Verkehrsordnungswidrigkeiten - Teil 20 - Atemalkoholtest, Blutentnahme

5.7.2.2 Atemalkoholtest

Atemalkoholtests sind immer freiwillig und können nicht erzwungen werden. Das bedeutet, es besteht seitens eines Autofahrers keinerlei Mitwirkungspflicht und man kann den Test verweigern. Jeder Fahrzeugführer hat einen Anspruch auf einen Bluttest.

Lässt man allerdings eine Atemalkoholmessung freiwillig zu und wird diese richtig durchgeführt, dann reicht dieses Ergebnis als Nachweis für die Alkoholkonzentration vor Gericht. Eine extra Blutprobe kann man dann nicht mehr verlangen. Außerdem kann der Nachweis der Alkoholkonzentration auch nicht durch die Bestimmung der Blutalkoholkonzentration in Frage gestellt werden, selbst wenn die nachfolgende Blutalkoholbestimmung ein günstigeres Ergebnis für den Betroffenen ergibt (OLG Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 27.09.2001, Az.: 1 Ss 212/01).

In der Praxis führen beim Atemalkoholtest oft folgende Dinge zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses:

  • Testgeräte sind nicht geeicht:

Standardisierte Messgeräte zur Atemalkoholkontrolle müssen immer halbjährlich geeicht werden. Ist das versäumt worden, führt dies zu einer Unverwertbarkeit des Messergebnisses und damit zu einem Beweiserhebungsverbot. Ob eine solche Eichfrist überschritten wurde, kann ein Anwalt durch Akteneinsicht feststellen.

  • Keine Wartezeit zwischen Test und Alkoholfahrt:

Bevor der Atemalkoholtest durchgeführt werden kann, ist eine Wartezeit zwischen 10 und 20 Minuten einzuhalten. Dass bedeutet, dass die Atemalkoholkonzentration erst nach einer gewissen Wartezeit, nach der Autofahrt unter Alkoholeinfluss gemessen werden darf. In der Zwischenzeit darf der Fahrzeugführer keinerlei Getränke oder Nahrung zu sich nehmen. Das Nichteinhalten der Wartezeit kann zu Unverwertbarkeit des Messergebnisses führen. Allerdings herrscht hier bisher Uneinigkeit bei den verschiedenen Gerichten: In der Rechtsprechung wird von einigen Gerichten ein Verwertungsverbot des Messergebnisses angenommen, wohingegen andere die Notwendigkeit der Wartezeit davon abhängig machen wie hoch die gemessene Atemalkoholkonzentration ist.

  • Es wird nur ein Test gemacht:

Damit der Atemalkoholwert als Beweis verwertbar ist, müssen mindestens zwei Atemalkoholtests mit einem maximalen zeitlichen Abstand von 5 Minuten gemacht werden und die Ergebnisse müssen sehr ähnlich sein. Ein einzelnes Ergebnis reicht nicht als Nachweis der Alkoholkonzentration vor Gericht und ist nicht verwertbar.

5.7.2.3 Blutentnahme

Für die Ermittlung der Blutalkoholkonzentration muss eine Blutprobe entnommen werden. So etwas darf die Polizei oder die Staatsanwaltschaft aber nicht allein anordnen. Die Anordnung der Blutentnahme muss grundsätzlich ein Richter vornehmen, § 81 a Abs. 2 StPO. Das wird rechtlich als der sogenannte Richtervorbehalt bezeichnet.

Dazu gibt es zwei Ausnahmen, bei denen die Staatsanwaltschaft und Polizei berechtigt sind, eine Blutentnahme anzuordnen.

Das ist zum einen der Fall, wenn sogenannte "Gefahr im Verzug" besteht: Das bedeutet, der Untersuchungserfolg ist durch die vorherige Einholung einer richterlichen Anordnung gefährdet und die richterliche Anordnung kann zum Tatzeitpunkt nicht erwirkt werden. Wenn also zum Beispiel kein Richter erreichbar ist und zu befürchten ist, dass der exakte Blutalkoholwert für den Tatzeitpunkt bei einer späteren Blutentnahme durch richterliche Anordnung nicht mehr ermittelt werden kann. Dann darf ausnahmsweise der Polizeibeamte selbst die Blutentnahme anordnen.

Zum anderen ist die richterliche Anordnung entbehrlich, wenn man als Betroffener in die Blutentnahme einwilligt und diese freiwillig macht. Vorausgesetzt ist allerdings, dass die Einwilligung ausdrücklich und eindeutig ist. Dabei muss der Beschuldigte in der Regel auch über sein Weigerungsrecht belehrt werden (OLG Karlsruhe, 07.05.2004, Az.: 2 Ws 77/04; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.04.2013, Az.: (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13).

Der Verstoß gegen die Regelung, dass nur ein Richter die Blutentnahme anordnen darf, kann zur Folge haben, dass das Testergebnis nicht als Beweis gegen den Betroffenen verwertet werden darf. Ein typischer Fall, bei dem die polizeiliche Anordnung zu einem Verwertungsverbot führt, liegt zum Beispiel dann vor, wenn mit der Anordnung der Blutentnahme wegen "Gefahr im Verzug" der Richtervorbehalt umgangen werden soll (OLG Bamberg, Beschluss vom 26.06.2013, Az.: 2 Ss OWi 1505/12).

Beispiel
Der Autofahrer A kommt von einer Firmenfeier und ist stark alkoholisiert. Er fährt in diesem Zustand mit seinem Fahrzeug auf einer Bundesstraße und gerät in eine Verkehrskontrolle. Die Polizeibeamten bemerken sofort den Atemalkoholgeruch und bitten um einen Atemalkoholtest. A verweigert den Test. Daraufhin erklären die Polizeibeamten, A dass er aufgrund der Verweigerung zu einer Blutentnahme ins Krankenhaus müsse. Auch das verweigert A. Die Beamten weisen A darauf hin, dass er die Blutentnahme nicht verweigern kann, er sofort mitkommen müsse und dies eine polizeiliche Anordnung sei. Die Polizeibeamte erklären wortwörtlich, "da es bereits 3.00 Uhr nachts ist, besteht Gefahr in Verzug, das ist langjährige Praxis". Um 3:30 Uhr wird dann von A im Krankenhaus Blut entnommen.
Tatsächlich haben die Beamten allerdings nicht einmal versucht einen Amtsrichter zu erreichen, obwohl im diesem Amtsgerichtsbezirk immer ein Richter 24 Stunden Bereitschaftsdienst hat.

  • Die Anordnung der Polizeibeamten zur Blutentnahme war nicht zulässig und etwaige Blutergebnisse des A aus dieser Blutentnahme sind nicht verwertbar, um den Vorwurf der Alkoholfahrt zu beweisen. Es wurde gegen den Richtervorbehalt verstoßen, da keine „Gefahr im Verzug“ vorlag. Die Entnahme einer Blutprobe „entsprechend der langjährigen Praxis“ an, ohne einen Richter kontaktiert zu haben, ist eine so grobe Verkennung der Eilzuständigkeit, dass das zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes führt (OLG Hamm, Beschluss vom 12. März 2009, Az.: 3 Ss 31/09)


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Ordnungswidrigkeiten im Verkehr“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Kristin Nözel, Volljuristin Dipl. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-84-7.


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Stand: Januar 2018


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