Aufhebungsvertrag - Teil 05 - Abwicklungs-, Erlassvertrag

3.4 Abwicklungsvertrag

Inhalt eines Abwicklungsvertrages ist, das Verhalten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach bereits erfolgter Beendigung des Arbeitsverhältnisses (durch eine wirksame Kündigung) zu regeln. Vertragsbestandteil kann zum Beispiel die Zahlung einer Entschädigung oder der Verzicht auf die Rüge mangelnder Sozialauswahl sein. Anders als der Aufhebungsvertrag führt ein Abwicklungsvertrag selbst nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Es werden "echte" und "unechte" Abwicklungsverträge unterschieden:
Ein "echter" Abwicklungsvertrag liegt vor, wenn dem Vertrag die einseitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einem der Arbeitsvertragspartner vorausgegangen ist. Diese darf nicht mit dem anderen Teil abgesprochen worden sein.
Als "unechter" Abwicklungsvertrag wird dagegen ein Vertrag bezeichnet, wenn diesem zwar eine Kündigung vorausgeht, aber die Kündigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgesprochen ist. Hintergrund für solche Absprachen ist, dass so die mit einem Aufhebungsvertrag verbundene Sperrzeit (§ 159 I 2 Nr. 1 SGB III) und der verminderte Anspruch auf Arbeitslosengeld vermieden werden sollen. Allerdings hat das Bundessozialgericht entschieden, dass eine solche Praxis ebenfalls eine "Lösung" vom Beschäftigungsverhältnis beinhaltet, weil der Arbeitnehmer ähnlich verantwortlich für die endgültige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses sei (BSG, Urteil vom 18.12.2003 - B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661).
Zudem ist bei einem in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Kündigung erklärten Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu beachten, dass er nur wirksam ist, wenn er die Schriftform des § 623 BGB einhält. Das gilt zumindest, wenn der enge Zusammenhang zwischen Kündigung und Klageverzichtserklärung Grund zur Annahme gibt, diese Kombination sei nur als Alternative zu einem Aufhebungsvertrag gedacht (BAG, Urteil vom 25.09.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350). Aufgrund der Schwierigkeit der Abgrenzung, wann die Schriftform einzuhalten ist und wann nicht, sollte sie sicherheitshalber stets eingehalten werden.

Ein Klageverzicht, der in einem vorformulierten Dokument erfolgt, ist zudem gem. § 307 I 1 BGB unwirksam, wenn der Arbeitnehmer keine angemessene Kompensation erhält (BAG, Urteil vom 25.09.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350). Das bedeutet, ebenso wie im Aufhebungsvertrag, ist in der Regel auch im Abwicklungsvertrag eine Abfindung zu zahlen sein. Den Abwicklungsvertrag als Instrument die Nachteile des Aufhebungsvertrages zu umgehen, hat die Rechtsprechung daher einen Riegel vorgeschoben, so dass der Abwicklungsvertrag im Vergleich zum Aufhebungsvertrag wegen des Erfordernisses einer zuvor ausgesprochenen Kündigung keine Vorteile mehr gegenüber dem Aufhebungsvertrag hat.

Beispiel:
Arbeitgeber N hat seinem Arbeitnehmer M wegen wiederholten Fehlverhaltens des Ms gekündigt. M unterschreibt eine Woche nach Zugang der Kündigung einen vorformulierten Vertrag, in dem er sich verpflichtet, auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu verzichten. Als Ausgleich erhält M eine Zahlung in Höhe von fünf Bruttomonatsgehältern.

  • Bei dem Vertrag, den M unterzeichnet, handelt es sich um einen "echten" Abwicklungsvertrag. Das Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung beendet, der Abwicklungsvertrag regelt nur das Verhalten von Arbeitnehmer und Arbeitgebernach der Kündigung.
  • Der Abwicklungsvertrag ist wirksam. Die Schriftform des § 623 BGB wird eingehalten und aufgrund der Kompensationszahlung an M liegt keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 I 1 BGB vor.

3.5 Erlassvertrag

Der Erlassvertrag (§ 397 I BGB) setzt anders als der Aufhebungsvertrag erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an. Er regelt einen Verzicht der Beteiligten auf eventuell bestehende (gegenseitige) Forderungen. Nicht zulässig ist ein solcher Verzicht, wenn gesetzliche Regelungen ihn verbieten. Das gilt bei:

  • Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 12 EFZG)
  • oder bei Urlaubsentgelt (§ 13 I BUrlG).
  • Ein Verzicht auf tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig, § 4 IV 1 TVG.
  • Ein Verzicht auf Rechte aus einer Betriebsvereinbarung ist nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig, § 77 IV 2 BetrVG.

Die Rechtsprechung fordert außerdem für den Fall eines Lohnverzichts anlässlich eines Betriebsübergangs für dessen Wirksamkeit das Vorliegen sachlicher Gründe, wobei ein strenger Maßstab gilt (BAG, Urteil vom 27.04.1988 - 5 AZR 358/87, NZA 1988, 655).

Denkbar ist der Verzicht des Arbeitnehmers auf die noch ausstehende Vergütung von Mehrarbeit sowie der Verzicht des Arbeitgebers auf die Rückzahlung eines gewährten Darlehens.

Beispiel:
Arbeitgeber G hat Arbeitnehmer A ordentlich verhaltensbedingt zum 1.3.2006 gekündigt, nachdem A trotz zweifacher Abmahnung dem Arbeitsplatz mehrfach unentschuldigt ferngeblieben war. Nach Zugang der Kündigung unterschreiben A und G einen Vertrag mit folgenden Klauseln:

"§ 3 Verzicht
A. Arbeitgeber G verzichtet auf seinen Anspruch auf Rückzahlung des am 1.4.2004 gewährten Darlehens in Höhe von 2.500,- Euro. Die noch offenen Raten muss A nicht zurückzahlen.
B. Arbeitnehmer A verzichtet auf seinen Anspruch auf die Vergütung noch nicht abgegoltener Mehrarbeit aus dem Zeitraum 1.3.2004 bis 1.3.2006."

  • Es handelt sich bei dem von A und G unterzeichneten Vertrag um einen Erlassvertrag, vgl. § 397 I BGB.
  • Anders als ein Aufhebungsvertrag hat der Vertrag keinerlei Auswirkungen auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Es wird lediglich geregelt, dass A und G auf ihre noch offenen Ansprüche auf Rückzahlung eines Darlehens (§ 488 I 2 BGB) und Vergütung von Mehrarbeit (§ 611 I BGB i.V.m. d. Arbeitsvertrag) verzichten.
  • G hat keinen Anspruch mehr auf Rückzahlung des Darlehens; A hat keinen Anspruch mehr auf Lohnnachzahlungen für Mehrarbeit zwischen dem 1.3.2004 und dem 1.3.2006.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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