Arzthaftung – Teil 02 – Anspruchsgegner

1.1.2 Deliktische Haftung gem. § 823 BGB

Neben der vertraglichen Haftung kommt auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung (Delikt) in Betracht. Die vertraglichen und deliktischen Verhaltenspflichten, deren Verletzung zu einer Haftung führen kann, stimmen dabei im Wesentlichen überein. Dasselbe gilt für die weiteren Anspruchsvoraussetzungen. Unterschiede ergeben sich nur insoweit, dass die Verschuldensfrage unterschiedlich zu beantworten sein kann, weil nach der deliktischen Haftung das Verhalten Dritter nach anderen Vorschriften zugerechnet wird und es keine Verschuldensvermutung gibt.
Die deliktische Haftung trifft zum einen den behandelnden Arzt oder einen an der Behandlung beteiligten Dritten selbst für eigene Handlungen. Zum anderen aber auch den Krankenhausträger/Arzt als Vorgesetzten für seine handelnden Organe. Also für angestellte Ärzte oder aber auch das Pflegepersonal. Diese Form der deliktischen Haftung ergibt sich aus § 831 BGB, wobei sich der Arbeitgeber aus der Haftung befreien kann, wenn er nachweist, dass er sein Personal ordnungsgemäß ausgewählt, überwacht und kontrolliert hat. Dann richtet sich die Haftung nur gegen den selbst Handelnden.

2 Der richtige Anspruchsgegner

Je nach Art des Behandlungsfehlers und der Arzt-Patienten-Konstellation sind Ansprüche gegenüber unterschiedlichen Anspruchsgegnern geltend zu machen. Die Wahl des richtigen Anspruchsgegners ist für die Durchsetzbarkeit des Anspruchs von entscheidender Bedeutung. Der richtige Anspruchsgegner und die geschuldete Behandlung ergeben sich dabei aus dem Behandlungsvertrag.

2.1 Inhalt des Behandlungsvertrages

Der Behandlungsvertrag ist nicht erfolgsabhängig, verpflichtet den Arzt also nicht zu einem bestimmten Behandlungserfolg. Der Arzt schuldet lediglich die Übernahme der Behandlung des Patienten unter Beachtung des gebotenen Patientenschutzes.
Als Vertragsinhalt geschuldet wird prinzipiell diejenige Behandlung, die zwischen Arzt und Patient einzelfallabhängig abgesprochen wird (sog. Individualabrede). Sollte eine solche Absprache nicht erfolgt sein, ist die Bemessungsgrundlage für die Bestimmung des Vertragsinhaltes, welche Behandlung nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft üblich wäre. Das bedeutet, dass alles, was nach dem Stand der Medizin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu veranlassen war, Inhalt des Vertrages geworden ist. Der Arzt ist danach mindestens dazu verpflichtet, die Diagnose nach anerkannten medizinischen Methoden zu stellen und auf dieser Grundlage den Patienten zu beraten und entsprechende Therapiemaßnahmen einzuleiten. Zusätzlich ist der Arzt verpflichtet, den Patienten im Rahmen seiner Aufklärungspflicht über die Art der Behandlung und mögliche Risiken aufzuklären. Eine ärztliche Behandlung darf im Regelfall nur mit Einwilligung des Patienten erfolgen, sodass die Aufklärung eine notwendige Voraussetzung für jede Therapiemaßnahme ist. Als Ausnahme kann hier eine Notfallbehandlung gesehen werden, bei der regelmäßig die Einholung der Einwilligung nicht oder unter unangemessen schwierigen oder langatmigen Bedingungen möglich ist.
Der Behandlungsvertrag kann in unterschiedlichen Konstellationen geschlossen werden.

2.2 Der Behandlungsvertrag bei ambulanten Behandlungsverhältnissen

Ambulante Behandlungsverträge bestehen regelmäßig zwischen einem niedergelassenen Arzt und Patient. Der Vertragsschluss kommt dabei nicht zwingend und nicht nur durch einen schriftlichen Vertrag zustande, sondern konkludent (schlüssig) auch dadurch, dass der Patient sich durch den Arzt behandeln lässt. Vertragspartner für den Patienten wird im Regelfall der Inhaber der Praxis. Dies gilt auch dann, wenn die Behandlung von einem Angestellten, einem Assistenten oder einer Urlaubsvertretung des Praxisinhabers durchgeführt wird (Laufs/Katzenmeier/Lipp in: Arztrecht, S. 62). Zieht der behandelnde Arzt im Rahmen der Diagnosestellung oder der Therapie einen Dritten (z.B. Laborarzt, Pathologe) hinzu, wird er innerhalb des Vertrages mit dem Dritten in der Regel zum Stellvertreter des Patienten. Der Arzt schließt dann in Patientennamen einen zusätzlichen Vertrag mit dem hinzugezogenen Arzt. Aus diesem Vertrag kann der Patient eigene Rechte geltend machen. Der Stellvertretende, also der ursprünglich behandelnde Arzt, muss dabei keine ausdrückliche Erklärung des Patienten einholen, soweit der Dritte sachlogisch in die Behandlung einbezogen werden muss.

Der Vertragspartner bzw. Anspruchsgegner kann sich allerdings bei Praxen mit mehreren Ärzten unterschiedlich darstellen. Praxen bestehen vor allem in folgenden Formen:

2.2.1 Gemeinschaftspraxis

Die Gemeinschaftspraxis stellt den klassischen Fall der ärztlichen Zusammenarbeit dar. Regelmäßig handelt es sich dabei um eine Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis) in Form einer BGB-Gesellschaft. Alle Ärzte haften gemeinsam für sämtliche, sich aus der Gesellschaft ergebende Verbindlichkeiten. Vertragspartner des Patienten werden dabei alle Ärzte der Gemeinschaftspraxis. Auch für Verbindlichkeiten dem Patienten gegenüber haften sie gemeinsam und sind deshalb als Gesamtschuldner Anspruchsgegner. Eine Gemeinschaftspraxis liegt in der Regel dann vor, wenn sich mehrere Ärzte derselben oder einer ähnlichen Fachrichtung zu einer Gesellschaft zusammenschließen, die nach außen als Einheit auftritt (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, S. 880). Die Haftung als Gesamtschuldner bedeutet, dass alle Ärzte dem Patienten gegenüber Schuldner sind, unabhängig davon, ob sie an der konkreten Behandlung mitgewirkt haben oder nicht. Der Patient hat die Wahl, gegen welchen der Ärzte er seine Ansprüche geltend macht, es müssen ihm gegenüber alle ihn gleicher Weise und gleichem Umfang haften.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Arzthaftung - Nachweis und Durchsetzung von Ansprüchen bei ärztlichen Behandlungsfehlern“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Magdalena Mahrenholtz, wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-86-1.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Über die Autoren:

Michael Kaiser, Rechtsanwalt

Portrait Michael-Kaiser

Michael Kaiser berät und vertritt seit vielen Jahren Patienten, Ärzte und Gesundheitsorganisationen bei Rechtsfragen um Arztrecht/Medizinrecht.
Er vertritt Krankenversicherungsnehmer bei der Durchsetzung von Ansprüchen auf Krankenversicherungsleistungen gegen Krankenkassen. Insbesondere die Übernahme der Kosten für neue, vielversprechende, aber noch nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch die Krankenkassen liegt ihm am Herzen.
Er vertritt Patienten und Ärzte bei Arzthaftungsfällen. Er vertritt Ärzte beim Streit um die Vergütung bei Kassen- oder Privatpatienten und bearbeitet berufs- und standesrechtliche Fragestellungen, z.B. die Grenzen zulässiger Werbung, patent- und markenrechtliche Probleme oder Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung.
Michael Kaiser begleitet Ärzte bei der Gründung und Auseinandersetzung von Gemeinschaftspraxen und Praxisgemeinschaften sowie bei der Praxisnachfolge.

Rechtsanwalt Michael Kaiser hat veröffentlicht:

  • Arztpraxis – Kauf und Übergang, Harald Brennecke und Michael Kaiser, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0

Rechtsanwalt Michael Kaiser ist Dozent für Arztrecht/Medizinrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare unter anderem zu den Themen:

  • Arzthaftung: Die Haftung des Arztes für Behandlungsfehler
  • Die Ärztegesellschaft: Gemeinschaftspraxis und Praxisgemeinschaft
  • Arzthonorar und Kassenärztliche Vereinigung: Abrechnung und Regress
  • Vergütungsansprüche von Ärzten und Therapeuten

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