Arzthaftung - Teil 18 - Kausalität, Beweislastumkehr, grobe Behandlungsfehler

5.3 Haftungsausfüllende Kausalität

Die Kausalität wird in die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität unterschieden. Haftungsbegründend ist dabei der Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Schädigers und der Verletzung der Rechtsgüter des Geschädigten. Als haftungsausfüllend bezeichnet wird dagegen der Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Schädigers und dem eingetretenen Schaden beim Geschädigten. Hat der Arzt zwar einen Behandlungsfehler begangen, der aber nicht zu einem Schaden beim Patienten geführt hat, fehlt es also an der haftungsausfüllenden Kausalität.
Der Patient muss den Ursachenzusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Verschulden des Arztes beweisen.

5.4 Generelle Beweislastumkehr bei Vorliegen eines „groben Behandlungsfehlers“

Die Beweislast für den groben Behandlungsfehler trifft den Patienten also nur so weit, wie es die Darlegung der Voraussetzungen betrifft. Die Qualifizierung des Behandlungsfehlers als "grob" liegt dann allerdings beim Gericht. Diese Qualifizierung ist durch das Gericht sachlich und nachvollziehbar zu begründen und dabei auf die Bewertung eines Sachverständigen zu stützen. Es handelt sich nur formal um eine rein juristische Bewertung, diese muss mit medizinischem Inhalt gefüllt werden muss. Das Gericht darf gerade nicht aus eigener Bewertung einen groben Behandlungsfehler bejahen (Martis/Winkhart, , S. 304).
Die Bewertung des Sachverständigen darf nicht nur allgemein sein, eine bloße Behandlung unterhalb des medizinischen Standards reicht nicht für die Begründung eines groben Behandlungsfehlers. Vielmehr muss der Sachverständige die vorliegenden Umstände im konkreten Einzelfall betrachten und dann mit allgemeinen Vorgaben und Regeln der Medizin abgleichen und beurteilen.

5.5 Fallgruppen eines groben Behandlungsfehlers

Regelmäßig liegen grobe Behandlungsfehler dann vor, wenn ein Arzt auf eindeutige Befunde nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst reagiert hat (OLG Celle, VersR 2002, 854 f.) oder wenn bekannte Risiken nicht durch die Verwendung von standardisierten Methoden vermieden wurden. Ein Behandlungsfehler kann dabei durch aktives Tun, durch Unterlassen oder auch durch die Häufung einfacher Behandlungsfehler im Rahmen einer zeitlich und fachlich zusammenhängenden Behandlung (OLG Celle, VersR 2002, 1558-1562) verwirklicht werden. Grobe Behandlungsfehler können in allen Stadien der ärztlichen Behandlung passieren, da dem Arzt jederzeit ein grober Fehler in seinem Handeln unterlaufen kann. Es lassen sich verschiedene bestimmbare Fallgruppen bezüglich des groben Behandlungsfehlers festlegen.

5.5.1 Grobe Diagnosefehler

Im ersten Stadium einer ärztlichen Behandlung findet regelmäßig die Feststellung einer Diagnose statt. Das bedeutet, dass der Arzt sich aus den vorgetragenen oder erhobenen Beschwerden und Befunden ein Gesamtbild macht und daraus eine Diagnose ableitet. Die Erhebung von Befunden ist damit schon Teil des Diagnoseverfahrens. Um eine fehlerhafte Diagnose als "grob fehlerhaft" zu qualifizieren, müssen hohe Maßstäbe angesetzt werden. Das bloße Verkennen oder Falschdeuten von Symptome kann nicht von Vornherein als grober Diagnosefehler gesehen werden.

Beispiel für einen groben Diagnosefehler

  • Das Nicht-Erkennen eines Leistenbruchs trotz Leistenschwellung und auffällig vielen Erythrozyten im Urin.
  • Die Falschdeutung einer Venenthrombose als Muskelkater.
  • Das Verkennen von Krankheitsbildern, trotz typischer Anzeichen, wie bspw. Brustschmerzen beim Herzinfarkt, Gelbfärbung der Haut bei Leberinsuffizienz.

Dieser hoch angesetzte Maßstab wird vor allem mit der Qualifizierung des Diagnosefehlers als grob begründet, die zu einer Beweislastumkehr führen kann. Zudem reagieren menschliche Organismen individuell verschieden, weshalb auch gleiche Symptome bei verschiedenen oder auch bei demselben Patienten unterschiedliche Diagnosen bedeuten können. Um den Arzt in seiner Arbeitsweise ausreichend zu schützen und eine ausführliche Diagnostik zu unterstützen, verlangt die Rechtsprechung hier deshalb diese hohen Anforderungen. Die Diagnose muss für die Bewertung eines solchen Behandlungsfehlers als "grob" fundamental fehlerhaft und völlig unvertretbar für einen Mediziner sein.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
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  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
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