Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht – Teil 26 – Kreditsicherheiten: Bürgschaft, Mithaftung

4.2 Kreditsicherheiten

Um ein Darlehen bei einer Bank aufzunehmen, wird von dieser regelmäßig die Stellung einer Sicherheit verlangt. Bei einer unternehmerisch bezogenen Darlehensaufnahme ist es besonders problematisch, wenn der nicht unternehmerisch tätige Ehegatte mit haften soll. Finanzielle Belastungen, die aus dieser Situation folgen, sind meist kaum abzusehen und zu bewältigen, sodass in diesem Kontext grundsätzliche Vorsicht geboten ist. Denn durch die Mithaftung des nichtunternehmerischen Ehegatten hat die Bank in der Regel Zugriff auf alle privaten Vermögenswerte dieses Ehegatten.

4.2.1 Bürgschaft

Eine persönliche Sicherheit stellt die Bürgschaft dar (§ 765 BGB). Durch einen Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten persönlich haftend einzustehen.(Fußnote) Für den Fall, dass ein Unternehmer ein Darlehen mit der Bank abschließt, das eine hohe Darlehenssumme zum Gegenstand hat, besteht das Bedürfnis der Bank, diese durch eine zweite Befriedigungsmöglichkeit abzusichern. Banken bestehen aufgrund dieses Sicherungsbedürfnisses bei Geschäftskrediten mit mittelständischen Unternehmen meist darauf, Bürgschaftsverträge mit den Ehegatten oder anderen nahestehenden Familienangehörigen zu schließen.(Fußnote) Bezweckt wird primär nicht die Erweiterung des haftenden Vermögens, sondern die Verhinderung von Vermögensverschiebungen unter den Ehegatten oder Familienmitgliedern. Ferner soll der Kreditnehmer durch diese Sicherungspraxis dazu angehalten werden, sorgfältiger zu wirtschaften, um den Bürgen zu entlasten.(Fußnote)

Durch eine Bürgschaftsübernahme entsteht für den bürgenden Ehegatten oder nahen Familienangehörigen die Gefahr, mit dem gesamten Vermögen zu haften, was zu einer Existenzgefährdung führen kann. Meist wird über die Folgen eines möglichen Haftungsfalls gar nicht nachgedacht, sodass in der kritischen Situation die Bürgen vor einer nicht zu bewältigenden finanziellen Belastung stehen.

Wichtiger ist es, sich vorher beraten zu lassen, wie eine weitere Sicherheit gestaltet werden kann ohne dass der Ehegatte mitverpflichtet werden muss. Denn nicht nur verheiratete Unternehmer bekommen Kredite, sondern auch unverheiratete, weshalb es auch ohne den anderen Ehegatten gelingen muss.

4.2.1.1 Vorgehen gegen eine Bürgschaft

Um dieser kritischen Situation zu entgehen, bestehen die Möglichkeiten

  • des Verbraucherwiderrufs und
  • der Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB)
  • der Sittenwidrigkeit

wenn es bereits zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages gekommen ist.

4.2.1.2 Verbraucherwiderruf

Der Verbraucherwiderruf gibt der Vertragspartei das Recht, ihre Willenserklärung, die zu einem Vertragsschluss geführt hat, zu widerrufen. Voraussetzung dafür ist zum einen, dass die Partei Verbraucher ist. Die Verbrauchereigenschaft ist in § 13 BGB geregelt, wonach diejenige natürliche Person Verbraucher ist, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden. Zum anderen muss die Willenserklärung in einer Situation abgegeben worden sein, aufgrund derer der Verbraucher besonders schutzwürdig und ihm deshalb ein Widerrufsrecht gesetzlich eingeräumt wird. Wenn eine Bürgschaft außerhalb der Geschäftsräume des Kreditinstituts geschlossen wird, also bei sogenannten "Haustürgeschäften", ist es dem Verbraucher innerhalb der gesetzlichen Frist möglich, diese Erklärung zu widerrufen (§ 312b BGB).

4.2.1.3 Einrede der Vorausklage

Eine andere Abwehrmöglichkeit ist die Erhebung der Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB). Danach kann der Bürge seine Inanspruchnahme durch den Gläubiger der Hauptschuld verhindern, solange der Gläubiger nicht versucht hat, in das Vermögen des Hauptschuldners zu vollstrecken. Meistens wird diese Vorschrift aber zwischen den Parteien abbedungen sein, sodass regelmäßig eine Berufung auf diese Einrede ausscheidet.

4.2.1.4 Sittenwidrigkeit

Unter gewissen Umständen kann die Bürgschaft eines nahen Angehörigen per se nichtig sein, wenn sie gegen die guten Sitten verstößt. Dann ordnet das Gesetz in § 138 Abs. 1 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts an.

Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren einige Kriterien herausgearbeitet, die Indizien für die Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft sein können:

  • Bei fehlender Bestimmtheit der Bürgschaftserklärung, das heißt, der Höchstbetrag und die konkrete Verbindlichkeit sowie das Datum und die Unterschrift muss im Vertrag festgehalten werden, kann sie sittenwidrig sein.
  • Bei krasser finanzieller Überforderung des Bürgen ist dann eine Sittenwidrigkeit anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Übernahme der Erklärung davon auszugehen ist, dass der Bürge bei Eintritt des Sicherungsfalls aufgrund seiner Vermögenssituation noch nicht einmal in der Lage ist, die laufenden Zinsen der Hauptschuld zu begleichen.(Fußnote)
  • Zudem kann sich eine Sittenwidrigkeit bei krasser finanzieller Überforderung aus den Umständen des Vertragsschlusses ergeben, wenn der Sicherungsnehmer die emotionale Verbundenheit des Sicherungsgebers zum Kreditnehmer und die geschäftliche Unerfahrenheit des Sicherungsgebers ausnutzt.(Fußnote)

Empfehlenswerter ist es, keine Bürgschaftserklärung abzugeben und den Kredit mit anderen Mitteln abzusichern. In Betracht kommen Bankbürgschaften, die verschiedene Zwecke für die Darlehensaufnahme unterstützen, sei es eine Existenzgründung oder die Investition in das laufende Unternehmen. In diesem Kontext muss bei der Verhandlung über die Stellung anderer Sicherheiten darauf geachtet werden, dass die Kreditwürdigkeit richtig bewertet wird.

4.2.2 Mithaftung

Ebenso wie bei der Bürgschaft besteht die Möglichkeit, eine weitere Person mit ihrem Vermögen in die Haftung für die Kreditverbindlichkeit einzubeziehen. Bei der Mithaftung tritt der Dritter als zweiter Schuldner neben den Hauptschuldner in den Darlehensvertrag ein und haftet somit für eine eigene Schuld. Insoweit unterscheidet sich die Mithaftung von der Bürgschaft, da letztere keine zweite Schuldnerstellung in Bezug auf die Kreditverbindlichkeit bewirkt, sondern akzessorisch für eine fremde Schuld gehaftet wird. Die Konsequenz einer doppelten Schuldnerstellung, also einer Schuldnermehrheit, ist ein Gesamtschuldverhältnis (§§ 421 ff. BGB).

Für die Mithaftung ist ein Vertrag zwischen dem Beitretenden und der Bank erforderlich, der grundsätzlich formfrei ist. Ausnahmsweise besteht nach § 492 BGB ein Schriftformerfordernis, wenn der Beitretende Verbraucher ist.

Auch in dieser Konstellation besteht das Problem der persönlichen Haftung, die bei weniger vermögenden Schuldnern zu einer Existenzgefährdung führen kann. Im Rahmen dieser Existenzgefährdung kann es, ebenso wie bei der Bürgschaft, zu einer Sittenwidrigkeit kommen. Insoweit ist bei der Mithaftung aber zwischen der Mitdarlehensübernahme und dem Schuldbeitritt zu differenzieren.

Bei der Mitdarlehensübernahme kommt eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts grundsätzlich auch bei krasser finanzieller Überforderung nicht in Betracht. Grund dafür ist, dass der Mitdarlehensnehmer ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung hat. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn er ebenso Entscheidungskompetenz hat und insoweit gleichberechtigt in Bezug auf Auszahlungs- und Verwendungsmodalitäten der Darlehensvaluta ist.(Fußnote)

Beim Schuldbeitritt hingegen tritt der Mithaftende gegenüber der Bank nicht als gleichberechtigter Darlehensnehmer auf.(Fußnote) In diesem Fall kann eine Sittenwidrigkeit bei krasser finanzieller Überforderung angenommen werden. Dann besteht eine (widerlegbare) Vermutung dahingehend, dass der zusätzlich Haftende sich nicht aus rationalen Gründen, sondern aus der emotionalen Beziehung heraus verpflichtet hat. Der Beurteilungsmaßstab für die finanzielle Überforderung ist das eigene Vermögen des Mithaftenden und dessen pfändbares Einkommen.

Alternative Sicherungsmöglichkeit ist die Bereitstellung von Realsicherheiten, z.B. der Ladeneinrichtung und Geräte, indem diese auf die kreditgewährende Bank übereignet werden.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Schutz des Unternehmervermögens aus familien- und erbrechtlicher Sicht“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Thea Schenk-Busch, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-65-6.


 

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Stand: Januar 2017


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Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Familienrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

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