Preisabsprachen - Teil 19 - Vertikale Formen IV

5.2.8 Bestpreisklauseln

Bestpreisklauseln, die oft auch als Paritätsklauseln bezeichnet werden, sind eine Art der Meistbegünstigungsklauseln, die sich unter anderem auf den Wettbewerbsparameter „Preis“ beziehen. In der Praxis spielen Bestpreisklauseln auf Internetplattformen, insbesondere in Verträgen zwischen Hotelportalen im Internet und Hotels, eine große Rolle. Mit einer Bestpreisklausel verpflichtet der Plattformbetreiber den Anbieter bzw. den Händler dazu, dass dieser der anderen Marktseite, wie zum Beispiel Endverbrauchern, auf seiner Plattform den jeweils günstigsten Preis bzw. die jeweils besten Konditionen anbietet.[1]

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung und Einordnung von Bestpreisklauseln gehen die Auffassungen der nationalen Wettbewerbsbehörden auseinander, sodass keine einheitliche Rechtsprechung besteht. Während das deutsche Bundeskartellamt einen besonders strengen Maßstab ansetzt und jegliche Arten der Bestpreisklauseln untersagt, lassen andere europäische Wettbewerbsbehörden in Schweden, Italien und Frankreich zumindest enge Bestpreisklauseln zu.[2] Eine gewisse Einigkeit herrscht trotzdem - alle Wettbewerbsbehörden haben bei Vereinbarungen, die eine Bestpreisklausel enthielten, ein Verfahren eingeleitet.[3]

Die fehlende Entscheidungspraxis der europäischen Kommission und die unterschiedlichen Auffassungen der europäischen Wettbewerbsbehörden erschweren die Einordnung der Bestpreisklauseln für die Unternehmen.

Grundsätzlich wird zwischen engen und weiten sowie echten und unechten Bestpreisklauseln differenziert.

Mit weiten Bestpreisklauseln schreibt der Plattformbetreiber dem Anbieter vor, dass er auf der Plattform keinen höheren Preis verlangen darf als innerhalb anderer Verkaufskanäle, insbesondere auf anderen Portalen oder im eigenen Direktvertrieb. Neben dem besten Preis verlangen die weiten Bestpreisklauseln typischerweise auch, dass das Angebot hinsichtlich aller anderen Konditionen mindestens gleich gut sein muss und dass alle Angebote auch auf der Plattform angeboten werden müssen. Im Ergebnis verpflichtet eine weite Bestpreisklausel den Anbieter auf der Plattform, den besten Preis und die besten Konditionen bezüglich aller anderen Buchungs- und Vertriebskanäle anzubieten und verbietet bezüglich dieser jegliche Besserstellung.[4]

Im Rahmen von engen Bestpreisklauseln verbietet der Plattformbetreiber den Anbietern, niedrigere Preise auf der Webseite des Anbieters anzubieten als auf der Plattform des Betreibers. Die Plattformbetreiber können den Anbietern nicht mehr verbieten, auf anderen Portalen zu niedrigeren Preisen anzubieten. Auch Emails und Treueprogramme mit nicht öffentlich kommunizierten Preisen dürfen nicht mehr beschränkt werden.[5] Bei engen Bestpreisklauseln erstreckt sich die Verpflichtung den besten Preis bzw. die besten Konditionen anzubieten nur auf einzelne Kanäle.
Bezüglich der Differenzierung zwischen echten und unechten Bestpreisklauseln kann auf die Erläuterung zu der Meistbegünstigungsklausel verwiesen werden.

Bei der Verwendung von Bestpreisklauseln im Rahmen von Internetplattformen liegt nicht nur ein Vertikal-, sondern auch ein Dreiecksverhältnis vor. In den meisten Fällen schließt der Plattformbetreiber mit dem Anbieter der Leistung einen Dienstvertrag über die Nutzung der Plattform gegen ein Entgelt, häufig in Form einer Provision. In diesem Rahmen wird auch die Bestpreisklausel vereinbart. Der Anbieter schließt mit seinen Abnehmern einen separaten Vertrag über die Dienstleistung oder die Ware. Das sind zunächst die beiden Vertikalverhältnisse. Die Bestpreisklausel bezieht sich nicht direkt auf das Vertikalverhältnis zwischen Plattformbetreiber und Anbieter, sondern auf den gegenüber dem Abnehmer angebotenen Preis. Damit hat die Bestpreisklausel einen drittbelasteten bzw. drittbegünstigenden Charakter, sodass zwischen allen Parteien auch ein Dreieckverhältnis vorliegt.[6]

Wettbewerbsbeschränkung
Bestpreisklauseln können sowohl einen wettbewerbsfördernden als auch einen wettbewerbsbeschränkenden Effekt haben. Hinsichtlich ihrer Wirkung auf den Wettbewerb muss nach der Art der Bestpreisklausel unterschieden werden. Grundsätzlich können die Anbieter ihre Preise frei festsetzen. Ihnen bleibt allerdings durch die Bestpreisklausel verwehrt, unterschiedliche Preise für verschiedene Absatzwege zu bestimmen, um auf die unterschiedlich hohen Vertriebskosten oder auf unterschiedlich starken Wettbewerbsdruck zu reagieren.[7]

Echte Bestpreisklauseln enthalten ein Besserstellungsverbot, welches eine rechtliche Bindung hinsichtlich der Preissetzung darstellt. Sie kann dem Trittbrettfahrerproblem entgegenwirken und verhindern, dass Plattformbetreiber im Internet ihre Qualität vermindern oder ihre Internetpräsenz ganz aufgeben. Da der Preis des Anbieters auf der Plattform des Betreibers nicht höher sein darf als auf anderen Vertriebskanälen, kommt es hier zu der Festsetzung eines Mindestpreises. Mindestpreisbindungen gelten im Kartellrecht als besonders schädlich (siehe dazu die Erläuterung zu Mindestpreisvereinbarungen Kapitel 5.2.2).[8]

Beispiel:
Der Hotelportalbetreiber H vereinbart mit dem Hotel B, dass dieses auf dem Hotelportal den jeweils niedrigsten Zimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die günstigsten Buchungs- und Stornierungskosten anbietet.

  • Die Bestpreisklausel des Portalbetreibers soll sicherstellen, dass kein anderes Hotelportal günstigere Konditionen anbieten kann.

Bei unechten Bestpreisklauseln kann der Anbieter seine Preise zwar frei bestimmen, aber aufgrund des Gleichstellungsgebot kann sich zumindest eine wirtschaftliche Bindung ergeben. Preisvorteile, die der Anbieter einzelnen Abnehmern gewährt, müssen zugleich auch dem Plattformbetreiber gewährt werden.[9]

Weiterhin können Bestpreisklauseln den Wettbewerb zwischen den konkurrierenden Plattformbetreibern untereinander verringern, indem sie den Wettbewerb um das niedrigste Entgelt, wie zum Beispiel die Provision, beschränken. Die anderen Plattformbetreiber werden keinen Anreiz haben, ihre Provisionen zu senken, da diese Maßnahme aufgrund der Bestpreisklausel nicht automatisch zu geringeren Endkundenpreisen führt und sie so nicht die niedrigsten Preise anbieten können. Umgekehrt kann der Plattformbetreiber mit einer Bestpreisklausel seine Provisionen erhöhen, ohne dass die Endkundenpreise auf seiner Plattform höher sind als auf anderen Plattformen. Sofern ein marktstarker Plattformbetreiber eine Bestpreisklausel verwendet, kann dadurch ein überhöhtes Provisionsniveau entstehen. Bestpreisklauseln können auch verhindern, dass neue Wettbewerber in den Markt eintreten und so den potentiellen Wettbewerb beschränken. Neu in den Markt eintretende Plattformbetreiber werden aufgrund der Bestpreisklausel den Abnehmern keine besseren Preise oder Konditionen durch niedrigere Provisionen oder innovativere Dienstleistungen anbieten können. Damit liegt nicht nur eine vertikale Wettbewerbsbeschränkung zwischen dem Plattformbetreiber und dem Anbieter, sondern auch eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung zwischen den Wettbewerbern vor.

Bestpreisklauseln haben somit das Potenzial beschränkend auf den Wettbewerb zu wirken, wobei immer der Einzelfall betrachtet werden muss. Sofern einzelne marktstarke oder eine Vielzahl von Marktteilnehmern eine Bestpreisklausel verwenden, ist das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung sehr wahrscheinlich. Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass unechte Bestpreisklauseln zumindest bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen darstellen.[10]

Freistellung
Sofern die Wettbewerbsbeschränkung durch das Vorliegen einer Bestpreisklausel festgestellt wird, besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit einer Freistellung.

Die Freistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV / § 2 Abs. 2 GWB i. V. m. Art. 2 Vertikal-GVO kann nur gewährt werden, wenn (1.) die Marktanteilsschwelle von 30 % nicht überschritten ist, (2.) es sich um eine vertikale Vereinbarung handelt und (3.) keine Kernbeschränkung vorliegt.

In Bezug auf die Bestpreisklauseln ist das Vorliegen einer vertikalen Vereinbarung anzunehmen, da die Plattformbetreiber und die Anbieter auf verschiedenen Wirtschaftsstufen tätig sind. Insgesamt werden Bestpreisklauseln auch nicht als Kernbeschränkungen im Sinne der Vertikal-GVO angesehen.[11] Bei der Beurteilung, ob die Vereinbarung einer Bestpreisklausel eine Kernbeschränkung i.S.v. Art. 4 Vertikal GVO darstellt, muss jedoch immer auch der Einzelfall berücksichtigt werden.

Die Einzelfreistellung einer Bestpreisklausel vom Kartellverbot ist nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 Abs. 1 GWB möglich, wenn sie

(1) zu einer Verbesserung der Warenverteilung führt,
(2) zur Erzielung von Effizienzvorteilen unerlässlich ist,
(3) die Verbraucher an den entstandenen Gewinnen angemessen beteiligt werden, und
(4) die Parteien nicht die Möglichkeit haben, für einen wesentlichen Teil des Marktes den Wettbewerb auszuschalten.

Die Verhinderung des Trittbrettfahrerproblems könnte zu einer Verbesserung der Warenverteilung führen. Allerdings kann dieses Problem durch weniger wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen genauso gut beseitigt werden, zum Beispiel indem die Nutzung der Plattform durch eine Servicegebu?hr finanziert wird. Eine Unerlässlichkeit der Beschränkung im Sinne des Art. 101 Abs. 3 lit. a AEUV liegt dann nicht vor.[12]

Für die Plattformbetreiber wird der Nachweis, dass die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung vorliegen, sehr schwierig sein. In der Praxis hat das Bundeskartellamt eine Einzelfreistellung bei Bestpreisklauseln bisher verneint.[13]


[1] Bundeskartellamt, Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie - Tagung des Arbeitskreises Kartellrecht vom 10. Oktober 2013, S. 26.

[2] Kommission, Daily News vom 21.04. 2015, „Antitrust: Swedish, French and Italian competition authorities obtain commitments in online hotel booking sector“, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEX-15-4819_en.htm.

[3] Alfter/Hunold, WuW 2016, 526.

[4] Alfter/Hunold, WuW 2016, 526.

[5] Alfter/Hunold, WuW 2016, S. 526 f.

[6] Böni/Wassmer, EWS 2016, S. 241 f.

[7] Bundeskartellamt, Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie, S. 26.

[8] Tamke, WUW 2015, S. 596.

[9] Böni/Wassmer, EWS 2016, S. 241 f.

[10] Tamke, WUW 2015, S. 599.

[11] Tamke, WUW 2015, S. 501 f.

[12] Bundeskartellamt, Vertikale Beschränkungen in der Internetökonomie, S. 27.

[13] Tamke, WUW 2015, S. 603.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Preisabsprachen im Kartellrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Laura Macht, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-87-8.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

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Tilo Schindele ist Dozent für Kartellrecht bei der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Seminare und Vorträge unter anderem zu folgenden Themen an:

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