Arzthaftung – Teil 08 – Verjährung

3.4 Verjährung der Ansprüche

Die Fristen der Verjährung bestimmen sich nach den allgemeinen Vorgaben des BGB aus den §§ 195, 199 BGB. Sie liegen sowohl für vertragliche als auch für deliktische Ansprüche bei 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch ist dann entstanden, wenn das schadensbegründende Ereignis eingetreten ist und der Patient daneben die Kenntnis über die Umstände erlangt hat, die den Anspruch begründen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn der Patient erkennen kann und muss, dass die Behandlung des Arztes nicht dem medizinischen Standard entsprochen hat (BGH, NJW 2001, 885). Dabei müssen dem Patienten nicht die Einzelheiten der Umstände, die den Anspruch begründen, bekannt sein, vielmehr ist die Kenntnis über den Umfang des Schadens und die Person des Schädigers ausreichend. Für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers genügt es allerdings nicht, dass der Patient bloße Kenntnis von der medizinischen Behandlung und ihrem negativen Ausgang hat. Es müssen für den Patienten konkrete Umstände auftreten, die ihn auch als medizinischen Laien auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Behandelnden und die darin liegende Ursächlichkeit für den Schaden des Patienten schließen lassen (BGH, NJW-RR 2010, 681, 682; Frahm/Nixdorf, Rn. 239). Im Fall von minderjährigen Patienten ist regelmäßig auf den Kenntnisstand der Eltern abzustellen, im Fall eines verstorbenen Patienten auf die Kenntnis der Rechtsnachfolger, wenn nicht schon der Patient selbst Kenntnis erlangt hatte.
Hinweise oder Erkenntnisse über die konkrete Durchführung der Behandlung ergeben sich regelmäßig aus der Einsicht in die Patientenunterlagen bzw. in die Krankenakte. Die sichere Kenntnis erlangt der nicht-sachkundige Patient in der Regel erst mit der Klärung durch das Sachverständigengutachten.
Schwierigkeiten bezüglich der Verjährung ergeben sich häufig dann, wenn die Patientenakte dem Patienten trotz Anforderung nicht oder nur unvollständig zugänglich gemacht wurde. Diese Dokumentationslücken schieben den Beginn der Verjährung dann so lange hinaus, wie sie die Kenntnis des Patienten von dem Behandlungsfehler verzögern.
Erlangt der Patient überhaupt keine Kenntnis, verjähren die Ansprüche mit dem Ablauf der Frist von 30 Jahren. Danach besteht keine Möglichkeit mehr, gegen den Arzt aufgrund eines Behandlungsfehlers vorzugehen.
Macht der Patient Ansprüche wegen eines Aufklärungsfehlers aufgrund einer gänzlich ausgebliebenen Aufklärung geltend, besteht eine Besonderheit. Hierbei wird darauf abgestellt, dass dem Patienten von Anfang an bekannt war, dass keine Aufklärung stattgefunden hat, weshalb keine erneute "Kenntnisnahme der Nichtaufklärung" verlangt werden kann. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der unterlassenen Aufklärung zu laufen.
Der Eintritt der Verjährung wird gem. § 203 S.1 BGB durch die Aufnahme von Verhandlungen gehemmt, also hinausgezögert oder ausgesetzt. Danach hält die Hemmung so lange an, wie zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die Umstände, auf denen sich der Anspruch begründen soll, geführt werden. Sie endet erst, wenn der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Davon darf jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Verhandlungen von einer Partei unmissverständlich für beendet erklärt worden sind. Allerdings muss die Verweigerung nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus dem "Einschlafen lassen" der Verhandlungen schlüssig ergeben (Weller/Budzikiewicz, MedR (2016) 34: 337-340). Dazu zählt auch, den Zeitpunkt verstreichen zu lassen, zu dem eine Antwort auf die letzte Äußerung der Gegenseite spätestens zu erwarten gewesen wäre (BGH, NJW 2009, 1806, 1807). Hierfür kann kein fester Zeitrahmen festgelegt werden, vielmehr ergibt dieser sich aus den Umständen der konkreten Verhandlungen, also beispielsweise, in welchem zeitlichen Abstand sich die Gegenäußerungen vorher bewegt haben, ob eine gutachterliche Stellungnahme abgewartet werden muss, etc.
Eine Hemmung, die durch den Antrag an eine Gutachterkommission oder Schlichtungsstelle ausgelöst wurde, endet dann, wenn durch dieselbe ein abschließender Bescheid ausgestellt wird. Die Verjährung kann gem. § 203 BGB frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung eintreten.
Den Eintritt der Hemmung im Prozess zu beweisen, obliegt dem Patienten. Kann er beweisen, dass aufgrund von Verhandlungen dieser Eintritt stattgefunden hat, muss der Arzt beweisen, dass und wann diese Hemmung wieder beendet wurde.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
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