Fahrverbote - Teil 16 - Führerscheintourismus

8.3 Fahrerlaubnis auf Probe

Eine Unsicherheit besteht noch nach dem positiven Ergebnis der MPU und der zumeist damit verbundenen Neuerteilung der Fahrerlaubnis, nämlich die "Probezeit". Eine solche Probezeit, welche bei Ersterwerb der Fahrerlaubnis für 2 Jahre auferlegt wird, gibt es nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht. Die Probezeit mit den verschärften "Strafen" ist nach Neuerteilung der Fahrerlaubnis nur anzuordnen, wenn der Betroffenen zuvor, als er noch im Besitze der Fahrerlaubnis war, noch in der Probezeit war. Die Probezeit nach der Neuerteilung darf allerdings nicht länger sein, als die restliche Probezeit zum Zeitpunkt des Verhaltens, welche später zur MPU führte.

9 Führerscheintourismus

Ähnlich wie der Punktehandel im FAER hat sich auch beim Entzug der Fahrerlaubnis in den letzten Jahren ein neuer "Weg" entwickelt, der sog. Führerscheintourismus. Führerscheintourismus beschreibt die Situation, in welcher dem Betroffenen in seinem Heimatland, beispielsweise Deutschland, die Fahrerlaubnis entzogen wurde und er in einem anderen Land eine neue Fahrerlaubnis erwirbt. In Grenzregionen Deutschlands zu Polen oder Tschechien sind diese Angebote geradezu "allgegenwärtig".

9.1 Nicht-EU-Land

Es besteht die Variante, dass der Betroffene, welcher seine Fahrerlaubnis in Deutschland verliert, in einem Nicht-EU-Land eine neue Fahrerlaubnis erwirbt. Diese Möglichkeit ist allerdings kaum praktisch umsetzbar. Eine Fahrerlaubnis im Urlaub in einem Nicht-EU-Land zu erwerben, ist (fast) unmöglich. Deutschland erkennt eine ausländische Fahrerlaubnis nur an, wenn der Betroffene mindestens 185 Tage in dem jeweiligen Land verbracht hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass der "Fremdstaat" es ermöglicht, eine Fahrerlaubnis in einer so kurzen Zeitspanne, wie die eines Urlaubs, zu erwerben, ist zusätzlich sehr gering. Des Weiteren reicht es nicht aus, sich für 185 Tage eine Wohnung o.ä. im Ausland zu sichern. Die 185 Tage muss der Betroffene seinen Lebensmittelpunkt in dem jeweiligen Fremdstaat gehabt haben. Diese Voraussetzung wird bei Zweifeln der Gerichte beispielsweise per Befragung der Nachbarn überprüft.

Vorsicht, auch wenn ein grundsätzlich regulärer ausländischer Führerschein vorgezeigt werden kann, gilt das Fahrverbot bzw. die Entziehung der Fahrerlaubnis in Deutschland. Der Betroffene würde sich also trotz dessen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar machen!

Sollte die 185-Tage Frist eingehalten sein und ein ausländischer Nicht-EU-Führerschein ausgestellt werden, gilt dieser für ein halbes Jahr in Deutschland bis er umgeschrieben werden muss.

9.2 EU-Land

Relevanter ist der Führerscheintourismus innerhalb der EU, da der EU-Führerschein in allen Staaten ohne weitere Maßnahmen anerkannt ist.

9.2.1 Wohnsitz

Der ordentliche Wohnsitz ist dort, wo jemand mindestens 185 Tage im Kalenderjahr wegen persönlicher und beruflicher Bindungen wohnt. Wenn es keine beruflichen Bindungen gibt, so müssen die persönlichen Bindungen eine enge Beziehung zum Wohnort erkennen lassen.
(vgl. Art. 9 Richtlinie 91/439/EWG)

In dem Fall des Fahrerlaubniserwerbs im EU-Ausland gilt ebenso die 185-Tage Frist. Die EU hat weiterhin vorgegeben, dass der Betroffene für den Erwerb einer Fahrerlaubnis im jeweiligen Mitgliedsstaat seinen ordentlichen Wohnsitz haben muss.

9.2.2 Sperrfrist, Führerscheinentzug und Fahrverbot

Die richterliche Sperrfrist, welche eine Neuerteilung einer Fahrerlaubnis verhindert, kann auch durch einen ausländischen Führerschein nicht umgegangen werden. Das Recht ein Kraftfahrzeug in Deutschland zu führen wird gerade durch die Sperrfrist verhindert.

Nach dem Ablauf der Sperrfrist kann die Fahrerlaubnis wieder erworben werden (siehe 5.2.4). Hier kommt der EU-Führerschein ins Spiel.

Somit wird ein ausländischer Führerschein auch anerkannt, wenn in Deutschland die Pflicht zur MPU auferlegt wurde.
Die kursierenden Angebote, nach welchen ein 4-Tageskurs in Polen ausreicht, um eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben, sollten, aufgrund der Wohnsitzregelung, nicht wahrgenommen werden. Sollte sich später ein Verstoß gegen die vom EuGH aufgestellten Grundvoraussetzungen ergeben, droht dem Betroffenen ein Strafverfahren wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (siehe 7.2).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Fahrverbote und Führerscheinentzug“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Maik Papiernick, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-85-4.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

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Rechtsanwalt Michael Kaiser berät auf den Gebieten des zivilen Verkehrsrechts (insbesondere bei Verkehrsunfällen) und im Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten und im Verkehrsstrafrecht.

Der besondere Schwerpunkt von Michael Kaiser liegt im Bereich der Fahrverbote und Führerscheinentzugsverfahren. Er vertritt Betroffene mit dem Ziel, den Führerscheinentzug zu vermeiden, sei es wegen Fehlern im Messverfahren, Fehlern der Beschilderung oder beruflichen Umständen, die den Führerscheinentzug zu einer besonderen Härte machen würden, so dass eine erhöhte Geldstrafe den Führerscheinentzug entfallen lassen kann.

Rechtsanwalt Kaiser ist seit vielen Jahren im gesamten Verkehrsrecht tätig. Er berät und vertritt bei Verkehrsunfällen und übernimmt alle notwendige Korrespondenz mit Versicherungen, Gutachtern, Zeugen und Polizei. Er macht nicht nur den Fahrzeugschaden für Sie geltend, sondern prüft alle denkbaren Ansprüche, vom Verdienstausfall über Schmerzensgeld und Schadensersatz bis zum Ersatz von Mietwagenkosten, Urlaubsverlust bis hin zum Wertverlust bei Fahrzeugen aufgrund von Reparaturen. Er prüft Versicherungsrückstufungen und verhandelt mit Versicherungen über angemessene Entschädigungen.

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  • Fahrverbot und Führerscheinentzug

Rechtsanwalt Kaiser ist Dozent für Verkehrsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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