Fahrverbote – Teil 11 – Strafverfahren

5.2.2.1 „Standard“voraussetzungen

Die Voraussetzung der Tat, die bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter der Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, hat schon im oberen Teil des Fahrverbotes (siehe 2.3.2) besondere Ausführungen erfahren, weshalb an dieser Stelle nur eine kurze wiederholende Erläuterung gegeben wird.
Ein Kraftfahrzeug führt, wer das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen lenkt.[1] Der Zusammenhang, welcher zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestehen muss, ist relativ weitläufig. Er besteht schon, wenn das Kraftfahrzeug für die Vorbereitung oder Durchführung der Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung oder Verdeckung dienlich ist.[2] Zur Feststellung der Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers muss sich der Angeklagte durch die Straftat als leichtsinniger oder pflichtvergessener Kraftfahrer erwiesen haben.[3]

5.2.2.2 Ungeeignetheit

Der wesentliche Unterschied zum Fahrverbot besteht in der feststellungsbedürftigen Ungeeignetheit des Fahrzeugführers. Die Ungeeignetheit des Fahrers kann aus körperlichen, geistigen oder charakterlichen Mängeln hervorgehen, welche aber zwingend aus der abzuurteilenden Tat und nicht aus weiteren äußeren Umständen geschlossen werden müssen.[4] Die angesprochen Eignungsmängel sind immer, aber gleichzeitig nur dann, anzunehmen, wenn "vom Angeklagten weitere Verletzungen der Kraftfahrerpflichten zu befürchten sind, also gerade aus der Belassung der Fahrerlaubnis Gefahren für den öffentlichen Straßenverkehr erwachsen".[5]
Die Feststellung der Ungeeignetheit des Fahrers ist, ähnlich wie beim Absehen vom Fahrverbot, nur mittels einer Gesamtabwägung aller, allerdings hier nur der Tat, Umstände möglich.
Bei der Begehung einer Regelstraftat (siehe 5.2.1) kann grundsätzlich von der Ungeeignetheit des Fahrers ausgegangen werden. Jedoch gibt es noch andere Fälle, in denen die Entziehung der Fahrerlaubnis verhängt werden kann. In diesen Fällen soll die Ungeeignetheit nur möglich sein, wenn aus der Tat ersichtlich ist, dass der Täter seine kriminellen Ziele über die Sicherheit im Straßenverkehr stellt. Der Bundesgerichtshof hat diese, kryptisch wirkende Voraussetzung angenommen, als der Täter eine Nötigung und einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gem. §§ 240, 315b StGB mit Hilfe eines Kraftfahrzeuges beging. Eine Ungeeignetheit erschließt sich jedoch nicht alleine aus der Maßgabe, dass ein Täter sein Opfer, an welcher er ein Sexualdelikt begehen will, mit dem Auto entführt.[6]
Eine, nur am Rande angesprochene, Variation der Gerichte ist es, sich bei dem Vorliegen von Indizien aus der Tat in Bezug auf die Ungeeignetheit, welche für oder gegen den Täter sprechen, doch einen Rückschluss auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters zu bilden um dadurch das Indiz zu be- oder entkräften.[7]

Aus den Voraussetzungen des Fahrverbotes sowie des Entzuges der Fahrerlaubnis wird klar, dass eine gewinnbringende Verteidigung ohne juristische Vorkenntnisse nahezu erfolglos ist. Die kryptischen Formulierungen und die schier endlose Weite der, von den Gerichten einbezogenen, Tatsachen, welche für oder gegen den Angeklagten/Betroffenen sprechen können, sind nahezu unüberblickbar.

5.2.3 Sperrfrist

Die, oben bereits kurz erwähnte, Sperrfrist von 6 Monaten bis 5 Jahren gem. § 69a StGB gilt für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Sie wird grundsätzlich neben der Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet. Es ist jedoch möglich, die Sperrfrist allein anzuordnen. Hat der Täter noch keine Fahrerlaubnis (entweder deutsche oder eines Vertragsstaates des EWR*) kann das Gericht eine "isolierte Sperrfrist" auf die Erteilung eines Führerscheines verhängen. Die Voraussetzung der Ungeeignetheit, welche in diesem Fall für den Täter vorliegen muss, wird im Zuge einer Gesamtabwägung der Täterpersönlichkeit durch das Gericht ermittelt.
Des Weiteren ist das erhöhte Mindestmaß für Wiederholungstäter zu beachten, welches die Sperrfrist für den Täter, gegen welchen in den letzten 3 Jahren schon eine Sperre verhängt wurde, auf mindestens ein Jahr erhöht gem. § 69a III StGB.
Der Beginn der Sperrfrist hängt von der Art ab, in welcher die Entscheidung ergeht. Bei einem Strafbefehl beginnt er mit dem Erlass des Strafbefehl. Bei einem erstinstanzlichen Urteil, ebenso wie beim Berufungsurteil ist der letzte Tag der Hauptverhandlung gleichzeitig der Beginn der Sperrfrist.

5.2.4 Wiedererteilung

Nach dem Ablauf der Sperrfrist ist, anders als beim Fahrverbot, die Fahrerlaubnis nicht automatisch wieder zu erteilen. Der Betroffenen muss zunächst einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stellen. Zumeist wird daraufhin eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU/"Idiotentest") angeordnet, um zu prüfen, ob der Betroffenen geeignet ist, eine Kraftfahrzeug zu führen (dazu 8.)
Sollte keine MPU abgelegt werden wollen bzw. sollte die MPU ein negatives Resultat aufweisen, ist die Verjährung die letzte Möglichkeit, eine Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Im Falle einer Straftat, welche den Entzug der Fahrerlaubnis zur Folge hat, beträgt die Verjährungsfrist 10 Jahre. Nach Ablauf der 10 Jahren kann dem Betroffenen die Tat, welche zur Sperre geführt hat, nicht mehr "vorgeworfen" werden.

5.2.5 Vorläufige Entziehung

Beachtlich für die Sperrfrist, die grundsätzliche Erteilung der Entziehung der Fahrerlaubnis und die Belastung des Betroffenen ist die vorläufige Entziehung. Eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis ist in § 111a StPO geregelt. Danach kann die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass die Voraussetzungen des § 69 StGB, also die Ungeeignetheit (siehe 5.2.2.2) sowie die "Standardvorrausetzungen" (siehe 5.2.2.1) vorliegen und aus diesem Grund die Fahrerlaubnis entzogen werden wird. Die "dringenden Gründe" sind gleichbedeutend mit den, in § 112 StPO verwendeten, "dringenden Tatverdacht". Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad dafür besteht, dass der Führerschein nach § 69 StGB entzogen wird.
Die vorläufige Entziehung kann gem. § 111a I S. 2 StPO bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausklammern. Dazu muss dargelegt werden, warum besondere Umstände vorliegen, dass der Zweck der vorläufigen Entziehung durch die Ausnahme bestimmter Kraftfahrzeugarten nicht gefährdet wird. Die Umstände müssen darauf hindeuten, dass eine Gefährdung der Allgemeinheit nicht gegeben ist. Dies ist möglich, wenn der zum Führen von Kfz an sich ungeeignete Beschuldigte nur bestimmte Fahrzeuge benutzt.[8]
Sollte die Fahrerlaubnis schon entzogen sein, stellt sich die Frage, ob gegen die Sicherstellung* bzw. die Entziehung* vorgegangen wird. In diesem Fall ist eine Verfahrensverzögerung für den Betroffenen eher hinderlich als förderlich, da die Sperrfrist erst beginnt, wenn eine rechtskräftige* Entscheidung ergangen ist. Des Weiteren könnte eine erfolglose Beschwerde die Entscheidung des späteren Gerichts negativ im Sinne der steigenden Wahrscheinlichkeit des Entzuges des Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB beeinflussen.
Im Falle des Vorgehens gegen den vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis ist, bei der Entziehung durch die Polizei aufgrund von "Gefahr im Verzug"* (§§ 98 I S. 1, 94 III StPO), zunächst eine richterliche Entscheidung gem. §§ 98 II S. 2, 111a IV StPO zu beantragen. Im Falle einer negativen richterlichen Entscheidung für den Betroffenen ist eine Beschwerde nach § 304 StPO möglich. Sollte eine richterliche Entscheidung schon vorliegen, also es keinen Entzug durch die Polizei aufgrund von "Gefahr im Verzug"* gegeben haben, kann sofort eine Beschwerde nach § 304 StPO eingelegt werden.
Im Falle des (noch) Verzichts auf das Vorgehen gegen den vorläufigen Entzug muss insbesondere auf die Aufhebung nach § 111a II StPO geachtet werden. Eine Aufhebung nach § 111a StPO ist anzuordnen, wenn der Grund der vorläufigen Entziehung weggefallen ist oder das Gericht in seiner Entscheidung die Fahrerlaubnis nicht entzieht. Der relevantere Punkt für die Verteidigung ist der Wegfall des Grundes der vorläufigen Entziehung. Im Weiteren sollen zwei Beispiele genannt werden, in welchen aufgrund des Wegfalls des Grundes die vorläufige Entziehung aufgehoben wurde. Der Wegfall des Grundes soll gegeben sein, wenn kein dringender Tatverdacht mehr besteht oder eine besonders lange Verfahrensdauer dazu führt, dass die Feststellung der mangelnden Eignung in der Hauptverhandlung nicht (mehr) wahrscheinlich ist, weshalb die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben werden muss.[9] Allerdings dürfte das wohl nur in Ausnahmefällen gelten.[10]


[1] LG Köln NZV 1990, 445f.

[2] BGH NStZ 2001, 477.

[3] OLG Düsseldorf VRS 68, 262.

[4] BGHSt 7, 173.

[5] BGHSt 50, 100.

[6] BGH NJW 2005, 2934.

[7] BGHSt 5, 176.

[8] LG Dessau zfs 98, 484.

[9] BayObLG NJW 1971, 206.

[10] LG Köln zfs 80, 124.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Fahrverbote und Führerscheinentzug“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Maik Papiernick, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-85-4.


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Stand: Januar 2018


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