Eheverträge für die Unternehmerehe – Teil 16 – Wirksamkeitskontrolle

4.3.1 Wirksamkeitskontrolle

Wirksamkeitskontrolle (nach § 138 BGB)
Wenn ein Ehevertrag vorhanden ist, prüft das Gericht zunächst, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führte, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten ( § 138 Absatz 1 BGB).

Dabei nimmt das Gericht eine Gesamtwürdigung der individuellen Verhältnisse bei Vertragsschluss vor und berücksichtigt hierbei v. a.

  • die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Verlobten oder Ehegatten
  • den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe
  • die Auswirkungen des Vertrags auf die Ehegatten und auf die Kinder
  • die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke
  • die sonstigen Beweggründe, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen

Allerdings kommt eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrags nur dann in Betracht, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem sogenannten „Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts“ ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass die dadurch entstandenen Nachteile für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert werden oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt werden. Das bedeutet, dass Nachteile, die einem Ehegatten entstehen, durchaus ausgeglichen werden können, indem ihm an anderer Stelle Vorteile zugestanden werden, die die Nachteile idealerweise kompensieren. Auch wenn der gelebte Ehetyp einseitige Nachteile rechtfertigen kann (wie z. B. ein Totalverzicht auf Unterhalt bei einer kinderlosen Ehe, in der beide Partner vollschichtig arbeiten), ist keine Sittenwidrigkeit gegeben.

Doch was ist der „Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts“?

4.3.1.1 Exkurs: Kernbereichslehre

Bei dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts handelt es sich sozusagen um eine Rangfolge der Scheidungsfolgen: Es wird die Frage beantwortet, welche Scheidungsfolge besonders wichtig und welche weniger ist.

Die gesetzlich vorgesehenen Scheidungsfolgen sind in ökonomischer und personeller Hinsicht unterschiedlich gravierend für die Beteiligten. Sie stehen sozusagen in einer Hierarchie, die für die Möglichkeit, sie vertraglich zu gestalten, relevant ist. Je weniger bedeutsam die einzelne Scheidungsfolge und je geringer der Bezug zur konkreten Lebensführung der Ehegatten ist, desto geringer ist ihre tatsächliche Auswirkung auf die Ehegatten und desto mehr kann sie abbedungen werden, ohne dass die daraus resultierenden Folgen unzumutbar sind.

Die Rangfolge der Scheidungsfolgen ist wie folgt statuiert (zur Bedeutung für den Ehevertrag und die Möglichkeiten der Gestaltung: vgl. Kapitel “Wichtige vertragliche Vereinbarungen bei der Unternehmerehe):

  • 1. Stufe (oder Rang): Betreuungsunterhalt
  • 2. Stufe: Krankheitsunterhalt und Altersunterhalt; Versorgungsausgleich
  • 3. Stufe: Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit; Krankenvorsorge- und Altersvorsorgeunterhalt; Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt
  • 4. Stufe: Zugewinnausgleich

4.3.2 Ausübungskontrolle

Soweit ein Vertrag nach der Wirksamkeitskontrolle Bestand hat, also nicht unwirksam ist, muss das Gericht sodann – im Rahmen der Ausübungskontrolle – prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht, wenn er sich im Scheidungsfall gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, wenn der Ehegatte also beispielsweise sagt, dass es keinen Zugewinnausgleich gibt, weil dieser durch den Ehevertrag abbedungen sei.
Dafür sind nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend, sondern vielmehr, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der ehelichen Lebensgemeinschaft aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige Lastenverteilung ergibt, die für den belasteten Ehegatten nicht hinnehmbar erscheint. Dabei muss das Gericht auch die Belange des anderen Ehegatten würdigen und in seine Entscheidung das Vertrauen des anderen Ehegatten in die Geltung des Vertrags würdigen. Auch im Rahmen der Ausübungskontrolle hat sich das Gericht an die Kernbereichslehre zu halten.

Als Beispiel dient folgende Konstellation:
Wenn sich der Ehemann auf den Ausschluss des Zugewinnausgleichs (4. und damit niedrigster Rang) beruft, ist dies unter weniger schwerwiegenden Voraussetzungen möglich als die Berufung auf den Ausschluss des Betreuungsunterhalts (1. Rang; die als am wichtigsten angesehene Scheidungsfolge).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Eheverträge für die Unternehmerehe“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Andrea Zimmermann, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, 978-3-939384-82-3.


Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

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Rechtsanwalt Michael Kaiser ist seit vielen Jahren im Familienrecht tätig. Er berät und vertritt bei

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