Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 18 – Freistellung zur Kinderbetreuung

9.3.2 Freistellung zur Kinderbetreuung während der Pandemie

Freistellungen, einhergehend mit Verdienstausfällen, können während einer Pandemie auch entstehen, wenn durch behördliche Allgemeinverfügungen oder Rechtsverordnungen Einrichtungen wie Kindertagesstätten oder Schulen vorrübergehend geschlossen werden sollen.

9.3.3 Voraussetzungen Anspruch auf Entschädigungszahlungen bei Sorgeberechtigten

Um Entschädigungszahlungen nach § 56 IfSG im Rahmen der Kinderbetreuung in Anspruch nehmen zu können, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt und als letztmögliche Alternative vorhanden sein:

  • anspruchsberechtigt können nur erwerbstätige Eltern sein, die Kinder betreuen müssen, welche noch nicht das 12. Lebensjahr vollendet haben oder eine Behinderung vorliegt und somit auf Betreuung angewiesen sind
  • sonstige zumutbare Maßnahmen der Betreuung dürfen nicht vorhanden sein, was vom Arbeitnehmer nachgewiesen werden muss
  • vorab geleistete Überstunden müssen primär verbraucht werden. Weiterhin darf es keine andere Möglichkeit existieren, der Arbeit vorübergehend bezahlt fernzubleiben (Fußnote)
  • sind die Betreuungseinrichtungen aus anderweitigen Gründen geschlossen, kommt der Entschädigungsanspruch nicht in Betracht


9.3.4 Ablauf des Entschädigungszahlungsverfahren für den Arbeitgeber

Zunächst muss der Arbeitgeber gegen seine Person vom Arbeitnehmer den Anspruch auf Entschädigung gegen sich gelten lassen und den Verdienstausfall zahlen. Erst dann kann der Arbeitgeber die Erstattung dessen beantragen. Aber auch die abzuführenden sozialversicherungsrechtlichen Beiträge werden dem Arbeitgeber in voller Höhe erstattet.

Hinweis:
Bei einer Entschädigung nach § 56 IfSG ist von Bedeutung, dass die anzuwendende Bemessungsgrundlage für die Beiträge der Sozialversicherung, hinsichtlich einer notwendigen Kinderbetreuung, nicht 100% der bisherigen Vergütung, sondern lediglich 80% des Betrages sind.

10. Freistellungs- und Vergütungsansprüche bei Arbeitskampfmaßnahmen

Wenn Arbeitnehmer wegen eines Kampfbeschlusses eine Störung des Arbeitsablaufs vornehmen, um das Ziel zu verfolgen, durch kollektive Maßnahmen, die Arbeitgeberseite absichtlich unter wirtschaftlichen Druck zu setzen, um ein bestimmtes Verhandlungsziel zu erreichen, handelt es sich um einen sogenannten Streik des Arbeitnehmers. Hierauf kann der Arbeitgeber mit einer Aussperrung antworten, was ebenso ein Arbeitskampfmittel darstellt. Allerdings ist eine solche Aussperrung nur dann rechtmäßig, wenn sie verhältnismäßig ist, das heißt, der Erzeugung der Gleichwertigkeit zwischen den beiden Arbeitskampfparteien, dient (Fußnote). Wird die Aussperrung als rechtmäßig festgestellt, ist zu klären, wie diese Art der Freistellung und der damit einhergehende Vergütungsanspruch zu deuten sind.

10.1 Vergütungspflicht des Arbeitgebers bei einem Streik

Wie bereits festgestellt, unterliegt der Arbeitgeber grundsätzlich dem Betriebs- und Wirtschaftsrisiko, d.h., er muss den Arbeitnehmern auch dann das Entgelt ungekürzt auszahlen, wenn er selbst als Unternehmer keine Schuld an der Nichtbeschäftigungsmöglichkeit hat, sondern diese betriebsfremd eingetreten ist. Weiterhin liegt es in seinem wirtschaftlichen Risiko, wenn aufgrund des Auftrags- oder Absatzmangels eine Beschäftigung, wirtschaftlich gesehen, sinnfrei wäre.

Doch im Rahmen von einem von den Arbeitnehmern ausgeführten Streik, also Niederlegung der Arbeit, entsteht kein Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung, d.h., die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis entfallen in diesem Moment. Bei Arbeitnehmern, die weder am Streik teilnehmen, noch ihrer Beschäftigung nachgehen, trotz dessen, dass es dem Arbeitgeber wirtschaftlich zumutbar und rechtlich realisierbar ist, dann besteht weiterhin der Lohnfortzahlungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber.
Doch, wie es bei der Aussperrung, als Gegenstück des Streiks und zugleich eine Form der Freistellung, mit der Vergütungspflicht, seitens des Arbeitgebers verhält, ist an verschiedenen Modellen der Aussperrung zu prüfen.

10.2 Aussperrung als Freistellung

Die Aussperrung ist zunächst als eine vom Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochene vorrübergehende Freistellung von der Arbeitspflicht, ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Üblich ist es auch, von Suspendierung zu sprechen. Hauptaugenmerk der Aussperrung ist, dass dem Arbeitnehmer keine Arbeitsaufgaben mehr übertragen bekommt und ihm zugleich die Gelegenheit zur freiwilligen Arbeitsaufnahme/Weiterarbeit genommen wird. Doch gibt es verschiedene Arten der Aussperrung, die auch unterschiedliche Auswirkungen auf die Lohnzahlungspflicht haben. Um die Folgen einer Aussperrung beurteilen zu können, ist zu überprüfen, ob die Aussperrung rechtmäßig oder unrechtmäßig war.

10.2.1 Voraussetzungen einer rechtmäßigen Aussperrung

Damit eine Aussperrung als Mittel eines Arbeitskampfes als rechtmäßige Freistellung gilt, muss es zielgerichtet auf das Abverlangen einer rechtlich realisierbaren Tarifnorm durchgeführt werden. Ebenso muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.

Die Voraussetzungen einer rechtmäßigen Aussperrung sind denen des rechtmäßigen Streiks nicht unähnlich:
• Eingrenzung der Abwehraussperrungen auf das betreffende Tarifgebiet.
• Die Anzahl der ausgesperrten Arbeitnehmer darf in keinem Missverhältnis zu den streikenden Arbeitnehmern stehen.
• Aussperrungen dürfen nicht ausschließlich gegen die Mitglieder der streikenden Gewerkschaft ausgerichtet sein.

10.2.2 Formen von Aussperrungen

Den meisten Arbeitgebern und Arbeitnehmern dürfte die Abwehraussperrung bekannt sein. Aber neben dieser, gibt es noch einige mehr Formen, die als Arbeitskampfmittel gelten. Die Unterscheidung ist an verschiedenen Kriterien festzumachen. Neben den Abgrenzungskriterien Kampfziele, Organisationseinheiten oder Adressaten, ist der zeitliche Aspekt "Kampfbeginn" zu beachten. Hiernach werden die Angriffs- und die Abwehraussperrung unterschieden.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
  • Minijobs rechtssicher gestalten

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