Aufhebungsvertrag - Teil 27 - Sperrzeiten
Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
9.2.4.2 Sperrzeiten
Sozialrechtlich relevant bei Aufhebungsverträgen ist die Sperrzeit beim Arbeitslosengeldanspruch aus § 159 I Nr. 1 SGB III. Die Norm regelt, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld für die Dauer einer Sperrzeit ruht, wenn der Arbeitnehmer sich ohne wichtigen Grund versicherungswidrig verhalten hat. Versicherungswidriges Verhalten wird dabei angenommen, wenn der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis beendet hat oder er durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, vgl. § 159 I Nr. 1 SGB III.
Hintergrund der Regelung ist, dass die Arbeitslosenversicherung nicht für solche Arbeitnehmer aufkommen soll, die an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst "schuld" sind, weil sie es entweder selbst beendet haben oder maßgeblich zu seiner Beendigung beigetragen haben.
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages - also die mit dem Arbeitgeber einvernehmliche Entscheidung, das Arbeitsverhältnis zu beenden - erfüllt nach Weisung der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 159 I Nr. 1 SGB III und führt somit in der Regel zu einer Sperrzeit bezüglich des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Ausnahmsweise kann jedoch ein wichtiger Grund vorliegen, der ein versicherungswidriges Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigt, sodass der Tatbestand des § 159 I Nr. 1 SGB III nicht erfüllt ist. Ein wichtiger Grund besteht, wenn eine Situation vorliegt, in der dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers sowie der Versichertengemeinschaft objektiv kein anderes Verhalten zumutbar ist. Ob ein wichtiger Grund vorlag oder nicht, kann im Streitfall insbesondere aus dem Aufhebungsvertrag erkenntlich werden, wenn dieser den Grund für die Beendigung festhält. Beim Abschluss eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs kommt es ebenfalls nicht zum Eintritt einer Sperrzeit.
Beispiele für einen wichtigen Grund i.S.d. § 159 I Nr. 1 SGB III sind:
- Dem Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber eine fristgemäße, sozial gerechtfertigte Kündigung angedroht und der Arbeitnehmer hat durch sein Verhalten keinen Anlass zur Kündigung gegeben. So zum Beispiel, wenn eine Arbeitnehmerin einem Aufhebungsvertrag zustimmt und es deshalb nicht zu einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers kommt, mit der er hypothetisch erfolgreich wäre.(BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R, NZS 2003, 330)
- Der Arbeitgeber ist mit nicht unerheblichen Lohnzahlungen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten in Verzug geraten und der Arbeitnehmer hat die vertragsgemäße Entlohnung abgemahnt (LSG RhPf., Urteil vom 25.02.2005 - L 1 AL 125/03, NZS 2005, 610).
- Unzumutbare Arbeitsbedingungen (Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, 67. Ergänzungslieferung September 2017, § 159 SGB III Rn. 148)
Einen wichtigen Grund i.S.d. § 159 I Nr. 1 SGB III, der den Abschluss eines Aufhebungsvertrages rechtfertigt (BSG, Urteil vom 25.04.2002 - B 11 AL 65/01 R, NZS 2003, 330) ist:
- Der Arbeitgeber stellt eine betriebsbedingte Kündigung mit Bestimmtheit in Aussicht,
- wobei der Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis nicht eher beendet als die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber dies getan hätte,
- und eine Abfindung zwischen 0,25 bis 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr gezahlt wird,
- oder zwar keine Abfindung zwischen 0,25 bis 0,5 Monatsverdiensten pro Beschäftigungsjahr gezahlt wird, aber die Kündigung durch den Arbeitgeber sozial gerechtfertigt gewesen wäre,
- oder der Arbeitslose objektive Nachteile für seine berufliche Laufbahn verhindert konnte, indem er eine Kündigung durch den Arbeitgeber vermieden hat.
Wenn kein wichtiger Grund vorliegt und die restlichen Voraussetzungen des § 159 I Nr. 1 SGB III gegeben sind, hat das gem. § 159 III SGB III zur Folge, dass eine zwölfwöchige Sperrzeit verhängt wird, die gegebenenfalls zu verkürzen ist. Während dieser Zeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, was bedeutet, dass der Arbeitslose kein Arbeitslosengeld beziehen kann. Der Beginn der Sperrzeit ist in § 159 II SGB III festgelegt. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, in dem eine unwiderrufliche Freistellung bis zum Beendigungszeitpunkt vorgesehen ist, so beginnt die Sperrzeit schon während der Freistellung und nicht erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Zu beachten ist § 148 I Nr. 4 SGB III, demzufolge sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um die Anzahl der Tage einer Sperrfrist gem. § 159 I Nr. 1 SGB III mindert. Dabei mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in Fällen einer Sperrzeit von zwölf Wochen (vgl. § 159 III SGB III) um mindestens ein Viertel der Anspruchsdauer. Es kommt also nicht nur zur Verhängung einer Sperrzeit, sondern auch zu einer Verkürzung des Zeitraums, in dem Arbeitslosengeld gezahlt wird. Während der Sperrzeit gem. § 159 SGB III ruht zudem der Anspruch des Arbeitnehmers auf Krankengeld, vgl. § 49 I Nr. 3a SGB V.
9.2.4.3 Hinweis für die Praxis
Dem Arbeitgeber ist zu raten, den Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag auf mögliche Ruhens- und Sperrzeiten aufmerksam zu machen. Er trägt sonst das Risiko einer Schadenersatzklage durch den ehemaligen Arbeitnehmer. Vor Versuchen, die Rechtsfolgen der §§ 157 ff. SGB III durch nicht stichhaltige Kündigungen oder sonstige "Tricksereien" zu umgehen, muss nicht zuletzt wegen drohender strafrechtlicher Konsequenzen gewarnt werden.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.
Autor(-en):
Monika Dibbelt
Rechtsanwältin
Tilo Schindele
Rechtsanwalt
Stand: Januar 2019
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Über die Autoren:
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Tilo Schindele, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".
Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:
- Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
- Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1
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