Arbeitsrechtliche Abmahnung – Teil 37 – Relevante Pflichtverstöße VII

10.38 Nebentätigkeit, unerlaubte

Sofern keine entsprechenden (vertraglichen) Vereinbarungen zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber bestehen, darf der Arbeitnehmer Nebentätigkeiten frei ausüben. Dies gilt jedoch nur solange, wie sie keine Konkurrenz zum Betrieb des Arbeitgebers darstellt (siehe dazu näher: Unterpunkt 4.33.) und dem Arbeitnehmer auch keine sonstigen Nachteile entstehen (z.B. übermüdeter Arbeitnehmer, der deshalb nicht mehr in der Lage ist, seine gewöhnliche Arbeitsleistung zu erbringen; vgl. auch Beckerle, Die Abmahnung, S.68.). Auch während der Zeit, in denen der Arbeitnehmer krankgeschrieben ist, darf er grundsätzlich keiner Tätigkeit in einem anderen Betrieb nachgehen, die dazu geeignet ist, den Heilungsprozess zu verzögern (siehe dazu näher: Unterpunkt 4.29.). Ein allgemeines Nebentätigkeitsverbot kann zudem auch im Arbeitsvertrag vereinbart werden (Eckert in: DStR 1991, 160.).
Besteht ein Nebentätigkeitsverbot, so kann ein Verstoß dagegen grundsätzlich ein tauglicher Grund für eine Abmahnung und - bei deren Erfolglosigkeit - auch für eine (ordentliche) Kündigung sein (BAG 16.08.1990 - 2 AZR 113/90 - AP BGB § 611 Treuepflicht Nr.10.). Die fortgesetzte und vorsätzliche Ausübung einer schon offensichtlich nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit ohne die Kenntnis des Arbeitgebers kann jedoch auch ein "wichtiger Grund" i.S.d. § 626 Abs.1 BGB sein, sodass eine Abmahnung vor der Kündigung nicht notwendig ist (BAG 18.09.2008 - 2 AZR 827/06 - NZA-RR 2009, 393.). Allerdings muss der Arbeitnehmer dabei gewusst haben, dass sein Verhalten vertragswidrig ist bzw. vom Arbeitgeber als entsprechend erheblich angesehen wird. Durfte er aus vertretbaren Gründen annehmen, er handele vertragsgemäß bzw. der Arbeitgeber würde sein Verhalten nicht als vertragsgefährdend ansehen, so bleibt eine Abmahnung erforderlich (BAG 16.08.1990 - 2 AZR 113/90 - AP BGB § 611 Treuepflicht Nr.10; BAG 30.06.1983 - 2 AZR 524/81 - AP GG Art.140 Nr.15; Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1552.).

10.39 Personalgespräch, Nichtteilnahme an…

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, an einem Personalgespräch teilzunehmen in dem es um seine Arbeitspflichten geht und das der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts nach § 106 GewO angesetzt hat. Erscheint er nicht zum Gespräch oder bricht er dieses eigenmächtig ab und verlässt den Raum, so kann der Arbeitgeber ihm gegenüber eine Abmahnung erteilen (Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1544.). Jedoch kann ein solches Personalgespräch nicht während der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers angesetzt werden. In dieser Zeit trifft den Arbeitnehmer keine Pflicht zur Teilnahme daran, sodass ein Fehlen nicht mit einer Abmahnung gerügt werden kann (LAG Nürnberg 01.09.2015 - 7 Sa 592/14.).

10.40 Politische Betätigung

Die politische Betätigung eines Arbeitnehmers außerhalb des Betriebs ist grundsätzlich für das gesamte Arbeitsverhältnis und somit auch abmahnungs- und kündigungsrechtlich irrelevant. Ausnahmen von diesem Grundsatz können u.a. im öffentlichen Dienst gelten.
Auch wenn sich ein Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs politisch äußert (z.B. verbal oder durch das Tragen entsprechender Plaketten, Symbole o.ä.), so ist dies erst dann relevant, wenn es deshalb zu einer konkreten Störung des Betriebsfriedens oder Betriebsablaufs kommt (Beckerle, Die Abmahnung, S.72; Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.672.). In diesem Fall muss jedoch stets zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden. Erst bei weiter anhaltender Provokation durch politische Bekundungen und andauernder Störung des Betriebsfriedens kommt eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht (Preis in: Stahlhacke/Preis/Vossen, § 22, Rn.671.).

10.41 Privatkommunikation

Nutzt der Arbeitnehmer das Internet im Betrieb, den Dienst-PC oder das Dienst-Telefon zu privaten Zwecken, so kann darin eine abmahnungsfähige Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten liegen (BAG 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.57; BAG 19.04.2012 - 2 AZR 186/11 = AP KSchG 1969 § 14 Nr.13.). Nach den grundlegenden Entscheidungen in diesem Bereich kann sich die Pflichtverletzung aus verschiedenen Umständen ergeben (vgl. dazu näher: Beckerle, Die Abmahnung, S.59 ff; Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1553.), beispielsweise

  • private Nutzung trotz ausdrücklichen Verbots durch den Arbeitgeber;
  • durch Nichterbringung/Vernachlässigung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung aufgrund der privaten Nutzung der Kommunikationsmittel;
  • durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen; besonders schwer wiegen hierbei Fälle, in denen die Gefahr der Vireninfizierung oder der Rufschädigung des Arbeitgebers bei Rückverfolgung besteht (z.B. strafbare oder pornographische Darstellungen);
  • wenn durch die private und unberechtigte Nutzung zusätzliche Kosten entstehen.

Regelmäßig ist zunächst eine erfolglose Abmahnung erforderlich, bevor wegen eines solchen Verstoßes gekündigt werden kann (BAG 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.57.). Lediglich in Ausnahmefällen geht die Rechtsprechung von der Entbehrlichkeit einer Abmahnung vor einer Kündigung aus, nämlich dann, wenn die private Nutzung der Kommunikationsmittel des Arbeitgebers besonders "ausschweifend" oder "exzessiv" geschieht (BAG 31.05.2007 - 2 AZR 200/06 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr.57; LAG Schleswig-Holstein 06.05.2014 1 Sa 412/13 = NZA-RR 2014, 417 = ArbRAktuell 2014, 363; Kleinebrink in: HzA - Arbeitsrecht in der Praxis, Ordner 3a, Gruppe 5, Teilbereich 2, Rn.1554.).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Handbuch zur arbeitsrechtlichen Abmahnung“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Miriam Schwartzer, Rechtsreferendarin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-80-9.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

  • Aufhebungsverträge
  • Abwicklungsverträge
  • Kündigungen
  • Kündigungsschutzansprüche
  • Abfindungen
  • Lohn- und Gehaltsansprüche
  • Befristete und unbefristete Arbeitsverträge
  • Betriebsvereinbarungen
  • Tantiemenvereinbarungen

und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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