Arzthaftung - Teil 26 - Das Gerichtsverfahren

8 Das Gerichtsverfahren

Sollte eine gütliche Einigung zwischen Patient und Arzt nicht möglich sein, kann der Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld im Klageverfahren geltend gemacht werden.

8.1 Der Zivilprozess

Wie gesehen, können die Beteiligten das Verfahren vor dem Zivilgericht auch während und nach einem erfolgten Schlichtungsversuch einleiten. Da ein Schlichtungsverfahren keine Voraussetzung des zivilrechtlichen Anspruchs ist, steht der Klageweg aber auch als erste Möglichkeit offen.

8.2 Prozessvorbereitung

Um den Prozess vorzubereiten, muss das örtlich und sachlich für das Verfahren zuständige Gericht angerufen werden. Sachlich richtet sich die Zuständigkeit dabei dem Streitwert, also der Höhe der geltend gemachten Forderungen. Bei Streitwerten bis 5000,- Euro ist die Klage beim Amtsgericht einzureichen, bei Streitwerten, die diese Summe übersteigen beim Landgericht. Spezialisierte Kammern, die sich ausschließlich mit Arzthaftungsfragen auseinandersetzen, sind mittlerweile die Regel bei den meisten Landgerichten eingerichtet. Die Oberlandesgerichte sowie der BGH verfügen über Arzthaftungssenate. Dies lässt die Spezialität und Komplexität der Fragestellungen im Zusammenhang mit Arzthaftungsprozessen erkennen.
Der eigentliche Prozessgegenstand ist bei Klageeinreichung festzulegen, wobei die Abgrenzung oder Zusammenlegung verschiedener Sachverhaltskomplexe von den Gerichten unterschiedlich behandelt wird. Vor allem in Fällen, in denen sowohl ein Behandlungs- als auch ein Aufklärungsfehler in Betracht kommen, ist nicht klar geregelt, ob diese als mehrere Streitgegenstände angenommen werden müssen. Die räumlich und zeitlich auseinanderfallenden Ereignisse, also die Aufklärungspflichtverletzung und der Behandlungsfehler, werden aber grundsätzlich als zwei unterschiedliche Streitgegenstände angesehen. Dies dient dem Schutz der Behandlerseite, damit der Patient sich nicht im Prozess nach einer negativen Beweisaufnahme hinsichtlich des Behandlungsfehlers plötzlich auf einen Aufklärungsfehler beruft (VersR 2007, 414). Besonders auch aufgrund der möglicherweise unterschiedlichen Beteiligten, sollten unterschiedliche Streitgegenstände geltend gemacht werden.

8.3 Richtiger Beklagter

Im Arzthaftungsprozess ist es von erheblicher Bedeutung, den oder die Richtigen zu verklagen bzw. Ansprüche gegenüber dem oder den Richtigen geltend zu machen. Vor allem in den Fällen, in denen nur einzelne Behandelnde verklagt werden, deren Deckungssummen der Versicherungen aber bereits erschöpft sind oder die Versicherungen sich auf Obliegenheitsverletzungen der einzelnen Beklagten berufen können (Ratzel, in: Wenzel, Der Arzthaftungsprozess, S. 1374), bekommt der Patient zwar möglicherweise einen Titel durch das Gericht. Dieser ist für ihn allerdings bedeutungslos, wenn er ihn gegenüber dem Prozessverlierer wegen Mittellosigkeit nicht durchsetzen kann.
Dagegen besteht beim wahllosen Verklagen aller in nur in irgendeiner Weise oder auch nur am Rande in die Behandlung mit einbezogenen Personen immer die Gefahr, dass die Kosten, die der Kläger gegenüber denjenigen, gegen die die Klage erfolglos geblieben, tragen muss, die Summe aus dem Schadenersatz- oder Schmerzensgeldanspruch wieder verbraucht.
Die Bestimmung des richtigen Beklagten (durch einen Anwalt) ist also von erheblicher Bedeutung für den Prozess und für die Konsequenzen für den Patienten. Zunächst sollte nach persönlich Verantwortlichen gesucht werden und daneben die Vertragsbeziehungen zwischen Arzt und behandelnden Medizinern untersucht werden. Dabei können ärztliche Verträge, wie bereits oben gesehen, zwischen Arzt und Patient, Krankenhaus und Patient, in einer Mischform oder in sonstiger Weise bestehen. Richtiger Beklagter ist im Regelfall immer zuerst der Vertragspartner und daneben möglicherweise einzelne Personen bei persönlich vorwerfbarem Verhalten. Im Fall der gesamtschuldnerischen Haftung oder der unklaren Verantwortung sollte der Patient allerdings eine Klage gegen diese Beteiligten gemeinsam anstreben. Zum einen kann er sich somit zuverlässiger Ansprüche sichern und zum anderen kann jemand, der als Beklagter vor Gericht steht, im selben Prozess nicht gleichzeitig als Zeuge (im Zweifel gegen den Kläger) aussagen.

8.4 Selbstständiges Beweisverfahren

Seit 2003 ist auch im Arzthaftungsprozess das selbstständige Beweisverfahren zulässig (BGH NJW 2003, 1741). Das selbstständige Beweisverfahren ist gesetzlich in den §§ 485 ff. ZPO geregelt. Inhaltlich dient es vor allem der Beurteilung des Zustandes einer Person, der Schadensursache und des Aufwandes, der zur Beseitigung des Schadens notwendig ist (Bergmann/Wever, Die Arzthaftung, S. 176). Da sich durch diese Beurteilung im Regelfall ergibt, ob und in welcher Höhe ein Anspruch begründet ist, kann das selbstständige Beweisverfahren vorgeschaltet zum Prozess eine zeit- und kostensparende Alternative darstellen. Grundsätzlich ist es geeignet, um den Parteien einfacher zu einem Vergleich zu verhelfen. Um dem Verlust von Beweismitteln oder einer drohenden Erschwerung der Verwertbarkeit von Beweismitteln entgegenzuwirken oder auch, um einen Prozess in Gänze zu vermeiden, kann das Gericht auf Antrag einer Partei ein selbstständiges Beweisverfahren anordnen. Daneben kann ein selbstständiges Beweisverfahren auch von der klagenden Partei durchgeführt werden als Alternative zum Verfahren vor der Gutachterkommission oder der Schlichtungsstelle.
Allerdings spricht aus prozesstaktischer Sicht häufig die Vorschrift des § 485 Abs. 2 ZPO dagegen, die lediglich eine schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen vorsieht und damit der Komplexität des häufig zeitlich gestreckten Behandlungsverlaufs nicht gerecht wird. Das schriftliche Gutachten bringt dann nicht genügend Klarheit über den Geschehensablauf, sodass ein Prozess mit seiner mündlichen Verhandlung deshalb häufig trotzdem unausweichlich bleibt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
  • Die Ärztegesellschaft: Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft
  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
  • Vergütungsansprüche von Ärzten und Therapeuten

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Michael Kaiser unter:  
Mail: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

 

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosArztrecht