Erwerbsminderungsrente und Berufsunfähigkeitsrente - Teil 09 – Arbeitsmarktrente

Arbeitsmarktrente:

Auch Versicherte, bei denen zwar ein Restarbeitsleistungsvermögen besteht, die jedoch aufgrund ihrer Einschränkungen keinen Arbeitsplatz finden können, haben einen Anspruch auf die volle EM-Rente. Dieser Anspruch ist zwar nicht gesetzlich normiert, wird jedoch aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abgeleitet.

Bei Betroffenen,

  • die ein Teilleistungsvermögen von weniger als sechs Stunden täglich haben
  • die als arbeitslos gemeldet sind oder eine Beschäftigung mit weniger als 15 Stunden wöchentlich ausüben
  • deren Leistungsfähigkeit dauerhaft gemindert ist,

geht die Rentenversicherung regelmäßig davon aus, dass der Arbeitsmarkt für diesen Personenkreis verschlossen bleibt. Diese Betroffenen erhalten meist ohne eine weitere Prüfung der Arbeitsmarktlage die volle EM-Rente. Weitere Kriterien, die meist zu einer Arbeitsmarktrente führen, können ein hohes Alter oder eine niedrige Qualifikation des Betroffenen sein.

Beispiel
Sowohl die 28-Jährige Sekretärin S, als auch der 58-jährige Dachdecker D sind teilweise erwerbsgemindert. D kann nicht mehr als Dachdecker arbeiten. Aufgrund seines hohen Alters und der enormen Schwierigkeit für D in einem anderen Beruf unterzukommen, erhält D ohne weitere Prüfung des Arbeitsmarktes eine volle EM-Rente. S hingegen ist noch sehr jung und gilt als Sekretärin trotz Teilzeit als leicht vermittelbar. Sie bekommt deswegen nur eine teilweise EM-Rente zugesprochen.

Bei der Arbeitsmarktrente gilt es jedoch zu beachten, dass diese nur beschränkt gewährt und nicht ins Ausland gezahlt wird.

Summierung von ungewöhnlichen bzw. unüblichen Leistungseinschränkungen/Schwere spezifische Leistungsbehinderung:
Als letze Besonderheit der vollen EM-Rente hat das Bundessozialgericht sogenannte Katalogfälle entwickelt. Diese Katalogfälle beschreiben spezifische und atypische Leistungseinschränkungen. Liegt bei einem Versicherten ein solcher atypischer Katalogfall vor, so wird ihm in der Regel ohne weitere Prüfung des Arbeitsmarktes die volle EM-Rente zugesprochen. Das Bundessozialgericht geht davon aus, dass bei Personen mit solchen atypischen Einschränkungen der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen bleibt.

Liegt eine solche atypische Einschränkung vor, kann die Rentenversicherung aber eine konkrete Tätigkeit benennen, die der Betroffene dennoch ausüben kann, erhält der Betroffene keine volle EM-Rente. In einem solchen Fall empfiehlt sich jedoch die sorgfältige Abklärung, ob der Betroffene tatsächlich in dem benannten Beruf arbeiten kann. Im Zweifel kann der Betroffene gegen den belastenden Verwaltungsakt Widerspruch einlegen. Detaillierte Informationen über die rechtlichen Möglichkeiten der Betroffenen finden sich in Kapitel 8.

Atypische Leistungsbeschränkungen/-behinderungen liegen vor bei:

  • Einarmigkeit und Einäugigkeit unter Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls
  • Einschränkungen der Arm- und Handbewegungen und der Notwendigkeit des halbstündigen Wechselns von Sitzen zu Gehen
  • regelmäßig einmal in der Woche auftretenden Fieberschüben
  • besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz
  • wenn zwei zusätzliche Pausen von je 15 Minuten einzulegen sind und weitere Einschränkungen bestehen

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts liegt bei den folgenden Einschränkungen jedoch keine atypische Leistungseinschränkung/-behinderung vor:

  • keine Akkordarbeit oder im Schichtdienst sowie an laufenden Maschinen
  • keine Ausübung von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeit erfordern und mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind
  • keine Tätigkeiten, die das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen besonders belasten
  • keine Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern

Zu beachten gilt hier, dass beide Aufzählungen nicht abschließend sind und durch ständige Rechtsprechung ergänzt werden können. Deshalb sollten Betroffene sich auch hier ausführlich zu ihrer individuellen Situation beraten lassen.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch "Renten wegen Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit" von Olaf Bühler, Rechtsanwalt und Anna Martyna Werchracki, Wirtschaftsjuristin LL.B., 1. Auflage 2014, erschienen 2014 im Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-31-1.


 

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Stand: Januar 2014


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