Fahrverbote – Teil 09 – Gründe II

4.2.3 Späteres Verhalten

Grundsätzlich ist es denkbar, dass sich das Absehen vom Fahrverbot auch aus dem späteren Verhalten des Betroffenen, insbesondere aus der freiwilligen Teilnahme an Aufbauseminaren etc., ergibt. Jedoch reicht diese Teilnahme allein nicht aus, um das Absehen vom Fahrverbot zu begründen. Vielmehr muss die Teilnahme an einem Seminar einer von vielen Gründen sein, welche in einer Gesamtbetrachtung vom Richter zu einem Absehen vom Fahrverbot führen kann, wenn die Funktion des Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme entbehrlich ist.[1]
Die Tatsache, dass der Betroffene zwischen Verstoß und Urteil nicht mehr verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist, reicht nicht aus, um ein Absehen vom Fahrverbot zu rechtfertigen.[2]
Ein Absehen vom Fahrverbot allein durch das spätere Verhalten zu rechtfertigen erscheint schwierig, jedoch sollte nicht aus den Augen gelassen werden, dass es sich um Gesamtabwägungen handelt. Es kann also, in Zusammenspiel mit anderen Faktoren, durchaus von Gewicht sein, was zwischen dem Vergehen und dem Urteil geschieht.

4.2.4 Familiäre Betreuung

Neben den bereits genannten Gründen kann auch die familiäre Betreuung ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen. Für die Entscheidung über ein Absehen von einem Fahrverbot können diese Auswirkungen von Bedeutung sein, wenn die verstärkte Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit von Angehörigen oder anderen sehr nahe stehenden Dritten feststeht, außerdem keine sonstigen unentgeltlichen Betreuungspersonen aus der Familie vorhanden sind und die Einstellung einer professionellen Hilfe nicht zumutbar ist.[3]
Ein Betroffener, welcher die zulässige Höchstgeschwindigkeit in einem Maße überschritten hat, dass es ein Fahrverbot rechtfertigt, weil er sich um seine 89-jährige Oma kümmern (einkaufen und kochen) musste, wurde in einem Fall, welcher vom AG Mannheim entschieden wurde, vom Fahrverbot "befreit".[4]

4.2.5 Sonstige Gründe

Ein weiterer Grund für das Absehen vom Fahrverbot kann auch die körperliche Eingeschränktheit des Betroffenen sein. In einem solchen Fall verneinte der Richter allerdings das Absehen vom Fahrverbot, als der Betroffene, welcher auf Gehilfen angewiesen ist, einzig die Teilnahme an einem Aufbauseminar "vorzubringen" hatte.[5] Ebenso war bei einem älteren uneinsichtigen Betroffenen, welche seit 37 Jahren verkehrsrechtlich nicht auffällig geworden, aber zu 50% schwerbehindert und deshalb auf das Kraftfahrzeug angewiesen ist, ein Absehen vom Fahrverbot nicht erteilt worden, da er während des Fahrverbotes auf öffentliche Verkehrsmittel sowie Taxis zurückgreifen könne.[6]
Ein Absehen vom Fahrverbot wurde allerdings bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ausnahmsweise positiv festgestellt, als es sich bei der Betroffenen um eine ältere querschnittsgelähmte Rollstuhlfahrerin handelte, welche zwingend auf die Benutzung des Fahrzeuges angewiesen war.[7]
Der Irrtum des Betroffenen über die Bedeutung eines Verkehrsschildes bzw. die Bedeutung des Verkehrsschildes für ihn kann auch zu einem Absehen vom Fahrverbot führen. In dem Fall des Betroffenen, welcher seinen "Sprinter"* irrtümlicherweise für einen PKW statt einen LKW hält und sich deswegen nicht nach der geltenden Höchstgeschwindigkeit für LKW sondern der für PKW richtet, wurde ein Absehen vom Fahrverbot bejaht.[8]


[1] OLG Bamberg VRS 114, 379.

[2] OLG Koblenz VA 2003, 176.

[3] OLG Hamm NZV 2006, 664.

[4] AG Mannheim zfs 2004, 236.

[5] OLG Hamm Verkehrsrecht aktuell 2008, 194.

[6] OLG Hamm VRS 112, 282.

[7] OLG Frankfurt DAR 1995, 260.

[8] BayObLG NZV 2004, 263.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Fahrverbote und Führerscheinentzug“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Maik Papiernick, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-85-4.


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Stand: Januar 2018


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