Aufhebungsvertrag - Teil 09 - Schriftformgebot II

4.2.2 Normzweck und Folge bei Verstoß

Das Schriftformgebot dient im Wesentlichen folgenden Zwecken:

  • Warnfunktion: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen das Arbeitsverhältnis nicht leichthin beenden, sondern sich ernsthaft damit auseinandersetzen.
  • Beweisfunktion/ Inhaltsklarheit: Anders als bei einem mündlichen Vertrag kann bei einem schriftlichen Vertrag im Nachhinein genau festgestellt werden, was vereinbart wurde.
  • Erhöhung der Rechtssicherheit für Arbeitnehmer
  • Verfahrensbeschleunigung vor den Arbeitsgerichten durch vereinfachte Beweisführung

Das Schriftformerfordernis aus § 623 BGB hat konstitutive Wirkung. Wenn das Schriftformerfordernis nicht eingehalten wird, ist der Aufhebungsvertrag gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Eine Teilnichtigkeit gem. § 139 BGB entspricht regelmäßig nicht dem Willen der Vertragspartner und scheidet in der Regel aus, sofern nicht etwas vereinbart wurde. Aus der Nichtigkeit des Aufhebungsvertrags ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag nicht beendet wurde. Es ist nicht möglich, kollektiv- oder individualvertraglich zu vereinbaren, dass Schriftformgebot solle nicht gelten. Eine solche Vereinbarung entfaltet keine Wirkung. Es ist aber zulässig, strengere Formvorschriften zu vereinbaren. Falls bereits eine Abfindung an den Arbeitnehmer gezahlt wurde, kann der Arbeitgeber diese nach allgemeinen bereicherungsrechtlichen Grundsätzen zurückverlangen (vgl. § 812 I 1 Alt. 1 beziehungsweise § 812 I 2 Alt. 1 BGB).

4.2.3 Konkludente Aufhebungsverträge

Bis zum 1.5.2000 war problematisch, ob und wann Aufhebungsverträge konkludent, also stillschweigend ohne ausdrückliche Angebots- und Annahmeerklärungen zustande kommen können. Dann wurde das Schriftformerfordernis gem. § 623 BGB eingeführt. Die Problematik erübrigt sich damit weitestgehend. Konkludente Aufhebungsverträge sind in der Regel nicht schriftlich verfasst und damit ohnehin nichtig gem. § 125 BGB.

Ausnahmsweise kann der Aufhebungsvertrag doch wirksam konkludent geschlossen werden, wenn der Schriftform durch eine Andeutung in einem (anderen) Vertragstext Genüge getan wird (Vgl. BAG, Urteil vom 08.06.2000 - 2 AZR 207/99, NJW 2000, 3732). Nach der sogenannten "Andeutungstheorie" ist die Schriftform auch dann gewahrt, wenn der sich nach Auslegung ergebende Parteiwille in der vorgeschriebenen Form zum Ausdruck gekommen ist (BGH, Urteil vom 12.07.1996 - V ZR 202/95, NJW 1996, 2792). Es reicht zur Wahrung der Schriftform aus, dass der Wille der Parteien nur unvollkommen oder versteckt in der richtigen Form zum Ausdruck kommt. Maßgeblich ist, dass er im Urkundentext zumindest andeutungsweise seinen Niederschlag gefunden hat.

Falls der der Wille, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, nicht in einem Vertragstext angedeutet ist, kann ein konkludenter Aufhebungsvertrag auch in Fällen zustande kommen, in denen die Berufung auf §§ 125 S. 1, 623 BGB wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) ausscheidet. Ein solches Verbot ist jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen.

Beispiel (vgl. Bauer/Krieger/Arnold, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 9. Auflage 2014, A 26):
Arbeitgeber N und Arbeitnehmer K einigen sich mündlich darauf, das Arbeitsverhältnis des K zum Ende des Jahres zu beenden. K soll eine Abfindung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern erhalten. Im neuen Jahr erscheint K wie vereinbart nicht mehr zur Arbeit. Als K im Frühling immer noch keine Abfindung von N erhalten hat und ihn auf Zahlung verklagt, entgegnet N, der Aufhebungsvertrag sei nichtig, weil er nie schriftlich abgeschlossen worden sei.

  • Der Aufhebungsvertrag ist grundsätzlich nichtig gem. § 125 S. 1 BGB, weil die in § 623 BGB vorgeschriebene Form nicht eingehalten wurde.
  • Die Berufung des N auf die Nichtigkeit verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, vgl. § 242 BGB. Er hat sich mehrere Monate lang nicht darüber beschwert, dass K seit Beginn des neuen Jahres nicht mehr zur Arbeit erschienen ist. Deshalb kann er nun nicht die Zahlung der Abfindung verweigern.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Der Aufhebungsvertrag – Die einvernehmliche Trennung im Arbeitsverhältnis“ von Monika Dibbelt, Rechtsanwältin, und Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Carolina Erb erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2019, www.vmur.de, ISBN: 978-3-939384-89-2.


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Stand: Januar 2019


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Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
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Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

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