Abmahnung Teil 2: Leistungs- und Vertrauensbereich


Die Begriffe Leistungsbereich und Vertrauensbereich tauchen bereits in frühen Entscheidungen des BAG mitte der sechziger Jahre auf, ohne jedoch zu diesem Zeitpunkt eine entscheidende Rolle zu spielen. Eine genauere Differenzierung des Begriffes Leistungsbereich nimmt das BAG erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 vor. Dort beschreibt es die Störungen im Leistungsbereich als Störungen im Bereich der Gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag, also Störungen im Bereich der Arbeitsleistung und der Vergütungspflicht. Dazu zählen mit Blick auf den Arbeitnehmer insbesondere mangelhafte Leistungen, beharrliche Verweigerung der Arbeitspflicht oder Arbeitsvertragsbruch.
Der Begriff des Vertrauens- oder betrieblichen Bereichs lässt sich nicht mit einer einfachen Formel zusammenfassen. Störungen im Vertrauensverhältnis betreffen vor allem Verletzungen der Treuepflicht durch den Arbeitnehmer. Jedwede Handlungen, welche die für die Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensgrundlage erschüttern oder nachhaltig Schädigen fallen in den Vertrauensbereich. Das LAG Köln beispielsweise hält den Vertrauensbereich dann für tangiert, wenn nicht das Vertrauen des Arbeitgebers in die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, oder dessen Leistungsvermögen betroffen ist, sondern der Glaube an die Gutwilligkeit, Loyalität und Redlichkeit, der Glauben daran, dass sich der Arbeitnehmer nicht unlauter gegen die Interessen des Arbeitgebers stellt, dass er sich nicht falsch, unaufrichtig oder hinterhältig seinem Vertragspartner gegenüber verhält. Im Vordergrund stehen daher eher charakterliche Verfehlungen des Arbeitnehmers. Allgemein kann man festhalten, dass es beim Vertrauensbereich nicht um äußere Elemente des Arbeitsvertrages, wie die Qualität und Quantität der Arbeitsleistung geht, sondern um innere Merkmale, die ihren Ursprung in der Personenbezogenheit und dem daraus resultierenden Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben.
Teile der Rechtsprechung und der Literatur nutzen diese Differenzierung nun zur Beantwortung der Frage, ob eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung erforderlich ist. Nach ihrer Ansicht braucht eine Abmahnung nur dann zu erfolgen, wenn die Verfehlung des Arbeitnehmers im Leistungsbereich angesiedelt ist. Verfehlungen im Vertrauensbereich können danach auch ohne Abmahnung zur sofortigen Kündigung führen. Als Begründung dafür, dass Fehlverhalten im Vertrauensbereich anders behandelt werden sollen wird die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses angeführt. Der Arbeitnehmer, so zur weiteren Begründung, könne Verfehlungen im Vertrauensbereich leicht selbst erkennen und könne bei derartigen Verfehlungen von vornherein nicht mit der Billigung durch den Arbeitgeber rechnen. Vielmehr wisse jeder Arbeitnehmer in diesen Fällen auch ohne vorherige Abmahnung, dass solche Handlungen einen klaren Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellen. Bei einer wissentlichen Verletzung vertraglicher Pflichten sei das Arbeitsverhältnis aber regelmäßig bereits so stark geschädigt, dass auch eine Abmahnung ihren eigentlichen Zweck, dass angeschlagene Arbeitsverhältnis zu „reparieren“, nicht mehr erfüllen könne und somit überflüssig würde.
Oberflächlich betrachtet scheint es rein praktisch eine Erleichterung zu sein, die Beantwortung der Frage ob eine Abmahnung erforderlich ist an dieser Differenzierung auszurichten. Das ist aber bei genauerer Betrachtung ein Trugschluss. Denn schon die Beantwortung der Frage, ob eine Störung im Vertrauensbereich oder im Leistungsbereich vorliegt kann einige Probleme bereiten. So werden beispielsweise auch schwere Verstöße im Leistungsbereich geeignet sein, das Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer zu erschüttern. Abgesehen davon, wird eine solche Differenzierung dem Zweck der Abmahnung auch nicht gerecht, denn es kann nicht von Beginn an vermutet werden, dass jedwede Störungen im Vertrauensbereich irreparabel seien. Man würde anhand dieser Differenzierung letztlich auch zu dem merkwürdigen Ergebnis gelangen, dass aufgrund vertraglicher Nebenpflichtverletzungen der Arbeitnehmer leichter gekündigt werden könnte als bei einer Verletzung der Hauptvertragspflichten. Die durch die Trennung aufgestellte Vermutung, Verletzungen des Vertrauensverhältnisses seien für den Arbeitnehmer per se erkennbar und er könne mit einer Billigung durch den Arbeitgeber nicht rechnen erscheint ebenfalls gekünstelt. Es sind durchaus grenzwertige Fälle denkbar, in denen der Arbeitnehmer nicht mit letzter Sicherheit entscheiden kann, ob sein Verhalten vertragskonform ist oder nicht.
Die Beantwortung der Frage, ob nun eine Abmahnung erforderlich ist oder nicht, sollte daher stets am Einzelfall orientieren bleiben und die Zwecke der Abmahnung im Auge behalten. Zu Fragen ist danach, wie schwer das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch den Vorfall in Mitleidenschaft gezogen wurde und ob eine Abmahnung geeignet sein kann, das angeschlagene Vertragsverhältnis zu heilen, bzw. das Vertrauensverhältnis wiederherzustellen.
Auch für den Arbeitgeber empfiehlt es sich, eine solche Einzelfallbetrachtung durchzuführen, denn die Differenzierung zwischen Leistungsbereich und Vertrauensbereich wird zwar von der Rechtsprechung weiterhin verbal vorgenommen, hat aber im Ergebnis in ihrer Anwendung einige Ausnahmen erfahren, sodass sie nicht als verlässliche Entscheidungshilfe dienen kann. Tendenziell wird man im Leistungsbereich eher zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Die oben dargestellte Differenzierung sollte aber bestenfalls als Orientierungshilfe dienen.

? Konsequenz:
Die Arbeitsgerichte differenzieren nach wie vor nach Leistungsbereich und Vertrauens- bzw. betrieblichem Bereich. Da aber dieser Grundsatz einige Ausnahmen erfahren hat, sollte der Arbeitgeber für die Beantwortung der Frage ob zunächst eine Abmahnung erforderlich ist stets eine Betrachtung am konkreten Einzelfall vornehmen. Die Abgrenzung zwischen Leistungsbereich und Vertrauensbereich sollte nur als Tendenz wahrgenommen werden. Handelt es sich etwa um eine Verfehlung im Leistungsbereich wird der Arbeitgeber grundsätzlich eher davon ausgehen müssen, dass eine Abmahnung erforderlich ist.

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Stand: 07/08


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