Arzthaftung – Teil 06 – Schadensersatz und Schmerzensgeld

3 Schadensersatz und Schmerzensgeld

3.1 Umfang und Höhe von Schadensersatz und Schmerzensgeld

Muss der Arzt dem Patienten gegenüber haften, so kann der Patient zum einen Schmerzensgeldansprüche geltend machen, zum anderen Schadenersatz für den bei ihm eingetretenen Schaden geltend machen. Gem. § 249 BGB hat dabei der zum Schadenersatz Verpflichtete denjenigen Zustand wieder herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dieser Grundsatz nennt sich "Naturalrestitution". Im Rahmen der Arzthaftung ist die Wiederherstellung des Gesundheitszustandes, der ohne das schädigende Ereignis bestünde, kaum möglich. Außerdem ist dem Patienten eine weitere Behandlung durch den Arzt, der den Behandlungsfehler begangen hat, meist unzumutbar, sodass der Patient durch § 249 II BGB die Möglichkeit hat, die Summe, die zur Wiederherstellung des ohne den Behandlungsfehler bestehenden Zustandes aufzuwenden ist, in Geld vom Schädiger zu verlangen.
Werden Schadenersatzansprüche durch Dritte, zumeist die durch den Tod des Patienten geschädigten Angehörigen, geltend gemacht, ist zu beachten, dass dies nur in eingeschränktem Umfang möglich ist. § 844 BGB spricht den Hinterbliebenen beispielsweise ausdrücklich einen Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten zu, ansonsten sind Schäden von mittelbar geschädigten Dritten regelmäßig nicht erstattungsfähig.

3.2 Schadensersatz

Schadenersatzansprüche können für materielle Schäden geltend gemacht werden. Im Rahmen der ärztlichen Behandlung fallen hierunter insbesondere

  • Heilbehandlungskosten,
  • Aufwendungen für durch den Behandlungsfehler notwendig gewordene Pflegemaßnahmen,
  • Kosten, die direkt auf den Behandlungsfehler zurückzuführen sind und ohne diesen nicht entstanden wären.

Schadenersatzansprüche können im Personenschadensrecht, anders als im Sachschadensrecht, nicht als Fiktiv-Kosten geltend gemacht werden können. Das bedeutet, dass der Schadenersatz für Behandlungskosten, die durch eine "Korrekturbehandlung" entstehen, nur dann geltend gemacht werden kann, wenn diese Behandlung dann auch tatsächlich durchgeführt wird bzw. wenn die feste Absicht besteht, die Behandlung, für die Kosten geltend gemacht werden, durchführen zu lassen. Nötigenfalls ist durch den Anspruchsteller ein entsprechender Nachweis vorzubringen (Fußnote). Die Absicht ist dann zu verneinen, wenn der Patient eine Nachbehandlung nicht hat durchführen lassen, deren vorangegangene Fehlbehandlung mehr als zwei Jahre zurückliegt. Ein Gerichtsverfahren würde an dieser Stelle scheitern.
Zudem können Heilbehandlungskosten durch den Patienten nur dann ersetzt verlangt werden, wenn sie dem Patienten auch tatsächlich entstanden sind. Sind die Kosten der Heilbehandlung durch eine private oder gesetzliche Krankenversicherung übernommen worden, gehen insoweit die Ansprüche auf den Versicherer über.
Schadenersatzansprüche können für folgende Kosten entstehen durch:

  • Für die Fehlbehandlung anfallende Nachbehandlungskosten
  • Für die Fehlbehandlung entstandene Kosten, soweit sie dem Anspruchsteller entstanden und nicht auf den Versicherungsträger übergegangen sind
  • Gehaltsausfälle
  • Kosten für Aufwendungen, die durch die Fehlhandlung notwendig geworden sind (Fußnote)
  • Kosten für den Rechtsstreit

3.2.1 Schadensersatzansprüche Dritter

Verstirbt der Patient aufgrund des Behandlungsfehlers kann er, sofern er zunächst überlebt, eigene Ansprüche aus der Fehlbehandlung erwerben. Diese gehen mit seinem Tod auf seine Erben über.
Die Hinterbliebenen können dann geltend machen:

  • Die Beerdigungskosten aus § 844 BGB,
  • Die auf die Erben übergegangenen Ansprüche (Fußnote),
  • (Fußnote) Unterhaltsschäden, wenn der Verstorbene nach gesetzlichen Regelungen einem Dritten zum Unterhalt verpflichtet war,
  • Schockschäden.

3.2.2 Ersatzfähige Fallgruppen

Der Geschädigte kann seinen Schadensersatzanspruch in Geld geltend machen. Zu ersetzen sind dabei grundsätzlich die zur Heilung erforderlichen Kosten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Die Erforderlichkeit ist durch den geschädigten Patienten im Einzelnen darzulegen, soweit sie sich nicht sachlogisch ergibt. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, ob der Geschädigte diese Kosten auch dann auf sich genommen hätte, wenn er selbst für sie hätte eintreten müssen und nicht einen anderen hätte in Anspruch nehmen können (Fußnote). Dies dient der Einhaltung der gesetzlich bestimmten Schadensminderungspflicht. Diese geht allerdings nicht so weit, dass der Patient sich zur Entlastung des Schädigers anders oder in geringerem Umfang behandeln lassen müsste, als er es auf eigene Kosten getan hätte. Eine Schadensminderungspflicht besteht nur insoweit, dass der Patient keine Kosten für besonders teure, aber nicht nachgewiesen wirksame Behandlungsmethoden ersetzt verlangen kann. Dagegen ist allerdings eine besonders teure, aber nachweislich wirksame Heilmethode durchaus ersatzfähig, wenn medizinisch-wissenschaftlich betrachtet Erfolgsaussichten bestehen. Diese Ersatzfähigkeit kann sich auch auf Behandlungen im Ausland beziehen, wenn ein entsprechendes Angebot in Deutschland nicht besteht (Fußnote).
Zusätzlich ersatzfähig sind auch die Fahrtkosten, die durch eine erforderliche Nachbehandlung anfallen, wobei der Patient hier nicht verpflichtet werden kann, seinen wohnungsnächsten Arzt aufzusuchen. Sein Recht auf freie Arztwahl ist nur dahingehend eingeschränkt, dass ein vernünftiger Rahmen dabei nicht überschritten werden darf. Das heißt, für einen durchschnittlichen Menschen darf die Entscheidung nicht völlig unverhältnismäßig erscheinen, zu welchem Arzt der Patient fährt. Offensichtlich durch missbräuchliche Handlungen entstandene Kosten sind nicht ersatzfähig.

Beispiel zur Schadensminderungspflicht
Patient X lebt in Flensburg und hat durch eine Operation einen Gesundheitsschaden erlitten. Dieser macht eine Nachbehandlung durch einen Spezialisten notwendig. Geeignete Ärzte hierfür finden sich in Kiel und Hamburg. Der X lässt aber die Nachbehandlung ohne weitere Begründung durch einen nicht besser als die norddeutschen Ärzte qualifizierten Mediziner in München durchführen. Dem ursprünglich handelnden Arzt gegenüber macht er die Fahrtkosten geltend.

  • Die Kosten für die Fahrt nach München sind nicht ersatzfähig, wenn der X nicht verständliche und nachvollziehbare Gründe für die Behandlung des dort ansässigen Mediziners vorbringen kann. Die Fahrtkosten sowohl nach Kiel als auch nach Hamburg wären ersatzfähig, insofern hat der X die Wahlmöglichkeit.

Erforderlich und damit erstattungsfähig können auch die Kosten von Besuchen naher Angehöriger sein. Dazu müssen diese medizinisch notwendig und unvermeidbar sein. Dies wird insbesondere für die Fahrtkosten von Eltern eines minderjährigen Kindes sein, das sie im Krankenhaus besuchen. Medizinisch notwendig sind solche Besuche vor allem dann, wenn sie den Heilungsprozess im Sinne einer Verbesserung des aktuellen Gesundheitszustandes unterstützen sollen. Der bloße Zeitaufwand für diese Besuche, solange er nicht zu einem Verdienstausfall führt, ist nicht ersatzfähig.
Grundsätzlich ist die Erforderlichkeit sowie auch die Gebotenheit (Angemessenheit) einer Nachbehandlung und der durch sie entstehenden Kosten durch einen Gutachter festzustellen.

3.2.3 Schadensminderungspflicht

Grundsätzlich trifft den Geschädigten eine Schadensminderungspflicht. Diese muss sich allerdings immer in den Grenzen des zumutbaren bewegen und darf den Geschädigten nicht noch zusätzlich belasten. Insbesondere bezüglich des Erwerbsschadens ist der Verletzte angehalten, seine verbliebene Arbeitskraft zu nutzen. Darunter fällt auch, dass derjenige, der vor der Gesundheitsschädigung durch den Behandlungsfehler ganztags gearbeitet hat, dann eine Halbtagsstelle antreten soll, soweit ihm das gesundheitlich möglich ist, oder dass er eine anderweitige Tätigkeit aufnimmt, soweit ihm das gesundheitlich zuzumuten ist. Die Grenze des Zumutbaren ist einzelfallabhängig, der Patient ist allerdings zu einer Mitwirkung angehalten.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
  • Die Ärztegesellschaft: Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft
  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
  • Vergütungsansprüche von Ärzten und Therapeuten

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