Erbrecht für Unternehmer - Teil 15 - Pflegeleistung

5.3.6.2 Pflegeleistung

Erbringen Angehörige Pflegeleistungen, stellt sich oft die Frage, ob und wie diese bei einer Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen sind. § 2057a Abs. 1 S.1 BGB sieht eine Ausgleichspflicht für Leistungen von Abkömmlingen vor. Der Anspruch besteht allerdings nur, wenn der Abkömmling, der die Leistung erbracht hat, Erbe des Erblassers geworden ist.

Ausgleichspflichtige Leistungen können sein

  • Arbeit im Haushalt oder im Geschäft,
  • Geldleistungen oder
  • sonstige Leistungen, welche dazu beigetragen haben, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren.

Die Leistungen müssen unentgeltlich erfolgen, dürfen aber nicht zu einer Schmälerung des Vermögens des Erblassers geführt haben. Der Ausgleichsanspruch richtet sich nach Art, Umfang und Dauer der Leistungen sowie dem Wert des Nachlasses. Der Berechtigte erhält aber keinen Zahlungsanspruch gegen die Miterben, vielmehr wird sein Anteil bei der Nachlassteilung entsprechend erhöht.

Beispiel
Erblasser E hat bis auf zwei Kinder keine gesetzlichen Erben. S pflegt E bis zu seinem Tode. Der Wert der Pflege beträgt 30.000 €. T hat E nicht gepflegt. E hat keine letztwillige Verfügung aufgesetzt. Sein Nachlass beträgt 400.000 €.

  • Bei zwei Kindern würde jedes Kind grundsätzlich die Hälfte und damit 200.000 € erben. Der Wert der Pflegeleistung wird aber de S an- bzw. der T abgerechnet. Damit erhält S 230.000 € und T 170.000 €.

Im Pflichtteilsrecht ist der Ausgleichsanspruch zu berücksichtigen, § 2316 BGB. Ist der Pflegende nicht als Erbe vorgesehen, erhält er einen Ausgleichspflichtanteil. Dieser Pflichtanteil beträgt die Hälfte des (fiktiven) Ausgleichserbteils.

Beispiel
Erblasser E hat bis auf zwei Kinder keine gesetzlichen Erben. S pflegt E bis zu seinem Tode. Der Wert der Pflege beträgt 30.000 €. T hat E nicht gepflegt. E hat eine letztwillige Verfügung aufgesetzt, in der er T als alleinige Erbin einsetzt. Sein Nachlass beträgt 400.000 €.

  • Ohne letztwillige Verfügung würden S 230.000 € und T 170.000 € zustehen (siehe oben). Mit der Verfügung steht dem enterbten S nur die Hälfte und damit 115.000 € zu. T erhält damit 385.000 €.

Hat ein nicht enterbter Abkömmling Pflegeleistungen erbracht, sinkt hingegen der Pflichtteil der Anderen.[1]

Beispiel
Erblasser E hat bis auf zwei Kinder keine gesetzlichen Erben. S pflegt E bis zu seinem Tode. Der Wert der Pflege beträgt 30.000 €. T hat E nicht gepflegt. E hat eine letztwillige Verfügung aufgesetzt, in der er S als alleinigen Erben einsetzt. Sein Nachlass beträgt 400.000 €.

  • Ohne letztwillige Verfügung würde jedem Kind grundsätzlich die Hälfte zustehen. Unter Berücksichtigung der Pflegeleistung stünde S 230.000 € und T 170.000 € zu (siehe oben).
  • Aufgrund der letztwilligen Verfügung ist T nur pflichtteilsberechtigt und erhält die Hälfte des gesetzlichen Erbteils unter Berücksichtigung des Abzugs für die Pflegeleistungen von S. Damit erhält T 75.000 € und S 325.000 €.

Der Anspruch aus § 2057a BGB ist in der Praxis aufgrund der hohen Voraussetzungen schwierig durchzusetzen. Es empfiehlt sich daher rechtzeitig, im besten Fall vor der Pflege, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen, um die Rechte des Pflegenden zu sichern. Auch eine nachträgliche Vereinbarung kann möglich sein. Diese Vereinbarung, die zwischen dem Pflegenden und dem Gepflegten geschlossen wird, regelt, dass die Pflegschaft entgeltlich erfolgt. Des Weiteren kann geregelt werden, dass der Anspruch erst mit dem Tod fällig wird. Demnach entstehen dem Gepflegten keine Kosten vor seinem Tod.
Mit einer solchen Vereinbarung wird eine normale Nachlassforderung begründet, welche bei Erbfall erst beglichen werden muss, bevor die Erbmasse auseinandergesetzt wird.


[1] Michalski, § 6 V 137; § 17 Rn. 534.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Erbrecht für Unternehmer“ von Harald Brennecke, Rechtsanwalt, und Wolfgang Theissen, Rechtsanwalt, und Julia Külzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-94-6.


Kontakt: brennecke@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Über die Autoren:

Harald Brennecke, Rechtsanwalt

Portrait Harald-Brennecke

Harald Brennecke ist seit 1997 mit erbrechtlichen Mandaten befasst.
Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht berät er insbesondere bei der Gestaltung von Unternehmertestamenten, der Übertragung von Unternehmensanteilen und der Ausarbeitung von Unternehmererbverträgen im Hinblick auf die Sicherung der Unternehmensnachfolge. Als Fachanwalt für Insolvenzrecht berät er Erben und potenzielle Erben bei überschuldetem Nachlass in Bezug auf Erbausschlagung, Dürftigkeitseinreden und der Beantragung und Begleitung bei Nachlassinsolvenzverfahren.
Er berät weiterhin bei der Erstellung von Testamenten und der Gestaltung von Vermögensübergängen, insbesondere aus erbschaftssteuerlicher Sicht und der Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften. Er berät bei Pflichtteilsansprüchen, Vermächtnissen sowie bei Fragen der Vorerbschaft und Nacherbschaft. Er begleitet Erben bei der Beantragung von Erbscheinen und der Abwicklung der Erbschaft.

Harald Brennecke hat im Erbrecht veröffentlicht:

  • "Erbrecht – Eine Einführung“ von Harald Brennecke und Dr. Maren Augustin, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-17-5
  • „Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuerrecht: Das Recht der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Möglichkeiten zur Verringerung der Steuerbelastung bei Erbschaften und Schenkungen“, Verlag Mittelstand und Recht, ISBN 978-3-939384-16-8

Bereits 1999 war er Experte für Erbrecht in einer Serie von Live-Fernsehsendungen.
Rechtsanwalt Brennecke ist Dozent für Erbrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.

Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Erbrecht für Steuerberater – Grundlagen des Erbrechts als Basis erbschaftssteuerrechtlicher Beratung
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  • Unternehmensnachfolge erfolgreich gestalten
  • Erbschaftssteueroptimierte Vermögensübertragung

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