Fahrverbote – Teil 02 – Nebenstrafe im Strafrecht

2.3 Nebenstrafe im Strafrecht

Nach der kurzen Einführung in das Strafverfahren geht der Blick nun in Richtung des Fahrverbotes. Neben der Freiheits- und Geldstrafe kennt das deutsche Strafrecht die Nebenstrafe des "Fahrverbotes" (§ 44 StGB). Nebenstrafe bedeutet, dass das Fahrverbot nur neben einer Freiheits- oder Geldstrafe verhängt wird. Das Fahrverbot soll als "Denkzettel" oder "Warnung" gelten. Die Einführung des Fahrverbotes als "eigenständige" Strafe wird seit über 20 Jahren diskutiert, aber konnte sich, auch aufgrund juristischer Unklarheiten, bisher nicht endgültig durchsetzen.

2.3.1 Allgemeines

Die Verhängung eines Fahrverbotes richtet sich nach § 44 StGB. Es wird mit der "Rechtskraft* des Urteils" wirksam. Ein Urteil wird rechtskräftig, wenn nicht innerhalb einer Woche nach Verkündung dessen Rechtsmittel (Berufung* oder Revision*) eingelegt wird. Anderes gilt, wenn das Fahrverbot im Rahmen eines Strafbefehls* ergeht. In diesem Fall ist es möglich, bis zu zwei Wochen nach Erhalt des Strafbefehls Einspruch einzulegen.
Zu beachten ist, dass das Fahrverbot zwar mit Rechtskraft des Urteils wirksam wird, das "Verbot" jedoch erst ab dem Moment der Abgabe des Führerscheins zu laufen beginnt. Der Zeitpunkt der Abgabe ist, bei dem Ausspruch des Fahrverbotes im Rahmen des Strafverfahrens, nicht verschiebbar. ( 3.2)
In Bezug auf die Praxis im Strafverfahren muss darauf geachtet werden, dass das Fahrverbot meist erst in Betracht kommt, wenn die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht erteilt werden kann bzw. nicht in Betracht kommt. Es handelt sich bei den Fahrverbotsfällen im Strafrecht also zumeist um leichtere Verstöße, da die schweren Verstöße in den häufigsten Fällen mit dem Entzug der Fahrerlaubnis geahndet werden.

2.3.2 Verkehrsbezogene Straftat

Damit ein Fahrverbot nach § 44 StGB verhängt werden darf, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss es sich um eine rechtswidrige* und schuldhafte* Straftat, im Unterschied zu einer Ordnungswidrigkeit, handeln. Die Straftat darf des Weiteren zum Zeitpunkt der Verhängung des Fahrverbotes nicht länger als 2 Jahre zurückliegen.[1]
Weiterhin muss diese Straftat "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" begangen worden sein. Diese, zunächst kryptisch wirkende, Formulierung lässt sich in zwei Voraussetzungen für die Begehung der Straftat teilen: "bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges" oder "unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers".

2.3.2.1 Kraftfahrzeug

Für die Bestimmung, was ein "Kraftfahrzeug" ist, wird § 1 II, III StVG* herangezogen.[2] Als Kraftfahrzeuge gelten demnach "Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein." Aus dieser Definition ergeben sich viele, allerdings nicht alle Klarheiten. Im Falle der Pedelecs, Fahrrädern mit unterstützendem Hilfsmotor, welcher durch das Treten aktiviert wird, ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 1 III StVG (Nennleistung von höchstens 0,25 kW, progressive Verringerung der Unterstützungsleistung bei steigender Geschwindigkeit, Unterbrechung bei 25 km/h und wenn der Fahrer im Treten einhält) erfüllt werden. Liegen die Voraussetzungen vor, handelt es sich um kein Kraftfahrzeug. Liegen die Voraussetzungen jedoch nicht vor, stellen sie ein Kraftfahrzeug dar.
Weitere Schwierigkeiten bei der Einordnung können Segways (einachsige Elektroroller) verursachen. In diesem Fall hat der Gesetzgeber reagiert und Segways gem. § 1 II MobHV* als Kraftfahrzeug definiert.

2.3.2.2 Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges

Ein Kraftfahrzeug führt, wer das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte in Bewegung setzt oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen lenkt.[3] Die Anwendung der Motorkraft ist nicht zwingend notwendig, wenn z.B. ein Kraftfahrzeug auf abschüssiger Fahrbahn ohne Motorkraft rollen gelassen wird.[4] Wird das Kraftfahrzeug jedoch durch fremde Hilfe, wie Schieben oder Ziehen z.B. beim Abschleppen, oder durch eigenes Schieben, ohne den Fahrersitz einzunehmen, bewegt, handelt sich um kein Führen.[5] Des Weiteren gelten weder der Beifahrer, welcher dem Fahrer ins Lenkrad greift, noch der Fahrlehrer, welcher seinem Schüler hilft, als Führer eines Kraftfahrzeuges.[6]
Der Zusammenhang, welcher zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestehen muss, ist relativ weitläufig. Er besteht schon, wenn das Kraftfahrzeug für die Vorbereitung oder Durchführung der Straftat oder anschließend für ihre Ausnutzung oder Verdeckung dienlich ist.[7] Die Grenze dieser weitreichenden Auslegung ist die Feststellung der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges "aus der Tat".[8] Bei Annahme der Ungeeignetheit würde eine Entziehung der Fahrerlaubnis angenommen werden ( 5.).

Beispiel: A ist als Fernkraftfahrer größtenteils in Osteuropa unterwegs und nutzt diesen Umstand, um große Mengen "billiger" Zigaretten mit nach Deutschland zu "schmuggeln". In diesem Fall kann der geforderte "Zusammenhang" zwischen der Straftat und dem Führen eines Kraftfahrzeuges schon vorliegen.


2.3.2.3 Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers

Zur Feststellung der Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers muss sich der Angeklagte durch die Straftat als leichtsinniger oder pflichtvergessener Kraftfahrer erwiesen haben.[9] In den meisten Fällen wird diese Alternative bei typischen Verkehrsstraftaten angenommen, wie bei unerlaubten Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB oder beim mehrmaligen Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie bei der Trunkenheitsfahrt oder der Gefährdung des Straßenverkehrs, wenn von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen wurde.[10] Weiterhin haben Gerichte entschieden, dass sogar das Überlassen des Steuers an Personen, welche keine Fahrerlaubnis besitzen oder fahruntüchtig sind, mit Fahrverbot bestraft werden kann.[11] Eine Verletzung der Pflichten kann sogar vorliegen, wenn das Auto auf einer abschüssigen Straße geparkt und ungenügend gegen wegrollen gesichert wurde.


[1] BayObLG NZV 2002, 280.

[2] BayObLG NZV 1993, 239 (240).

[3] LG Köln NZV 1990, 445f.

[4] Vgl.: OLG Karlsruhe DAR 1983, 365.

[5] BayObLG NJW 1959, 111.

[6] OLG Köln NJW 1971, 670; OLG Dresden NJW 2006, 1013.

[7] BGH NStZ 2001, 477.

[8] BGHSt 50, 93 (98).

[9] OLG Düsseldorf VRS 68, 262.

[10] BGH NStZ RR 2007, 89.

[11] OLG Hamm VRS 2012, 272.

Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Fahrverbote und Führerscheinentzug“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Maik Papiernick, wissenschaftlicher Mitarbeiter, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-85-4.


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Stand: Januar 2018


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Der besondere Schwerpunkt von Michael Kaiser liegt im Bereich der Fahrverbote und Führerscheinentzugsverfahren. Er vertritt Betroffene mit dem Ziel, den Führerscheinentzug zu vermeiden, sei es wegen Fehlern im Messverfahren, Fehlern der Beschilderung oder beruflichen Umständen, die den Führerscheinentzug zu einer besonderen Härte machen würden, so dass eine erhöhte Geldstrafe den Führerscheinentzug entfallen lassen kann.

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