Aufhebungsvertrag - Teil 35 - Anfechtungsgegner und Ausschluss der Anfechtung

11.3.3 Anfechtungsgegner und Ausschluss der Anfechtung

Die Anfechtung des Aufhebungsvertrags ist gegenüber dem Vertragspartner zu erklären, vgl. § 143 I, II BGB. Der Arbeitnehmer muss die Anfechtung des Aufhebungsvertrags daher dem Arbeitgeber erklären und andersherum.

Gem. § 144 I BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft (hier der Aufhebungsvertrag) vom Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Die Bestätigung ist die "Entscheidung des Anfechtungsberechtigten, dass das Geschäft ungeachtet des Anfechtungsgrundes gelten soll" (Flume BGB AT II § 37, 7, S. 568 f.). Die Bestätigung muss innerhalb der Anfechtungsfrist und vor einer Anfechtung erfolgen. Zur Bestätigung ist derjenige berechtigt, der ansonsten zur Anfechtung berechtigt wäre. Das anfechtbare Rechtsgeschäft kann auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten, bestätigt werden, wobei dies nur unter strengen Anforderungen angenommen werden kann Das schlüssige Verhalten muss den eindeutigen Schluss zulassen, dass der Anfechtungsberechtigte trotz der Anfechtbarkeit an dem Rechtsgeschäft festhalten will. Es darf keine andere den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung denkbar sein. Wenn ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags weniger Arbeit zu, dann kann in dem Unterlassen des Arbeitnehmers, mehr Arbeit zu verlangen, keine Bestätigung gesehen werden (BAG, Urteil vom 28.11.2007 - 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348.). Für einen Ausschluss des Anfechtungsrechts gem. § 144 I BGB ist zudem erforderlich, dass der Anfechtungsberechtigte sein Anfechtungsrecht im Zeitpunkt der Bestätigung kannte.

11.3.4 Anfechtungsfrist

Wenn der Anfechtungsgrund § 119 BGB zu entnehmen ist, so richtet sich die Anfechtungsfrist nach § 121 BGB. Danach muss die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (also unverzüglich) nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat erfolgen, § 121 I 1 BGB. Wird die Anfechtung gegenüber einem Abwesenden erklärt, kommt es darauf an, dass die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist, § 121 I 2 BGB. Eine Anfechtung, die später als zwei Wochen nach Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen erklärt wird, ist nicht mehr "unverzüglich" im Sinne des § 121 I BGB (vgl. Wertung § 626 II BGB) (BAG, Urteil vom 14.12.1979 - 7 AZR 38/78, NJW 1980, 1302). Die Anfechtung kann nicht mehr erklärt werden, wenn seit der Zustimmung zum Aufhebungsvertrag zehn Jahre vergangen sind, § 121 II BGB.

Beruht die Anfechtung auf einem Grund aus § 123 I BGB, so richtet sich die Anfechtungsfrist nach § 124 BGB. Sie beträgt ein Jahr (§ 124 I BGB) und beginnt bei einer arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt sowie im Fall der widerrechtlichen Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört (§ 124 II 1 BGB). Auch hier tritt nach zehn Jahren eine Sperrwirkung ein, die eine spätere Anfechtung verhindert, § 124 III BGB. Es gibt keinen Grund bei § 124 I BGB von einer teleologischen Reduktion (also einer rechtlichen Auslegung, die zu einer Fristverkürzung führt) auszugehen, wenn ein Aufhebungsvertrag wegen widerrechtlicher Drohung angefochten wird. Von einer Verwirkung des Rechts des Arbeitnehmers, die Anfechtung geltend zu machen, kann nur in ganz außergewöhnlichen Fällen ausgegangen werden (BAG, Urteil vom 28. 11. 2007 - 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348).

11.3.5 Anfechtungsverzicht

Eine Klausel im Aufhebungsvertrag, die einen Verzicht auf ein mögliches Anfechtungsrecht von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer enthält, ist nutzlos. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrags hat zur Folge, dass auch die Anfechtungsverzichtklausel angefochten und gegebenenfalls beseitigt wird. Zudem widerspricht ein Verzicht auf eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung dem von § 123 BGB bezweckten Schutz der freien Selbstbestimmung und ist deshalb unwirksam (BGH, Urteil vom 17.01.2007 - VIII ZR 37/06, NJW 2007, 1058).

11.3.6 Rechtsfolgen der Anfechtung

Die Anfechtung ist ein Gestaltungsrecht. Der Anfechtungsberechtigte kann die Anfechtung erklären, er muss es aber nicht. Ein anfechtbares Rechtsgeschäft, das nicht angefochten wird, behält seine Wirkung. Das bedeutet, wenn die Willenserklärung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zwar mit einen Fehler i.S.d. §§ 119, 123 BGB behaftet ist, der Anfechtungsberechtigte aber dennoch daran festhalten möchte, braucht er nichts weiter zu tun. Eine erfolgreiche Anfechtung des Aufhebungsvertrags hat dagegen zur Folge, dass dieser von Anfang an (ex tunc) nichtig ist, vgl. § 142 I BGB. Das bedeutet, dass so getan wird, als habe der Aufhebungsvertrag nie existiert. Die Anfechtung wirkt rückwirkend. In der Konsequenz führt die erfolgreiche Anfechtung des Aufhebungsvertrags dazu, dass das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet wurde. Es besteht daher fort. In der Regel wird der Arbeitnehmer derjenige sein, der ein Interesse daran hat, den Aufhebungsvertrag anzufechten. Dem Arbeitgeber ist in den meisten Fällen nicht damit gedient, wenn er den Arbeitnehmer wieder beschäftigen muss.

11.3.7 Darlegungs- und Beweislast

Es obliegt dem Anfechtenden sämtliche Tatsachen, die zu sein Anfechtungsrecht gem. §§ 119, 123 BGB begründen sollen, darzulegen und zu beweisen. Für beide Aufhebungsvertragsparteien ist es daher empfehlenswert, bei den mündlichen Vertragsverhandlungen und beim Abschluss des Vertrages Zeugen dabei zu haben, die vor Gericht später gegebenenfalls aussagen können. Behauptet der Arbeitnehmer vor Gericht beispielsweise, der Arbeitgeber habe ihm widerrechtlich mit einer Kündigung gedroht, so muss er diese Drohung und Tatsachen für ihre Widerrechtlichkeit vor Gericht vortragen und beweisen.

Es gilt jedoch eine sogenannte abgestufte Darlegungs- und Beweislast: Der anfechtende Arbeitnehmer muss zwar beweisen, dass ein verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht in Betracht gezogen hätte, aber weil es sich dabei um einen Negativbeweis handelt, ist eine entsprechende pauschale Behauptung zunächst ausreichend. Der Arbeitgeber muss dann vor Gericht erklären, warum ein verständiger Arbeitgeber (wie er…) eine Kündigung doch in Erwägung gezogen hätte (BAG, Urteil vom 28.11.2007 - 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348). Er muss die Tatsachen schildern, die er seinem Arbeitnehmer vorwirft. Der Arbeitnehmer muss seinerseits versuchen, diese dann zu widerlegen.

Falls bei den Gesprächen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Zeugen anwesend waren, wird das Gericht möglicherweise eine sogenannte Parteivernehmung von Amts wegen (§ 448 ZPO) anordnen. Gem. § 448 ZPO kann das Gericht unabhängig von der geltenden Beweislast (also unabhängig davon, wer was zu beweisen hat) die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien anordnen. So kann der Richter eventuell verbleibende Zweifel durch direkte Fragen an Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausräumen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


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Stand: Januar 2019


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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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