Erbrecht für Unternehmer - Teil 21 - Grundsatz des Nichteintritts

6.2.2.1 Grundsatz des Nichteintritts der Erben und Fortführung der Gesellschaft

Nach § 131 Abs.3 S.1 Nr.1 HGB scheidet ein Gesellschafter mit seinem Tod aus der OHG aus. Der Erbe oder die Erbengemeinschaft treten grundsätzlich nicht in die Gesellschafterstellung des Erblassers ein. Die Gesellschaft wird vielmehr mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt. Der Anteil des Verstorbenen wächst den übrigen Gesellschaftern zu; dem Erben oder der Erbengemeinschaft steht nur ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft zu. Dieser Abfindungsanspruch besteht grundsätzlich in der Höhe des Verkehrswerts des Gesellschaftsanteils des Erblassers, § 105 Abs.3 HGB iVm § 738 Abs.1 S.2 BGB.

Da diese gesetzliche Abfindung eine existenzbedrohende finanzielle Belastung der Gesellschaft darstellen kann, kann im Gesellschaftsvertrag eine Beschränkung der Abfindung vereinbart werden.1 Bei der Vereinbarung einer beschränkten Abfindungshöhe, die im Zweifel unter dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils liegen wird, müssen gewisse Grenzen eingehalten werden. Insbesondere darf kein grobes Missverhältnis zwischen der geregelten Abfindung und dem Verkehrswert des Gesellschaftsanteils liegen. Ist die Klausel in dem Gesellschaftsvertrag unwirksam, gilt die gesetzliche Regelung, welche als Abfindung den Verkehrswert des Gesellschaftsanteils vorsieht. Deshalb ist bei der Formulierung einer solchen Klausel, die die Abfindung verringern soll, äußerste Vorsicht geboten.

6.2.2.2 Auflösung der Gesellschaft

Zwischen den Gesellschaftern einer Personengesellschaft kann zusätzlich vereinbart werden, dass bei Tod eines Gesellschafters die Gesellschaft aufgelöst wird. Eine solche Auflösungsklausel muss ausdrücklich in dem Personengesellschaftsvertrag vorgesehen sein. Die OHG wandelt sich in dem Fall mit dem Tod eines Gesellschafters in eine Liquidationsgesellschaft um.2 Ist dies der Fall, gehört die Beteiligung an dieser Liquidationsgesellschaft mit zum Nachlass des Verstorbenen. Der Erbe oder die Erbengemeinschaft treten in diese Liquidationsgesellschaft ein, §§ 145 ff. HGB. Sofern mehrere Erben vorhanden sind, wird nicht jeder einzelne Erbe Gesellschafter der Liquidationsgesellschaft, sondern die Erbengemeinschaft an sich. Die Erbengemeinschaft muss einen Vertreter bestellen, welcher ihre Rechte wahrnimmt.

Beispiel

Erblasser E ist Gesellschafter der X Gesellschaft. Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass sich die Gesellschaft in einen Liquidationsgesellschaft umwandeln soll.

E hinterlässt 2 Kinder.

    • Die Kinder werden als Erbengemeinschaft Gesellschafter der Liquidationsgesellschaft ein.

Besteht eine Auflösungsklausel, können die Gesellschafter mit den Erben gemeinsam beschließen, dass die Gesellschaft entgegen der Auflösungsklaussel weiter geführt werden soll. Hierfür ist ein einstimmiger Fortsetzungsbeschluss erforderlich, bei dem auch die Erben mitgestimmt haben.3

Beispiel

Erblasser E ist Gesellschafter der X OHG. Die X OHG besteht mit E aus 5 Personen. In dem Gesellschaftsvertrag ist eine Auflösungsklausel für den Tod des E vorgesehen. E hinterlässt drei Kinder.

    • Möchten die vier übrigen Gesellschafter mit den drei Kinder die OHG fortführen, müssen sie dafür einen Beschluss erlassen.

Eine Auflösungsklausel zu vereinbaren ist in den seltenen Fällen eine sachgerechte Lösung, da es vom Zufall abhängt, ob die Gesellschaft fortbesteht oder nicht.

6.2.2.3 Nachfolge- und Eintrittsklauseln

Die Regelung, dass den Erben des Gesellschafters einer Personengesellschaft lediglich ein Abfindungsanspruch zusteht und diese von Gesetzes wegen nicht automatisch mit dem Erbfall in die Gesellschaft eintreten, wird den Interessen der Beteiligten oft nicht gerecht. Der Erblasser selbst möchte entweder, dass die Gesellschaftsanteile in der Familie bleiben oder aber die Kinder möchten die Position des Erblassers fortführen. Daher existieren verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten, um den oder die Erben doch noch in die Gesellschafterstellung eintreten zu lassen.4

Für die verschiedenen Klauseln vgl. Punkt 6.2.1.1.

Wenn der Erbe persönlich haftender Gesellschafter einer OHG wird, dann haftet er wie ein Neugesellschafter nach § 130 HGB für frühere Gesellschaftsschulden unbeschränkt und persönlich.

Beispiel

Erblasser E ist Gesellschafter der X OHG. Diese hat vor dem Tod des E Ware für 210.000 € bestellt. Der Sohn des E tritt nach dem Tod auf Grund einer entsprechenden Klausel im Gesellschaftsvertrag in die Gesellschafterstellung ein.

    • Da S nun Gesellschafter der X OHG ist, haftet auch er unbeschränkt für die Altverbindlichkeiten der Gesellschaft.

Der Erbe kann innerhalb von drei Monate nach dem Erbfall verlangen, Kommanditist zu werden, § 139 Abs.1, 3 HGB. Dadurch kann der Erbe die Haftung für frühere Gesellschaftsschulden auf den Nachlass beschränken.

Beispiel

Erblasser E ist Gesellschafter der X OHG. Diesen Anteil vererbt er an seinen Sohn S. S möchte nicht persönlich haften.

    • S kann bei der Gesellschaft den Antrag stellen, dass er Kommanditist wird. Damit würde er seine Haftung für frühere Gesellschaftsschulden auf den Nachlass beschränken.

Wird der Antrag, Kommanditist zu werden, nicht angenommen, kann der Erbe aus der Gesellschaft ausscheiden. Damit wird dem Erben die Möglichkeit gegeben, nicht das vollständige Erbe ausschlagen zu müssen, um zu verhindern, dass er persönlich haftender Gesellschafter wird.5 Der Gesellschaftsanteil wächst den übrigen Gesellschaftern zu. Ausgleichsansprüche stehen dem Erbe jedenfalls dann zu, wenn dies in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist.

6.2.3 KG

Die Kommanditgesellschaft ist ebenfalls eine Personengesellschaft. Der Unterschied zur OHG liegt darin, dass nach § 161 Abs.1 HGB neben mindestens einem Komplementär auch zumindest ein Kommanditist vorhanden ist.6 Ein Komplementär haftet persönlich mit seinem eigenen Vermögen. Ein Kommanditist haftet nur auf seine Haftungseinlage beschränkt. Hat er seine Haftungseinlage geleistet, so haftet der Kommanditist nicht.

6.2.3.1 Nachfolge des persönlich haftenden Gesellschafters

Wenn der Erblasser persönlich haftender Gesellschafter der Gesellschaft (Komplementär) war, bleibt im Fall seines Todes in der Regel die Gesellschaft bestehen. Die Gesellschaft wird mit den übrigen Gesellschaftern fortgeführt. Ist dies nicht gewollt, muss in dem Gesellschaftsvertrag die Auflösung vorgesehen sein. Wird die Gesellschaft durch die übrigen Gesellschafter fortgeführt, entsteht ein Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft, welcher auf die Erben übergeht. Dieser Abfindungsanspruch beläuft sich auf den Wert des Gesellschaftsanteils, den der Erblasser bei einer Auseinandersetzung erhalten würde, wenn die Gesellschaft aufgelöst worden wäre.

Sollen die Erben in die Position des persönlich haftenden Gesellschafters eintreten, müssen entsprechende Klauseln formuliert werden. Es gelten sämtliche für das GbR-Recht mögliche Klauseln (vgl. dazu 6.2.1.1 ).7

Beispiel

Erblasser E ist Komplementär der X KG. In dem Gesellschaftsvertrag ist vorgesehen, dass sein ältester Sohn in seine Gesellschafterstellung einrückt. E hat in seinem Testament eine entsprechende Regelung aufgenommen.

  • Da der Gesellschaftsvertrag eine qualifizierte Nachfolgeklausel vorsieht, wird der älteste Sohn mit dem Tod des E Gesellschafter der X KG.

Stirbt der einzige Komplementär und rückt kein Erbe in seine Stellung ein, so wird die KG zu einer KG in Auflösung. Wird die KG fortgeführt, wandelt sie sich dabei regelmäßig in eine OHG um.

Möchte der Erblasser, dass sein Anteil schon zu Lebzeiten übertragen wird, ist dies mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter möglich.

Ebenso wie bei einer OHG kann auch seine Beteiligung als Komplementär in eine Beteiligung als Kommanditist umgewandelt werden, § 139 HGB, vgl. dazu 6.2.2.3.

6.2.3.2 Nachfolge des Kommanditisten

Beim Tod eines Kommanditisten führt dies nicht zu dessen Ausscheiden. Vielmehr wird die Gesellschaft nach § 177 HGB mit dessen Erben fortgesetzt.

Beispiel

Erblasser E ist Kommanditist der X KG. Er hinterlässt zwei Kinder. In dem Gesellschaftsvertrag findet sich keine Regelung bezüglich der Nachfolge. E hinterlässt kein Testament.

    • Beide Kinder werden Gesellschafter entsprechend ihrer Quote. Die Erbengemeinschaft wird kein Gesellschafter.

Für die früheren Gesellschafterschulden haftet der Erbe nur mit seinem Kommanditistenanteil und in Höhe der rückständigen Haftungseinlage mit dem Nachlass. Für neue Gesellschafterschulden haftet der Erbe mit seinem Gesellschafteranteil und bei rückständiger Einlage auch persönlich ohne Haftungsbeschränkung auf den Nachlass, §§ 171 f. HGB.

Beispiel

Erblasser E ist Kommanditist bei der K KG. S ist der einzige Erbe des E.

Die KG hat vor dem Tod des E Ware für 320.000 € bei H bestellt und bisher noch nicht bezahlt.

Nach dem Tod des E bestellt die KG Ware bei B im Wert von 440.000 €.

    • Hat E seine Haftsumme beglichen, dann haftet der Erbe S den Gläubigern H und B nicht unmittelbar.
    • Hat E seine Haftsummen noch nicht vollständig beglichen und auch S nicht, haftet S beiden Gläubigern persönlich bis zur Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme unmittelbar.
    • Die Haftung des S für die Schulden mit B ist nicht auf den Nachlass beschränkt; wurde die Haftsumme nicht beglichen, haftet S persönlich - ohne Beschränkung der Haftung auf den Nachlass.

Die Regelung des § 177 HGB ist mit der einer Nachfolgeklausel vergleichbar. § 177 HGB ist jedoch dispositiv; die Beteiligten können demnach eine andere Regelung treffen. Es kann beispielsweise vereinbart werden, dass

    • die KG beim Tode eines Kommanditisten aufgelöst wird oder
    • der Kommanditanteil nicht vererblich ist, so dass die Gesellschaft mit den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird, ohne dass die Erben in die Kommanditistenstellung des Erblassers eintreten.8

Den Erben steht in der Regel ein Abfindungsanspruch in Höhe des Verkehrswertes des Anteils zu. Davon kann aber durch den Gesellschaftsvertrag abgewichen werde


[1] Kindler, § 12 Rn. 21.

[2] Crezelius, § 6 Rn. 251; Michalski, § 30 I 2 Rn. 1152.

[3] Kindler, § 12 Rn. 52.

[4] Sänger, § 4 Rn. 310; Brox, § 44 Rn. 779.

[5] Brox, § 37 Rn. 660.

[6] Sänger, § 5 Rn. 332.

[7] Brox, § 37 Rn. 661; Kindler, § 13 Rn.68.

[8] Sänger, § 5 Rn. 369; Kindler, § 13 Rn.68.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Erbrecht für Unternehmer“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt, und Wolfgang Theissen, Rechtsanwalt, und Julia Külzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-94-6.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

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