Freistellung im Arbeitsrecht – Teil 02 – Gesetzliche Ansprüche

2.1.4 Teilweise und vollständige Freistellung

Bei der Freistellung ist weiterhin zwischen einer vollständigen und einer teilweisen Freistellung zu unterscheiden. Dies kommt speziell im Rahmen der übernommenen Pflege für einen nahen Angehörigen nach § 3 Abs. 1 S.1 PflegeZG. Allerdings gilt dieses uneingeschränkte Recht, auf vollständige Freistellung, nur bei einem Arbeitgeber, welcher in der Regel 15 oder weniger Beschäftigte angestellt hat. Die Ablehnung der begehrten vollständigen Freistellung kann der Arbeitgeber hier nicht auf z.B. dringende betriebliche Erfordernisse stützen. Wird seitens des Arbeitnehmers eine teilweise Freistellung von z.B. Reduzierung der Arbeitszeit von 8 Stunden auf 5 Stunden täglich begehrt, ist dieses mit dem Arbeitgeber schriftlich zu fixieren. Die vollständige Freistellung kommt auch im Rahmen der Elternzeit zu tragen, worauf im Kapitel 3.4.1 näher eingegangen werden wird.

2.2 Abgrenzung des Begriffs Freistellung

Der Begriff Freistellung ist nicht gesetzlich definiert und wird hierdurch oft frei ausgelegt, was teilweise zu Missverständnissen führen kann. Folgend eine nicht abschließende Aufzählung der bekanntesten zw. meist verwendeten Begrifflichkeiten, welche im Rahmen einer Freistellung verwendet werden.

2.2.1 Der Sonderurlaub

Die Bedeutung des Wortes Sonderurlaub ist in keinem Gesetz zu finden, es ist ein umgangssprachlicher Ausdruck. Hierbei handelt es sich um einen Ausnahmegrundsatz im deutschen Arbeitsrecht ohne Arbeit kein Lohn, wodurch der Arbeitgeber nicht von der Entgeltzahlung befreit wird, trotz der Nichtleistung des Arbeitnehmers. Es stellt eher eine spezielle Fürsorgepflicht des Arbeitgebers dar und ist dem Wortlaut des § 616 BGB zu entnehmen. Einfach formuliert bedeutet dieser Wortlaut, dass es sich eben nicht um einen Urlaubstag gemäß Bundesurlaubsgesetz handelt, sondern um eine sogenannte Sonderfreistellung mit Lohnfortzahlung.

2.2.2 Suspendierung

Suspendierung ist lediglich eine andere Bezeichnung für den Begriff Freistellung oder auch Beurlaubung. Suspendierung klingt bei Manchen schlimm und nach unüberbrückbaren Differenzen am Arbeitsplatz, gerne auch medial so verbreitet. Allerdings ist dies ein Trugschluss, es ist einfach eine weitere Beschreibung der Freistellung, sei bezahlt, unbezahlt, einseitig, teilweise oder weiteren Arten des Freistellungsbegriffes.

3 Gesetzliche Freistellungsansprüche nach § 616 BGB

3.1 Die rechtliche Klassifizierung als gesetzlicher Freistellungsanspruch

Kein Arbeitsverhältnis endet in dem Moment, wo die Freistellung eintritt. Es ruhen lediglich die Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages, die so genannten Nebenleistungspflichten dauern auf beiden Seiten an. Solche wären zum Beispiel das vertragliche Wettbewerbsverbot, die Pflicht, dem Arbeitgeber keinen Schaden zuzufügen oder auch die Verpflichtung, den Anweisungen des Arbeitgebers, mithin dem Direktionsrecht, Folge zu leisten. Die Verletzung dieser Nebenleistungspflichten können von Schadensersatzpflichten bis hin zur Kündigung führen (Fußnote).
Nicht nur widrige Witterungsbedingungen, welche es nicht zulassen, dass jeder Arbeitnehmer pünktlich an seinem Arbeitsplatz erscheint, auch andere Ereignisse, ob verschuldet oder unverschuldet, führen dazu, dass es immer wieder zu der Frage kommt: "Muss mich mein Arbeitgeber von der Arbeit bezahlt freistellen und wann habe ich eigentlich Anspruch auf bezahlte Freistellung?". Bleibt man bei dem Beispiel des Unwetters, der sogenannten Naturgewalt oder auch oft als "Höhere Gewalt" bezeichnet, liegt der Sachverhalt so, dass es in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt, pünktlich auf Arbeit einzutreffen. Allerdings darf der verhinderte Arbeitnehmer nicht abgemahnt werden, ein Lohnanspruch besteht dennoch nicht. Wenn dagegen ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Anlass die Arbeitsleistung verhindert, muss der Arbeitgeber ihn bezahlt freistellen. Diese Fälle regelt der § 616 BGB, wonach der Arbeitnehmer für den Vergütungsanspruch jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllen muss. Zunächst ein kurzer Einblick in den Freistellungsanspruch im Rechtssinne.

3.2 Nachweispflicht des Arbeitnehmers

Für die Gewährung der angestrebten Freistellung muss der Arbeitnehmer aber seiner Nachweispflicht nachkommen. D.h., auf Verlangen des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer z.B. bei seiner Hochzeit, ein belegbares Schreiben des Standesamtes einbringen, woraus sich Termin und Personalien des Brautpaares ergeben sollten.

3.3 Voraussetzungen nach § 616 BGB

§ 616 BGB ist allerdings, trotz der allgemein großen Bedeutung, lediglich eine Art Ersatzklausel, auf die sich der betreffende Arbeitnehmer nur dann berufen kann, wenn nicht andere, primäre Richtlinien, greifen. Primäre Vorschriften wären beispielsweise solche aus Tarifverträgen oder einzelvertraglicher Bestimmungen. § 616 BGB greift als subsidiäre Auffangregelung nur dann ein, wenn der Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht bereits durch eine vorrangige Vorschrift, z.B. dem EFZG oder dem BBiG erfüllt werden kann. Die Vorschrift des § 616 BGB wirkt nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für freie Mitarbeiter und arbeitnehmerähnliche Personen, welche z.B. die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten gemäß § 1 des HAG (Hausgewerbetreibende) sowie selbstständige Handelsvertreter zu nennen wären.

§ 616 BGB ist ein sogenanntes dispositives Recht, welches dazu führt, dass der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub durch verschiedene Rechtsinstrumente ausgeschlossen werden kann. Hierbei zählen vor allem der Arbeitsvertrag oder ein Tarifvertrag. Der einfachste Satz in einem Arbeitsvertrag würde lauten: "Die Regelungen des § 616 BGB gelten nicht".
Das bedeutet, dass nur die tatsächlich gezahlte Leistung vergütet wird. Indes kann der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine unbezahlte Freistellung von der Arbeit nicht ausgeschlossen werden.


Dieser Beitrag ist zitiert aus dem Buch „Die gesetzlichen Freistellungsansprüche im Arbeitsrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-96696-019-9.


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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