Arzthaftung - Teil 20 - Der Beweis

6 Der Beweis

Grundsätzlich gelten im Arzthaftungsprozess die allgemeinen Regelungen des BGB zur Beweislast, es gibt keine Sondervorschriften. Der Beweis ist meist deshalb von Nöten, weil der Sachverhalt unklar und die Tatsachen über die Ereignisse zwischen beiden Parteien umstritten sind. Zur Klärung wird beiden Parteien deshalb die Möglichkeit gewährt, ihre Sicht der Dinge darzustellen und mit ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zu beweisen. Im Zivilprozess sind dabei die Parteien dafür verantwortlich, welche Tatsachen entscheidungserheblich werden und welcher Beweis zu führen ist. Dabei muss jede Partei grundsätzlich für sie günstige Tatsachen beweisen und kann für sie ungünstige Tatsachen widerlegen (Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, S. 486). Diese Regelungen ergeben sich aus der Zivilprozessordnung aus dem Beibringungsgrundsatz gem. § 138 ZPO. Anders als im Strafrecht, wo der Amtsermittlungsgrundsatz herrscht, ist das Zivilgericht nicht für die Erforschung wahrer Sachverhalte zuständig, sondern arbeitet ausschließlich mit den von den Parteien vorgebrachten Darstellungen. Beweisberechtigt sind regelmäßig folgende Beweise:

  • Zeugenbeweis
  • Parteivernehmung
  • Urkundenbeweis
  • Sachverständigenbeweis

6.1 Beweis eines Behandlungsfehlers

Nach den allgemeinen Grundregeln des Beweisrechts aus dem Zivilprozess hat der Patient bei der Klage wegen eines Behandlungsfehlers dessen Vorliegen, dessen Ursächlichkeit für den geltend gemachten Schaden und das Verschulden des Schädigers (in bestimmten Punkten) zu beweisen.

6.2 Allgemeine Verschuldensvermutung

Grundsätzlich wird gem. § 280 Abs. 1 BGB das Verschulden des Schädigers vermutet. Dies wird allerdings im Arzthaftungsprozess abgelehnt, da aufgrund der Unberechenbarkeiten des menschlichen Körpers ein Ausbleiben des Heilungserfolges nicht auf ein Verschulden des Arztes schließen lassen darf. Deshalb stellt im Arzthaftungsrecht nicht der ausbleibende Heilungserfolg den Anknüpfungspunkt für die Verschuldensvermutung (und damit die Pflichtverletzung) dar, sondern das Vorliegen des Behandlungsfehlers. Diesen zu beweisen liegt in der Hand des Geschädigten. Gelingt ihm dies, ist damit der Beweis für eine objektive Pflichtverletzung (in Form des Behandlungsfehlers) erbracht. In der Praxis wird dadurch auf eine subjektive Pflichtverletzung geschlossen, also darauf, dass der Arzt den Behandlungsfehler auch zu verschulden hat. Es steht ihm offen, den Gegenbeweis anzutreten.

6.3 Die Beweislast

Aus den allgemeinen Grundsätzen der Schadenshaftung ergibt sich, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch im Einzelnen darzulegen und im Streitfall von der Person zu beweisen sind, die sich auf die für sie günstigen Voraussetzungen beruft (Gehrlein, Grundwissen Arzthaftungsrecht, S. 36). Für die Durchsetzung eines Anspruchs gegen den Arzt muss der Patient das Vorliegen eines Behandlungsvertrages, die fehlerhafte Behandlung, den daraus resultierenden Schaden und die Kausalität (den Ursachenzusammenhang) zwischen seinem (Gesundheits-) Schaden und der fehlerhaften Behandlung beweisen. Die Kausalität ist nur dann gegeben, wenn der Schaden nur durch die fehlerhafte Behandlung zustande gekommen ist und bei einer sachverständigen, dem medizinischen Standard entsprechenden Behandlung nicht eingetreten wäre. Aus den obigen Ausführungen zur Rechtsnatur des Behandlungsvertrages, aus dem der Behandelnde gerade keinen Erfolg, sondern eine ordnungsgemäße, sachverständige Behandlung schuldet, wird ersichtlich, dass nicht jeder negativ verlaufende Eingriff eine Pflichtverletzung des Arztes vermuten lassen darf (BGH NJW 1991, 1541). Bei korrekter Behandlung, die zu einem Schaden des Patienten geführt hat, ist dieser Ursachenzusammenhang danach zu verneinen. Die Beweislast gilt sowohl für vertragliche Ansprüche als auch für deliktische.

6.3.1 Beweislast für Behandlungsfehler

Im Grundsatz hat der Patient im Arzthaftungsprozess den Behandlungsfehler, den Ursachenzusammenhang und das Verschulden des Arztes nachzuweisen. Vereinfacht wird ihm diese Beweislast durch sein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen. Außerdem muss der Patient im Prozess nicht eine absolute und unumstößliche Gewissheit darlegen, sondern i.S.d. § 286 ZPO muss der Richter das Geschehen "Für-Wahr-Erachten" und damit "einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit [erlangen], der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen" (BGH NJW 1994, 801).

6.3.2 Beweislast für die Aufklärung

Grundsätzlich hat der Patient auch den Beweis der Kausalität zwischen unterlassener oder fehlerhafter Aufklärung und seinem Schaden zu führen (OLG Nürnberg VersR 2003, 1444). Es kommt allerdings darauf an, ob es sich bei dem Aufklärungsfehler um einen, der die Eingriffs- bzw. Risikoaufklärung betrifft handelt - dann trifft den Arzt die Beweislast- oder um einen Fall der sogenannten therapeutischen oder Sicherungsaufklärung - dann Beweislast des Patienten (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 685). Aus den Vorschriften der §§ 630 d und 630 e BGB ergibt sich die Beweislast des Arztes für seine dort formulierten Pflichten zur Einholung der Einwilligung des Patienten und zur Aufklärung über Risiken, die mit der geplanten Behandlung in Zusammenhang stehen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


Wir beraten Sie gerne persönlich, telefonisch oder per Mail. Sie können uns Ihr Anliegen samt den relevanten Unterlagen gerne unverbindlich als PDF zumailen, zufaxen oder per Post zusenden. Wir schauen diese durch und setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung, um Ihnen ein unverbindliches Angebot für ein Mandat zu unterbreiten. Ein Mandat kommt erst mit schriftlicher Mandatserteilung zustande.
Wir bitten um Ihr Verständnis: Wir können keine kostenlose Rechtsberatung erbringen.


Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
  • Die Ärztegesellschaft: Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft
  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
  • Vergütungsansprüche von Ärzten und Therapeuten

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Michael Kaiser unter:  
Mail: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Telefon: 0721-20396-28

 

 

 

Normen: § 280 Abs. 1 BGB, § 138 ZPO

Mehr Beiträge zum Thema finden Sie unter:

RechtsinfosArztrecht