Aufhebungsvertrag - Teil 12 - Bedingte Aufhebungsverträge

4.3.5 Bedingte Aufhebungsverträge

Wie bei jedem Vertrag ist es auch beim Aufhebungsvertrag zulässig, eine Bedingung i.S.d § 158 BGB zu vereinbaren. Diese unterscheidet sich von der Befristung gem. § 163 BGB dadurch, dass es auf den Eintritt eines ungewissen Ereignisses ankommt. In § 158 I BGB ist das Wirksamkeitshindernis der aufschiebenden Bedingung geregelt, während § 158 II BGB mit der auflösenden Bedingung dogmatisch einen Erlöschensgrund enthält. Bei einer aufschiebenden Bedingung tritt die Wirkung des Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein, § 158 I BGB. Eine auflösende Bedingung sorgt dafür, dass das bis dahin seine Rechtswirkung entfaltende Rechtsgeschäft seine Wirkung mit Eintritt der Bedingung verliert und der frühere Rechtszustand wieder eintritt, § 158 II BGB. Die Begriffe "aufschiebend" und "auflösend" können bei bedingten Aufhebungsverträgen mitunter Verwirrung stiften, weil sich im Ergebnis die gleichen Rechtsfolgen ergeben können - so endet das Arbeitsverhältnis beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses entweder, weil der Arbeitsvertrag unter einer auflösenden Bedingung stand oder weil ein aufschiebend bedingter Aufhebungsvertrag seine Wirkung entfaltet.

Nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht jeder Aufhebungsvertrag grundsätzlich unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortbesteht. Das ist praktisch sehr relevant, weil der Aufhebungsvertrag deshalb im Fall einer wirksamen außerordentlichen Kündigung vor dem Auflösungszeitpunkt gegenstandslos wird 8BAG, Urteil vom 29.01.1997 - 2 AZR 292/96, NZA 1997, 8139. vereinbarte Abfindungen müssen dann nicht gezahlt werden.

Beispiel (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1997 - 2 AZR 292/96, NZA 1997, 8139.:
Arbeitgeber S will Personal abbauen. Mit interessierten Arbeitnehmern schließt er Aufhebungsverträge, in denen eine Abfindung vereinbart wird. Einer dieser Arbeitnehmer ist K. Nach Abschluss des Aufhebungsvertrags und vor dem darin vereinbarten Beendigungszeitpunkt stellt sich heraus, dass K sich ein erhebliches Fehlverhalten geleistet hat. Er hat die Unterschrift seines Vorgesetzten gefälscht und versucht, Arbeitsmaterial zu unterschlagen. S spricht daraufhin eine außerordentliche und hilfsweise eine ordentliche Kündigung gegenüber K aus. Hat K noch Anspruch auf die Abfindung?

  • Ein Anspruch auf Abfindung ergibt sich grundsätzlich aus dem Aufhebungsvertrag.
  • Der Aufhebungsvertrag steht laut Bundesarbeitsgericht jedoch (konkludent) unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 I BGB), dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Beendigungszeitpunkt fortbesteht.
  • Wenn die außerordentliche Kündigung des S Erfolg hat und das Arbeitsverhältnis noch vor dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Beendigungszeitpunkt endet, treten die Wirkungen des Aufhebungsvertrages nicht ein, vgl. § 158 I BGB. K hat dann keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aus dem Aufhebungsvertrag.

Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, kann eine Klausel in den Aufhebungsvertrag aufgenommen werden, die regelt, wie im Fall einer gleichzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag und (ordentliche) wirksame Kündigung zu verfahren ist. So kann es zur Grundlage des Aufhebungsvertrages (vgl. § 313 BGB) erhoben werden, dass keine weiteren Kündigungsgründe das Arbeitsverhältnis vor dem oder gleichzeitig mit dem Beendigungszeitpunkt im Aufhebungsvertrag bei Erfolg einer Klage auflösen würden. Bei Vereinbarung einer solchen ausdrücklichen Regelung wäre es möglich, den Aufhebungsvertrag anzupassen (§ 313 I BGB) oder von ihm zurückzutreten (§ 313 III 1 BGB), wenn ein Kündigungsgrund in einer solchen Weise neben den Aufhebungsvertrag tritt.

4.3.5.1 Aufschiebend bedingte Aufhebungsverträge

Die Zulässigkeit aufschiebend bedingter Aufhebungsverträge wird von den Gerichten von hohen Anforderungen abhängig gemacht, weil sie die gleichen Rechtswirkungen entfalten wie auflösend bedingte Arbeitsverträge. Aufschiebend bedingte Aufhebungsverträge, die rechtsmissbräuchlich geschlossen werden, um eine etwaige Kündigung zu vermeiden und so den Kündigungsschutz zu umgehen, sind unwirksam (s.o. Nichtigkeit gem. § 134 BGB). Die Gedanken des Kündigungsschutzrechts müssen übertragen werden. Daraus folgt, dass ein Aufhebungsvertrag dann wirksam ist, wenn die Bedingung als hypothetischer Kündigungsgrund eine Kündigung rechtfertigen würde (Sutschet in beckOGK, BGB § 620, Rn. 368). Anders liegt der Fall, wenn die Regelungen des zwingenden Kündigungsschutzes (noch) nicht greifen, weil zum Beispiel das Arbeitsverhältnis erst weniger als sechs Monate besteht, vgl. § 1 I KSchG. Dann ist der Aufhebungsvertrag grundsätzlich ohne weiteres wirksam. Auch die Rechtsgedanken des Teilzeit- und Befristungsrechts müssen übertragen werden, wenn ein Aufhebungsvertrag im Wesentlichen darauf abzielt, den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses bis zum Eintritt eines ungewissen Ereignisses zu regeln. Erforderlich ist dann ein sachlicher Grund iSd § 14 I TzBfG. Typisch für einen Aufhebungsvertrag ist, dass er in seinem Regelungsgehalt auf eine alsbaldige Beendigung der vertraglichen Beziehungen gerichtet ist (BAG, Urteil vom 23.11.2006 - 6 AZR 394/06, NJW 2007, 1831).

Ein aufschiebend bedingter Aufhebungsvertrag, der mit dem Inhalt geschlossen wird, dass das Arbeitsverhältnis ohne weiteres endet, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende seines Urlaubes nicht am vereinbarten Tag zur Arbeit zurückkehrt, ist nichtig gem. § 134 BGB. Durch ihn werden zwingende gesetzliche Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes sowie der Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB umgangen (BAG, Urteil vom 19. 12. 1974 - 2 AZR 565/73, NJW 1975, 1531). Unwirksam ist auch ein Aufhebungsvertrag, der regelt, dass das Arbeitsverhältnis automatisch endet, wenn der alkoholgefährdete Arbeitnehmer Alkohol trinkt. Die Vereinbarung ist ein unzulässiger Verzicht des Arbeitnehmers auf seinen potentiellen Kündigungsschutz (1 LAG München, Urteil vom 29.10.1987 - 4 Sa 783/87, BeckRS 1987 30463801). Gleiches gilt für einen Aufhebungsvertrag, der die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses unter die aufschiebende Bedingung der Erreichung einer bestimmten Zahl krankheitsbedingter Fehlstunden stellt. Zulässig ist es dagegen, den Arbeitsvertrag einer Schauspielerin, die für eine bestimmte Rolle in einer Fernsehserie engagiert wird, an die auflösende Bedingung zu knüpfen, dass das Arbeitsverhältnis endet, wenn die Serienfigur ausscheiden soll und diese Entscheidung auf der künstlerischen Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers beruht (BAG, Urteil vom 02.07.2003 - 7 AZR 612/02, NJW 2004, 2038).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


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Stand: Januar 2019


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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

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