Verkehrsordnungswidrigkeiten – Teil 01 – Allgemeines zur Ordnungswidrigkeit

1 Einleitung

Bußgeld, Punkte, Fahrverbot - jeder Autofahrer hat bereits mindestens einmal von diesen Begriffen gehört. Auch wenn einem selbst noch kein Verkehrsverstoß vorgeworfen wurde, kennt man zumindest eine Person bei der das bereits der Fall war.

Grundsätzlich ist das Ordnungswidrigkeitenrecht nichts anderes als ein staatliches Sanktionsrecht, wie zum Beispiel das Strafrecht, bei dem die Begehung von Ordnungswidrigkeiten staatlich verfolgt wird.
Für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr gibt es in Deutschland ein eigenes Verfahrenssystem: Das sogenannte Ordnungswidrigkeitenverfahren. Die gesetzlichen Regelungen zu den verschiedenen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr finden sich überwiegend im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der Straßenverkehrsordnung (StVO).

Zur Vereinfachung der Ahndung einzelner Verkehrsverstöße gibt es ein Bußgeld- und Punktesystem, dass in dem sogenannten Bußgeldkatalog festgelegt ist. Einzelne Verstöße werden darin in Tabellenform den verkehrsrechtlichen Sanktionen zugeordnet.

2 Allgemeines zur Ordnungswidrigkeit

Ordnungswidrigkeiten finden sich in den verschiedensten Rechtsbereichen. Vorliegend wird ausschließlich ein Unterfall, nämlich die Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr betrachtet.
Entscheidend ist dabei zu wissen, wann man von einer Ordnungswidrigkeit im Verkehr spricht, was der Unterschied zu einer Verkehrsstraftat ist und welche Behörde eigentlich für die Verfolgung zuständig ist.

2.1 Ordnungswidrigkeit

Der Begriff Ordnungswidrigkeit ist in § 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) allgemein definiert. Danach ist eine Ordnungswidrigkeit eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt.

Das bedeutet, für eine Ordnungswidrigkeit

  • muss eine bestimmte Handlung in einem Gesetz mit einer Geldbuße bedroht sein und
  • man muss diese Handlung in rechtswidriger und vorwerfbarer Weise vornehmen.

2.1.1 Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr

Eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr ist nach der obigen Definition also jede rechtswidrige und vorwerfbare Handlung im Straßenverkehrsrecht, die mit einer Geldbuße geahndet wird. Man nennt diese Ordnungswidrigkeiten dann Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Das sind sowohl Verstöße gegen das Straßenverkehrsgesetz (StVG) als auch gegen die insoweit erlassenen Verordnungen, wie zum Beispiel die Straßenverkehrsordnung (StVO), die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO), die Fahrerlaubnis-Verordnung (FEV) und die Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV).

2.1.2 Vorsätzliche und fahrlässige Begehung

In § 10 OWiG ist geregelt, dass als Ordnungswidrigkeit nur vorsätzliches Handeln geahndet werden kann. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn ein Gesetz ausdrücklich auch ein fahrlässiges Handeln mit Geldbuße bedrohen will.

2.1.2.1 Vorsatz

Für die Annahme von Vorsatz bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit unterscheidet man zwischen der Absicht, der direkten vorsätzlichen Begehung und der bedingten vorsätzlichen Begehung (vgl. Müller in: Bachmeier / Müller / Rebler: Verkehrsrecht Kommentar, § 24 STVG, Rn. 3).

Die einzelnen Vorsatztypen charakterisieren sich dabei wie folgt:

2.1.2.1.1 Absicht

Bei der Absicht kommt es dem Täter darauf an, eine bestimmte Verkehrsordnungswidrigkeit zu begehen (vgl. Müller in: Bachmeier / Müller / Rebler: Verkehrsrecht Kommentar, § 24 STVG, Rn. 3). So zum Beispiel bei einem Geschwindigkeitsverstoß im Rahmen eines illegalen Autorennens in der Innenstadt.

Beispiel
Der Autofahrer A steht mit seinem Pkw an einer Ampel. Beim Umschalten der Lichtzeichenanlage auf Rotlicht befindet er sich ca. zwei Fahrzeuglängen vor der Haltlinie. Da er weit und breit kein anderes Fahrzeug im Kreuzungsbereich sieht, überquert er die Kreuzung trotz der roten Ampel in Fahrtrichtung.

  • A hat hier mit voller Absicht eine rote Ampel überfahren und damit einen vorsätzlichen Rotlichtverstoß begangen.
2.1.2.1.2 Direkter Vorsatz

Bei dem direkten Vorsatz, weiß der Täter oder sieht zumindest voraus, dass er eine bestimmte Verkehrsordnungswidrigkeit begeht (vgl. Müller in: Bachmeier / Müller / Rebler: Verkehrsrecht Kommentar, § 24 STVG, Rn. 3).

Beispiel
Der Autofahrer A fährt auf einer Umgehungsstraße und überschreitet die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 43 km/h, wobei von der gemessenen Geschwindigkeit bereits ein Toleranzwert von 4 km/h in Abzug gebracht worden ist. A erklärt gegenüber der Polizei, dass er nicht gar nicht so schnell gefahren sei und höchsten 90 km/h gefahren ist.

  • A hat vorsätzlich die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten und sich damit ordnungswidrig verhalten. Durch seine Erklärung gibt er zu, dass ihm bewusst war, dass er die zulässige Geschwindigkeit überschreitet, da er annahm ungefähr 90 km/h anstelle der vorgeschriebenen 70 km/h zu fahren. Damit kann zumindest ein Vorsatz bei der Begehung der Ordnungswidrigkeit angenommen werden (vgl. Urteil OLG Hamm, 24.10.2001, Az.: 2 Ss OWi 916/01).
2.1.2.1.3 Bedingter Vorsatz

Bei dem bedingten Vorsatz nimmt der Täter die Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit zumindest billigend in Kauf nimmt beziehungsweise findet sich gedanklich damit ab, dass er eventuell eine Verkehrsordnungswidrigkeit begeht (vgl. Müller in: Bachmeier / Müller / Rebler: Verkehrsrecht Kommentar, § 24 STVG, Rn. 3).

Beispiel
Der Autofahrer A fährt mit seinem PKW in einer verkehrsrechtlich ausgewiesenen 30er Zone in einem Wohngebiet. Er überfährt drei Kreuzungsbereiche, bei den Rechts-vor-Links gilt, hält jeweils an, ob ein Fahrzeug von rechts kommt und fährt dann weiter, weil kein anderes Fahrzeug im Kreuzungsbereich in Sicht ist. Bei der vierten Kreuzung hält aber nicht an, um sich zu vergewissern, ob ein vorfahrtsberechtigtes Auto von rechts kommt, da er davon ausgeht, dass auch hier kein anderes Auto kommt und er schnell vorankommen will. Dabei nimmt er allerdings in Kauf, dass er einem von rechts kommenden Fahrzeug die Vorfahrt nimmt, was dann auch tatsächlich passiert.

  • A hat damit einen vorsätzlichen Vorfahrtsverstoß begangen. Er wusste, dass er möglicherweise einen solche Ordnungswidrigkeit begeht und es billigend in Kauf genommen, dass er jemandem die Vorfahrt nimmt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Ordnungswidrigkeiten im Verkehr“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Kristin Nözel, Volljuristin Dipl. jur. (Univ.), juristisch Fachautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2018, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-84-7.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2018


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Michael Kaiser, Rechtsanwalt

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Rechtsanwalt Michael Kaiser berät auf den Gebieten des zivilen Verkehrsrechts (insbesondere bei Verkehrsunfällen) und im Bereich Verkehrsordnungswidrigkeiten und im Verkehrsstrafrecht.

Der besondere Schwerpunkt von Michael Kaiser liegt im Bereich der Fahrverbote und Führerscheinentzugsverfahren. Er vertritt Betroffene mit dem Ziel, den Führerscheinentzug zu vermeiden, sei es wegen Fehlern im Messverfahren, Fehlern der Beschilderung oder beruflichen Umständen, die den Führerscheinentzug zu einer besonderen Härte machen würden, so dass eine erhöhte Geldstrafe den Führerscheinentzug entfallen lassen kann.

Rechtsanwalt Kaiser ist seit vielen Jahren im gesamten Verkehrsrecht tätig. Er berät und vertritt bei Verkehrsunfällen und übernimmt alle notwendige Korrespondenz mit Versicherungen, Gutachtern, Zeugen und Polizei. Er macht nicht nur den Fahrzeugschaden für Sie geltend, sondern prüft alle denkbaren Ansprüche, vom Verdienstausfall über Schmerzensgeld und Schadensersatz bis zum Ersatz von Mietwagenkosten, Urlaubsverlust bis hin zum Wertverlust bei Fahrzeugen aufgrund von Reparaturen. Er prüft Versicherungsrückstufungen und verhandelt mit Versicherungen über angemessene Entschädigungen.

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Er vertritt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten, von der Geschwindigkeitsüberschreitung bis zur Alkoholfahrt, und hilft bei drohendem Führerscheinverlust oder Punkten in Flensburg sowie bei Verkehrsstraftaten.

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