Arzthaftung - Teil 13 - Personelle, apparative Ausstattung, Verkehrssicherung

2.3.6 Personelle Ausstattung

Der Krankenhausträger bzw. der Arzt, der Angestellte beschäftigt, trägt die Verantwortung dafür, dass das Personal für die ihm übertragenen Aufgaben ausreichend qualifiziert ist. Es geht hierbei jeweils um den konkreten Einzelfall und nicht um einen durchschnittlichen Angestellten. Bestehen bei dem Weisungsgeber Zweifel über die Geeignetheit einer bestimmten Person für eine bestimmte Aufgabe, muss er sich vergewissern, dass eine Behandlung fehlerfrei stattfindet. Auch der Einsatz eines eigentlich qualifizierten, aber in der konkreten Situation ungeeigneten (z.B. wegen Übermüdung oder persönlicher Betroffenheit) Arztes, kann einen Haftungsfall begründen. Die Verantwortung für den Einsatz des Personals trägt der Krankenhausträger nicht nur für die ordnungsgemäße Auswahl des Personals, sondern auch für das Sicherstellen einer regelmäßigen und sorgfältigen Überwachung.

Beispiel 1 für einen Behandlungsfehler durch fehlerhafte personelle Ausstattung
Der Belegarzt A hat im Krankenhaus des Trägers K mehrfach Behandlungsfehler durch falsche Anweisungen an das Personal begangen und ist auch sonst nicht für fehlerfreies Arbeiten bekannt.

  • K hat hier gegenzusteuern, indem entweder der A seinerseits durch einen Dritten überwacht wird oder aber dem Pflegepersonal keine Anweisungen mehr erteilen darf. Anderenfalls trifft die Haftung für Behandlungsfehler des A nicht mehr nur diesen, sondern wegen der mangelnden Überwachung auch den Krankenhausträger K.

Beispiel 2 für einen Behandlungsfehler durch fehlerhafte personelle Ausstattung
Patient Y wird von dem Chirurgen A operiert, der in der vergangenen Nacht Nachtdienst hatte. Die Nacht verlief ruhig, sodass A keinen besonderen Anstrengungen ausgesetzt war. Während der OP wird ein Nerv an der Hand des Y beschädigt. Y meint, dies sei auf den Umstand zurückzuführen, dass der A übermüdet durch den Nachtdienst war und nimmt den A in Anspruch.

  • Lediglich die Übermüdung des A reicht nicht aus, um eine Haftung zu begründen. Vielmehr müsste der Y den Beweis führen, dass die Verletzung des Nervs nicht eingetreten wäre, wenn der A nicht übermüdet gewesen wäre.
  • Ist der A Angestellter bei einem Krankenhausträger, steht diesem daneben der Gegenbeweis offen, dass er den A sorgsam ausgewählt und überwacht hat und der Schaden auch ohne die Übermüdung eingetreten wäre. Hierfür spricht insbesondere, dass keine übermäßig starke Übermüdung vorgelegen haben wird, wenn der Nachtdienst dem A nicht besondere Anstrengungen abverlangt hat.
  • Eine Haftung würde dann ausscheiden.

2.3.7 Apparative Ausstattung

Ein Arzt oder Krankenhausträger schuldet dem Patienten nicht eine Behandlung, die nur mit einer dem neusten Stand entsprechenden apparativen Ausstattung durchgeführt werden darf oder die dem aktuellsten Therapiekonzept entspricht. Dies wird nur dann verlangt, wenn diese neuen Methoden anerkanntermaßen für den Patienten risikoärmer oder weniger belastend sind bzw. wenn die neueren Methoden einen besseren Erfolg versprechen. Daneben darf die neuere Methode durch ihre Verbesserungen keine andere Behandlung mehr zulassen. Ist die neuere Methode noch umstritten, muss der behandelnde Arzt ihre Anwendung sorgfältig überprüfen und im Zweifel den Patienten besonders sorgfältig aufklären.
Die Nutzung fehlerhafter und/oder veralteter Apparate kann einen Behandlungsfehler begründen, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Fehler durch den Einsatz funktionaler bzw. moderner Apparate nicht passiert wäre.

Beispiel für einen Behandlungsfehler durch fehlerhafte apparative Ausstattung
Patientin X wird nach einem Sturz auf den Rücken mit einem veralteten Röntgengerät geröntgt. Auf den Aufnahmen zeigt sich keine Schädigung an den Knochen. Beim Heben eines schweren Kartons bricht X auf einmal zusammen und ist gelähmt. Es stellt sich heraus, dass die vorhandenen Wirbelbrüche mit einem neueren Röntgengerät nicht übersehen worden wären.

  • Der ursprünglich behandelnde Arzt bzw. sein Weisungsgeber haften hier für den entstandenen Schaden der X, weil die Brüche lediglich aufgrund des Einsatzes des veralteten Gerätes nicht erkannt wurden. Wären die Brüche auch mit einem moderneren Verfahren nicht zu erkennen gewesen, könnte dem Behandler daraus kein Vorwurf gemacht werden.

2.3.8 Verkehrssicherungspflichten

Als Verkehrssicherungspflichten werden diejenigen Pflichten bezeichnet, die sich auf die Sicherung und Überwachung (in erster Linie des Patienten) beziehen. Diese Pflicht tritt insbesondere dort ein, wo der Arzt bzw. das Krankenhaus durch die Behandlung an sich oder auch durch bauliche Einrichtungen besondere Gefahrenquellen schafft. Gerade hier muss der Verursacher der Gefahrenquellen besondere Schutzmaßnahmen treffen.

Beispiel für einen Behandlungsfehler durch fehlerhafte Verkehrssicherung
Patient X fährt mit dem eigenen PKW und ohne Begleitperson zu einer Behandlung ins Krankenhaus, bei der eine Sedierung notwendig ist. Der Arzt hat hiervon Kenntnis. Nach der Behandlung verlässt der Patient das Krankenhaus unbemerkt und verunfallt mit seinem PKW.

  • Der Arzt ist dafür verantwortlich, dass nach einer Sedierung ein Patient das Krankenhaus nicht unbemerkt verlassen kann. Er muss den Patienten ausreichend überwachen und Vorkehrungen zu dessen Schutz treffen. Unterlässt er dies, wie hier, muss er für den Schaden haften, der dem Patienten aus dem Unfall entsteht. Ein Mitverschulden des Patienten wegen einer Selbstschädigung scheidet aus, weil der Schutz des Patienten in Folge der Behandlung und die Verhütung des Schadens allein den Verantwortungsbereich des Krankenhauses/ des Arztes traf.
  • Ist der Patient zudem nicht über seine Fahruntauglichkeit aufgeklärt worden, kommt zusätzlich die Haftung aus einem Aufklärungsfehler in Betracht.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
  • Die Ärztegesellschaft: Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft
  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
  • Vergütungsansprüche von Ärzten und Therapeuten

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Michael Kaiser unter:  
Mail: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

 

 


Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosArztrecht