Preisabsprachen - Teil 18 - Vertikale Formen III

5.2.7 Meistbegünstigungsklausel

Unter der Meistbegünstigungsklausel versteht man Vereinbarungen, die eine Partei dazu verpflichten der anderen Partei der Vereinbarung mindestens genauso günstige Konditionen einzuräumen wie anderen Abnehmern.[1] Die Klausel findet man häufig in Einkaufsverträgen marktstarker oder marktbeherrschender Unternehmen und oftmals wird sie als Gegenleistung für die Alleinbezugsverpflichtung des Käufers vereinbart.[2] Überwiegend verpflichtet die Meistbegünstigungsklausel die Lieferanten und weniger die Abnehmer. Bezüglich des wettbewerbsbeschränkenden Charakters der Meistbegünstigungsklausel herrscht in der Praxis Uneinigkeit.[3] Das Vorliegen einer Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung ist denkbar, wenn Marktteilnehmer aufgrund einer Meistbegünstigungsklausel zu Gunsten eines marktstarken Unternehmens ihre Wettbewerbsstellung nicht verbessern können und potentiellen Wettbewerbern der Marktzutritt versperrt bleibt.[4] Sofern eine Spürbarkeit nicht bejaht werden kann, ist auch nicht davon auszugehen, dass die Meistbegünstigungsklausel unter den Verbotstatbestand von Art. 101 Abs. 1 AEUV oder § 1 GWB fällt.

Geht man davon aus, dass die Meistbegünstigungsklausel den Verbotstatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV oder § 1 GWB erfüllt, kann sie unter Umständen einer Freistellung unterliegen.

Eine Freistellung kommt nach § 2 Abs. 2 GWB i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO beziehungsweise Art. 4 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO in Betracht. Gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO sind alle preis- und konditionsbezogenen Wettbewerbsbeschränkungen freistellungsfähig, sofern sie sich nicht als Festpreis- oder Mindestpreisbindungen zu Lasten der Abnehmer darstellen. Meistbegünstigungsklauseln, die den Anbieter binden, sind danach freistellungsfähig, sofern sie auch die restlichen Freistellungsvoraussetzungen erfüllen.[5]

Grundsätzlich wird zwischen der echten und unechten Meistbegünstigungsklausel unterschieden.
Bei einer echten Meistbegünstigungsklausel wird dem verpflichteten Partei auferlegt, anderen Abnehmer höhere Preise zu berechnen als dem Vertragspartner. Das kann zu einer Einschränkung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit im Innenverhältnis führen und zu einer Beschränkung des Intrabrand-Preiswettbewerbs im Außenverhältnis, da faktisch ein Mindestpreis festgelegt wird.

Beispiel:
B ist Inhaber eines Geschäftes für Bekleidung und vereinbart mit seinem Hauptlieferanten, dem Textilhersteller T, dass dieser die Konkurrenten des B nicht zu besseren Preisen beliefern darf als ihn.

  • Durch die Vereinbarung zwischen B und T wird die Freiheit des T, seine Preise mit anderen Abnehmer autonom zu bestimmen, beschränkt. T ist dazu angehalten, bezüglich seiner weiteren Abnehmer den Preis für eine Ware nicht unter einen bestimmten Betrag anzusetzen. Das stellt eine Mindestpreisvereinbarung dar, die wie weiter oben bereits erläutert wurde, unter das Verbot des Kartellrechts gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV/§ 1 GWB fällt.
  • Die Klausel ist jedoch gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO freizustellen, da sich diese nicht zu Lasten des Abnehmers B, sondern zu Lasten des Lieferanten T auswirkt.

Bei einer unechten Meistbegünstigungsklausel wird eine Partei verpflichtet, bei der Gewährung von niedrigeren Preisen gegenüber anderen Abnehmer, diese auch dem Vertragspartner zu gewähren. Im Rahmen dieser Absprache wird die wettbewerbliche Handlungsfreiheit nicht unmittelbar beschränkt. Gleichwohl kommt es hier zu einer wirtschaftlichen Bindung, sodass auch hier eine Beschränkung des Intrabrand-Preiswettbewerbs besteht.


[1] Ellger in: Immenga/Mestmäcker, Art. 4 Vertikal-GVO Rn. 13.

[2] Bahr in: Langen/Bunte, Nach § 2 GWB Rn. 329.

[3] Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Auflage, S. 619, Rn. 187.

[4] Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht Band 2. GWB/Teil 1, S. 173, Rn. 268.

[5] Bechthold/Bosch/Brinker, Art. 4 VO 330/2010 Rn. 10.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Preisabsprachen im Kartellrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Laura Macht, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-87-8.


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Stand: Januar 2018


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