Aufhebungsvertrag - Teil 14 - Hinweis- und Aufklärungspflichten

5 Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers

Beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages können besondere Hinweis- und Aufklärungspflichten für den Arbeitgeber entstehen.

5.1 Grundsatz

Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden von der Rechtsordnung grundsätzlich als zwei freie selbstbestimmte Rechtssubjekte angesehen, die aufgrund der Vertragsfreiheit als Ausfluss der Privatautonomie beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages miteinander kontrahieren, ohne dass gegenseitige Hinweis- oder Aufklärungspflichten bestehen. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer sich selbst Klarheit über die mit einem Aufhebungsvertrag verbundenen Rechtsfolgen verschaffen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer ausgeht. Zu beachten ist jedoch, dass Auskünfte, die ein Arbeitgeber dem Arbeitnehmer freiwillig erteilt, richtig, eindeutig und vollständig sein müssen (Fußnote).

5.2 Ausnahmen

Ausnahmsweise kann der Arbeitgeber Hinweis- und Aufklärungspflichten unterliegen:
Beim Vorliegen besonderer Umstände können sich im Einzelfall Hinweis- und Aufklärungspflichten des Arbeitgebers aus seiner Fürsorgepflicht beziehungsweise aus Treu und Glauben (Fußnote) ergeben. Die Hinweis- und Aufklärungspflichten sind Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung.

Folgende Beispiele sind anerkannt:

  • Wenn die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer ausgeht, sollen den Arbeitgebers Hinweis- und Aufklärungspflichten nur bei einem außergewöhnlichen Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls treffen können, vgl. § 242 BGB (Fußnote).
  • Aus einer Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Billigkeitsgesichtspunkten und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ergibt sich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer darüber unterrichten muss, welche Rechtsfolgen der Aufhebungsvertrag auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Der Arbeitgeber genügt seiner Hinweispflicht bei einem Aufhebungsvertrag auf Initiative des Arbeitnehmers mit dem Verweis darauf, dass mit einer Sperrzeit gem. § 159 I SGB III mit einer von der Agentur für Arbeit festgesetzten Dauer gerechnet werden muss. (Fußnote)
  • Der Arbeitgeber erweckt bei einem auf seine Initiative hin im Raum stehenden Aufhebungsvertrag den Eindruck, er würde die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen atypischen (Fußnote)Risiken aussetzen (Fußnote).
  • Bei einem Aufhebungsvertrag auf Initiative des Arbeitgebers kann der Arbeitgeber erkennen, dass der Arbeitnehmer ahnungslos und offenkundig auf die Sachkunde einer professionellen Personalabteilung vertraut (Fußnote).
  • Gem. § 2 II 2 Nr. 3 SGB III soll der Arbeitgeber den Arbeitnehmer frühzeitig vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 bei der Agentur für Arbeit zu informieren.

5.3 Folgen bei Nichteinhaltung einer Hinweis- oder Aufklärungspflicht und Vermeidung

Die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags wird von dem Pflichtverstoß des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt.

5.3.1 Folgen bei Nichteinhaltung einer Hinweis- oder Aufklärungspflicht

Die Folge einer zu vertretenden (Fußnote) Nichteinhaltung einer Hinweis- oder Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei Vertragsschluss des Aufhebungsvertrags ist ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I 1, 241 II BGB. Der erforderliche Pflichtverstoß liegt in der Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht durch den Arbeitgeber. Der Schadensersatzanspruch ist immer nur auf Geldersatz gerichtet. Es ist dem Arbeitnehmer nicht möglich, im Wege der Naturalrestitution (Fußnote) den Wiedereintritt ins Arbeitsverhältnis zu verlangen. Gleiches gilt auch für freiwillige Auskünfte des Arbeitgebers, die unrichtig, unvollständig oder missverständlich erteilt wurden (Fußnote).

Ein Verstoß gegen § 2 II 2 Nr. 3 SGB III führt nicht zu einem Schadensersatzanspruch (Fußnote). Um Risiken für den Fall einer theoretisch stets denkbaren Rechtsprechungsänderung zu vermeiden, sollte ein entsprechender Hinweis dennoch erfolgen.

5.3.2 Vermeidung der Folgen bei Nichteinhaltung einer Hinweis- oder Aufklärungspflicht

Eine erste Möglichkeit zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers aufgrund von fehlerhafter oder unterlassener erforderlicher Unterrichtung durch den Arbeitgeber beim Abschluss des Aufhebungsvertrages ist es, mögliche Hinweis- oder Aufklärungspflichten vertraglich abzubedingen.

Beispiel:
Im Aufhebungsvertrag findet sich folgende Klausel:
"Der Arbeitnehmer verzichtet auf Hinweise und Aufklärung durch den Arbeitgeber darüber, welche Konsequenzen für ihn mit dem Aufhebungsvertrag verbunden sein können."

  • Wenn der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag mit einer solchen Klausel unterzeichnet, kann er später nicht geltend machen, der Arbeitgeber habe eine Hinweis- oder Aufklärungspflicht verletzt. Eine solche Pflicht bestand dann gar nicht.
  • Die Klausel ist jedoch arbeitnehmerunfreundlich, so dass fraglich ist, ob sie einer gerichtlichen Prüfung standhalten wird.

Eine weitere Möglichkeit für den Arbeitgeber, Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Folgen des Aufhebungsvertrags zu vermeiden, ist es, seine Hinweis- und Aufklärungspflichten als erfüllt anerkennen zu lassen.

Beispiel:
Der Aufhebungsvertrag enthält folgende Klausel:
"Der Arbeitnehmer wurde auf ein mögliches Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld und die Möglichkeit des Eintritts einer Sperrfrist iSd § 159 SGB III sowie auf den möglichen Verlust einer Versorgungsanwartschaft hingewiesen."

  • Konsequenz dieser Klausel ist eine Beweislastumkehr im Gerichtsprozess: Nun muss nicht mehr der Arbeitgeber beweisen, dass er möglicherweise bestehenden Hinweis- und Aufklärungspflichten nachgekommen ist (Fußnote), sondern der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der Hinweis- und Aufklärungspflichten.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


Kontakt: Dibbelt@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2019


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Monika Dibbelt, Rechtsanwältin

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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
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  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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