Verkehrsordnungswidrigkeiten – Teil 03 – Ordnungswidrigkeitenverfahren

2.4 Abgrenzung zur Straftat im Straßenverkehr

Im Unterschied zur Verkehrsstraftat ist die Verkehrsordnungswidrigkeit das "geringere Übel". Verkehrsordnungswidrigkeiten sind zwar auch rechtswidrige Handlungen im Straßenverkehr, ihnen wird aber im Allgemeinen von der Rechtsordnung kein bedeutender krimineller Unrechtsgehalt zugeschrieben. Bei Straftaten handelt es sich dagegen immer um schwerere Verstöße, weshalb diese dann auch strafrechtlich als Verbrechen oder Vergehen verfolgt werden.

Die häufigsten Verkehrsstraftaten sind im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und dem Strafgesetzbuch (StGB) ausdrücklich benannt. Das sind zum Beispiel das Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahren unter Alkohol-, Drogen- und Medikamenteneinfluss, Unfallflucht, Nötigung, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Körperverletzung oder Tötung im Straßenverkehr. Daneben können allerdings auch Ordnungswidrigkeiten je nach Einzelfall und der Art des Verstoßes zu einer Verkehrsstraftat hochgestuft werden oder mit einer Verkehrsstraftat im Zusammenhang stehen. Die Folge ist, dass trotz der Begehung einer Ordnungswidrigkeit ein Strafverfahren droht. Die Ordnungswidrigkeit wird dann dort sozusagen "mitbestraft".

Ein weiterer Unterschied ist, dass Verkehrsstraftaten anstelle mit einer Geldbuße, mit einer Geld- oder Freiheitstrafe geahndet werden. Zusätzlich erfolgt meist eine Bestrafung mit einer Eintragung von Punkten im Verkehrszentralregister, ein Fahrverbot oder sogar ein Führerscheinentzug. Die Höhe der Strafe wird hier für jeden Einzelfall gesondert festgelegt.

Erfolgt eine Verurteilung wegen einer Verkehrsstraftat ist man zudem vorbestraft. Bei einer begangenen Ordnungswidrigkeit ist man das nicht.

Im Übrigen ist für die Ahndung und Verfolgung der Verkehrsstraftat nicht die Polizei, sondern die Staatsanwaltschaft zuständig. Statt des Opportunitätsprinzips gilt hier das sogenannte Legalitätsprinzip (§ 152 StPO), das der Staatsanwaltschaft einen Verfolgungszwang bezüglich aller bekannten Straftaten auferlegt. Dass bedeutet, sobald die Staatsanwaltschaft Kenntnis davon erhält, dass in einem Fall eine verfolgbare Straftat im Straßenverkehr vorliegen könnte, muss sie ein Ermittlungsverfahren einleiten.


3 Ablauf des Ordnungswidrigkeitenverfahrens

Die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr erfolgt im Rahmen des Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Der Ablauf unterteilt sich in das Bußgeldverfahren und das gerichtliche Verfahren. Das Bußgeldverfahren selbst gliedert sich in ein Vor- bzw. Anhörungsverfahren, den Erlass des Bußgeldbescheids und ein eventuelles Einspruchsverfahren. Wird das Ordnungswidrigkeitenverfahren innerhalb dieses Verfahrensabschnitts nicht beendet schließt sich das gerichtliche Verfahren an.

3.1 Vorverfahren und Anhörungsbogen

Im Vorverfahren prüft die Behörde, die Voraussetzungen der Ordnungswidrigkeit. Dafür wird anhand des bisher bestehenden Informationsstandes festgestellt, ob und was für ein Verkehrsverstoß vorliegt. Gleichzeitig wird entschieden, ob und wie eine Ahndung des Verkehrsverstoßes in Betracht kommt.

Entschließt sich die Behörde dazu, dass weder eine Verfahrenseinstellung noch eine Verwarnung (vgl. Punkt 4.1) in Betracht kommt, die das Bußgeldverfahren bereits in diesem Verfahrensstadium beenden würde, wird ein Bußgeldbescheid erlassen.

In der Praxis muss sich dieser Teil des Vorverfahrens nicht notwendig erkennbar nach außen manifestieren, sondern kann sich zum Beispiel auch bloß im Handeln eines Polizeibeamten einer Politesse oder eines Politeuers widerspiegeln: Entscheidet ein Beamter zum Beispiel in einer Verkehrskontrolle einen geringen Verkehrsverstoß nur mündlich zu verwarnen, ist hier aus rechtlicher Sicht ein Bußgeldverfahren im Vorverfahren durch Verwarnung des Betroffenen beendet worden.

Demgegenüber kann das Vorverfahren aber auch sehr formal sein und sich sehr wohl nach außen hin deutlich machen. Typischer Fall ist etwa die Übersendung eines Anhörungsbogens an den Fahrzeughalter. Darin wird der Fahrzeughalter darüber informiert, dass ein Verkehrsverstoß mit seinem Fahrzeugkennzeichen angezeigt wurde und aufgefordert anzugeben, wer zum Tatzeitpunkt gefahren ist. Das ist deshalb wichtig, da bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr nach § 18 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) die sogenannte Fahrerhaftung gilt. Das heißt, dass nur derjenige für die Verkehrsordnungswidrigkeit haftet, der tatsächlich zur Tatzeit gefahren ist. Kann bei einem Verkehrsverstoß nur das Kennzeichen festgehalten werden, wie zum Beispiel bei Blitzaufnahmen, muss eine Anhörung des Betroffenen Fahrzeughalters erfolgen, um den Fahrer zu ermitteln (§ 55 OWiG i. V. m. § 163 a StPO).

Erhält man einen Anhörungsbogen ergibt sich daraus keine Verpflichtung zur Stellungnahme. Man darf grundsätzlich auch Schweigen. Daneben ist auch eine Akteneinsicht möglich, um sich genaue Informationen über Tatvorwurf, Beweismittel und den Verfahrensstand zu verschaffen.

Beispiel
Der Fahrzeughalter H hat einen Anhörungsbogen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung in seinem Briefkasten liegen. Neben den Vorwurf vor zwei Wochen auf der A9 mit einer überhöhten Geschwindigkeit von nachweislich 180 Km/h in einer auf 120km/h begrenzten Zone gefahren zu sein, ist ein Foto beigeführt, dass den Fahrer zeigt. H war an dem fraglichen Abend zu Hause und hatte seinem Sohn das Auto geliehen.

  • Hier ist ein Vorverfahren wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eingeleitet worden. Die Übersendung des Anhörungsbogens verpflichtet H aber zu nichts. Er kann entweder Angaben zu dem Fahrer machen oder Schweigen.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Ordnungswidrigkeiten im Verkehr“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Kristin Nözel, Volljuristin Dipl. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-84-7.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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