Preisabsprachen – Teil 02 – Preisabsprachen

2.4 Warum ist das Kartellrecht für Unternehmen wichtig?

Obwohl das Kartellrecht einen recht engen Rahmen bezüglich der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Unternehmen vorgibt, bietet es auch Chancen für die Unternehmen. So können sie sich gegen kartellrechtlich unzulässige Handlungen ihrer Konkurrenten zur Wehr setzen, indem sie diese dem Bundeskartellamt anonym über ein Hinweisgebersystem melden. Darüber hinaus besteht für Kartellbeteiligte die Möglichkeit das Kronzeugenprogramm zu nutzen und straffrei aus dem Kartell herauszukommen, sofern sie sich als erste beim Bundeskartellamt melden und vollumfänglich mit diesem zusammenarbeiten. Dazu ist insbesondere die Mithilfe bei der Aufdeckung des Kartells nötig. Die Bonusregelung findet dabei sowohl auf natürliche Personen als auch auf Unternehmen Anwendung. Grundsätzlich werden bei Kartellrechtsverstößen Kooperationen mit der Kartellbehörde bußgeldmindernd berücksichtigt.[1]

2.5 Welche Sanktionen drohen bei einer Kartellrechtsverletzung?

Bei einer Kartellrechtsverletzung können sowohl zivilrechtliche Rechtsfolgen eintreten, als auch Sanktionen der Kartellrechtsbehörde erfolgen.

Zivilrechtliche Folgen können sein:

  • Nichtigkeit von Verträgen,
  • Schadensersatzansprüche,
  • Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche

Kartellbehördliche Sanktionen können sein:

  • Bußgeldverfahren mit Festsetzung eines Bußgeldes,
  • Zwangsgelder,
  • Verwaltungsrechtliche Sanktionen.

Auf die wichtigsten Sanktionsmöglichkeiten im Hinblick auf Preisabsprachen soll unter dem Ordnungspunkt 6 „Sanktionen und Rechtsfolgen für Preisabsprachen im Kartellrecht“ näher eingegangen werden.

3 Preisabsprachen

3.1 Was ist eine Preisabsprache?

Von einer Preisabsprache oder einem Preiskartell spricht man, wenn Unternehmen, die zueinander im Wettbewerb stehen, Informationen über Preise austauschen, die über das hinausgehen, was aus öffentlichen Quellen entnommen werden kann. Dazu zählen z.B. Absprachen über Höchst- und Mindestpreise, Rabatte, den Zeitpunkt der Preisänderung sowie Absprachen über Preisbestandteile.[2]

Grundsätzlich besteht zwischen den Wettbewerbern kein generelles Kommunikationsverbot. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für die Unternehmen unerlässlich, den Markt und die Wettbewerber im Auge zu behalten. Eine unabhängige und einseitige Markt- und Wettbewerbsbeobachtung ist daher im Kartellrecht zulässig, um auf die Preise der Konkurrenten reagieren zu können.[3]

3.2 Horizontale Preisabsprachen

Treffen zwei miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmen gleicher Marktstufe Absprachen über Preise, spricht man von einer horizontalen Wettbewerbsbeschränkung. Als Wettbewerber gelten dabei sowohl aktuelle, als auch potentielle, also zukünftige Konkurrenten. Gemäß der Europäischen Kommission sind auch Absprachen zwischen Unternehmen, die auf demselben Produktmarkt tätig sind, aber aufgrund der unterschiedlichen räumlichen Märkte nicht als aktuelle oder potentielle Wettbewerber gelten, als horizontal anzusehen.[4] Unter die horizontale Preisabsprache fallen unter anderem Bestpreisklauseln, identifizierte Preismeldeverfahren und Sternenverträge.

3.3 Vertikale Preisabsprachen

Als vertikale Preisabsprache werden Absprachen über Preise bezeichnet, die zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen der Produktions- und Vertriebskette stattfinden und bei denen eine Nachfrager-Anbieter Beziehung besteht. Dabei sind die vertikalen Preisabsprachen, im Vergleich zu den horizontalen, durch ihren wettbewerbsfördernden Effekt im sogenannten Inter-brand-Wettbewerb als weniger schädlich anzusehen.[5] Als vertikale Preisabsprachen werden insbesondere, Mindestpreis-, Festpreis-, und Konditionenbindungen der zweiten Hand angesehen.

4 Preisabsprachen als Kartellverbot gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV/§ 1 GWB

Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die Tatbestandsmerkmale von Art 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB erfolgen, welche anschließend im Einzelnen erläutert werden. Trotz des im Wesentlichen gleichlautenden Wortlauts von Art. 101 Abs. 1 AEUV und § 1 GWB, wird nachfolgend ergänzend zu der gemeinsamen Darstellung der Tatbestandsmerkmale auf besondere Aspekte und Unterschiede der beiden Normen eingegangen.

4.1 Überblick über die Tatbestandsmerkmale

Durch die 7. GWB-Novelle wurde der Wortlaut des § 1 GWB fast vollständig an den des Art. 101 Abs. 1 AEUV angeglichen, damit Wettbewerbsbeschränkungen sowohl im deutschen als auch im europäischen Recht nach einheitlichen Grundsätzen beurteilt werden.[6] § 1 GBW weicht lediglich im Tatbestandsmerkmal der Zwischenstaatlichkeit von Art. 101 Abs. 1 AEUV ab. Für die Erfüllung des deutschen Tatbestands ist es daher nicht erforderlich, dass die Wettbewerbsbeschränkung geeignet sein muss, den zwischenstaatlichen Handel zu beschränken (Zwischenstaatlichkeitsklausel). Damit findet § 1 GWB auch bei lokalen Sachverhalten, z.B. innerhalb einer Stadt oder eines Bundeslandes, Anwendung. Art. 101 Abs. 1 AEUV hat bei der Zwischenstaatlichkeit grundsätzlich Vorrang vor § 1 GWB.[7]

Tatbestandsmerkmale Art. 101 Abs. 1 AEUV:

  1. Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen
  2. Vereinbarungen von Unternehmen oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen
  3. Wettbewerbsbeschränkung (Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs)
  4. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung
  5. Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten (Zwischenstaatlichkeitsklausel)
  6. Keine Ausnahmen vom Kartellverbot z.B. nach Art. 101 Abs. 3 AEUV

Tatbestandsmerkmale § 1 GWB:

  1. Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen
  2. Vereinbarungen von Unternehmen oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen oder Aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen
  3. Wettbewerbsbeschränkung (Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs)
  4. Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung
  5. Keine Ausnahme vom Kartellverbot § 2 Abs. 1 GWB

[1] Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7. März 2006, S.1, Rn.1f.

[2] Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Leitfaden Kartellrecht, S. 11.

[3] Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Leitfaden Kartellrecht, S. 11.

[4] Europäische Kommission, Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, 2011/C 11/01, Rn. 1.

[5] Kling/Thomas, Kartellrecht, 2. Auflage, S. 82, Rn. 95.

[6] BT-Drucks. 15/3640, S. 21

[7] Nordemann in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, § 1 GWB, S. 1789, Rn. 23.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Preisabsprachen im Kartellrecht“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Laura Macht, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-87-8.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

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