Fußnoten) Abgeleitet wird dieser Irrtum häufig aus der Arglisthaftung des Auftragnehmers im Rahmen des sogenannten Organisationsverschuldens. Arglist wird beispielsweise angenommen, wenn der Bauunternehmer wissentlich bei dem Bau gegen öffentliche Bauvorschriften / Baugenehmigung verstößt und dies verschweigt. Aber auch, wenn er auf Fragen des Erwerbers ohne bestehende Anhaltspunkte ins Blaue hinein unrichtige Angaben über die Mängelfreiheit macht. Weiter ist eine Arglist des Bauunternehmers beispielsweise angenommen worden, wenn er entgegen der vertraglichen Regelung einen nicht erprobten Baustoff verwendet und den Auftraggeber hierauf und auf das mit der Verwendung des Baustoffs verbundene Risiko treuewidrig nicht hinweist. Diese Art von Verschulden des Bauunternehmers während der Bauphase oder arglistigem Verschweigen des Baumangels des Bauunternehmers vom Mangel kann eine Haftung dessen auslösen. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass der Bauunternehmer sich durch geschickten Personaleinsatz, beispielsweise durch Einsatz von Subunternehmern unwissend halten kann. Sowohl die Voraussetzungen für die Arglisthaftung, als auch für das Organisationsverschulden sind aber einzelfallbezogen und bergen häufig ein größeres Prozessrisiko, auf das der Anwalt vor Einleitung von (kostenauslösenden) Schritten hinweisen muss.(Fußnoten)

1.2.6. optischer Mangel

Bei Mängeln, die das äußere Erscheinungsbild des gelieferten Werkes betreffen, ist es wichtig, dass eine Nachbesserung verhältnismäßig sein muss. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist u. a. entscheidend, ob das Risiko eines weiteren späteren Schadens besteht oder der Mangel zu erhöhten Bauunterhaltungskosten führt. Auch der Grad des Verschuldens des Bauunternehmens kann bei der Beurteilung des unverhältnismäßigen Aufwands eine Rolle spielen. Da aber beispielsweise eine Hausfassade nicht nur eine technische Funktion hat, sondern auch ästhetisch sein soll, kann eine Nachbesserung nicht einfach verweigert werden, weil die Kosten zu hoch seien. In der Regel besteht grundsätzlich ein Nachbesserungsanspruch des Auftraggebers. Die Unzumutbarkeit ist die Ausnahme.

Ein „optischer“ Mangel ist ein Mangel, auch wenn die Funktion nicht beeinträchtigt wird. Es bestehen Mängelansprüche. Eine wärmegedämmte Fassade, die großflächig Algenbewuchs aufweist, ist selbst dann mangelhaft, wenn die verwandten Materialien mangelfrei sind.

Merke:
Egal, ob es sich bei dem zugrunde liegenden Vertrag um einen Bauwerkvertrag nach dem BGB oder dem VOB/B handelt, die Mängel sind immer dieselben. Die VOB/B sieht eine textlich leicht von den BGB-Regelungen abweichende Mangeldefinition vor, lehnt sich im Wesentlichen jedoch an die gesetzlichen Vorgaben des BGB an.

Zusammenfassung verschiedener Mängel:

  1. Nichterfüllung der vereinbarten Eigenschaft
    Der Bauherr bestellt beim Unternehmer direkt (vertraglich mit vereinbart) oder auch bei einem separaten Unternehmen Tapete, die laut Produktbeschreibung „abwaschbar“ sein soll, worauf es auch dem Bauherren speziell ankommt. Jedoch löst sich die Tapete beim Reinigen mit Wasser auf.
  2. Fehlende Eignung für die beabsichtigte Verwendung
    Der Käufer vereinbart mit dem Vertragspartner den Kauf und Einbau von Steckdosen, die in einem Feuchtraum installiert werden sollen. Werden ihm nur „einfache“ Steckdosen verkauft, müssten diese aufgrund dieser Mangelhaftigkeit auf Kosten des Verkäufers ausgewechselt und die vereinbarten Steckdosen eingebaut werden.
  3. Material entspricht nicht den üblichen, normalen Standards an Qualität und Verwendbarkeit
    Der Bauherr bestellt die vom Bauunternehmer ihm angebotenen Dachfenster im Sonderangebot. Diese müssen trotz des Angebots als Sonderposten (wenn sie nicht als B-Ware etc. deklariert sind) in Bezug auf Sicherheit, Haltbarkeit und Funktionalität den zum regulären Preis vertriebenen Fenstern entsprechen.
  4. Die sogenannte IKEA-Klausel bei mangelhafter Montage oder Montageanleitungen
    Nach dieser Klausel liegt ein Sachmangel gemäß § 434 Abs.2 Satz 2 BGB vor, wenn dem Käufer eine mangelhafte Montageanleitung übergeben worden ist. Bei Hinzuziehen eines Fachmannes, der trotz mangelhafter Montageanleitung den Aufbau fehlerfrei erbringt, kann der Käufer dennoch Ersatz dieser Mehraufwendungen vom Verkäufer verlangen. Eine Montageanleitung ist als fehlerhaft anzusehen, wenn sie nur für fachlich ausgebildete Personen verständlich ist. Das bezieht auch eine Anleitung in einer Fremdsprache ein.(Fußnoten)
    Nach § 434 Abs. 2 Satz 1 wären am Beispiel von Küchenschränken diese auch dann mangelhaft, wenn die Montage nicht fehlerfrei erfolgt ist oder die die Schränke bei der Montage beschädigt wurden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Baumängel vor und im Prozess“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Babett Stoye LL.B., mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-67-0.


 

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Stand: Januar 2017


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