Eheverträge für die Unternehmerehe – Teil 10 – Ehegattenunterhalt Fortsetzung 1
Im Einzelnen ist zu den verschiedenartigen Ansprüchen folgendes festzuhalten:
Den Betreuungsunterhalt erhält der geschiedene Ehegatte, bei dem sich ein gemeinschaftliches Kind aufhält, unabhängig davon im Übrigen, ob alleiniges oder gemeinsames Sorgerecht besteht. Wer wegen der Pflege und Betreuung eines oder mehrerer gemeinschaftlicher Kinder keiner Erwerbstätigkeit nachkommen kann, soll also Unterhalt vom anderen Ehegatten verlangen können. Die Frage, die sich beim Betreuungsunterhalt somit zuallererst stellt, ist die, wann der betreuende Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss (denn über allen Ansprüchen steht schließlich der Gedanke, dass jeder – geschiedene – Ehegatte selbst für seinen Unterhalt sorgen muss) und in welchem Umfang die Erwerbstätigkeit trotz Kinderbetreuung stattfinden kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der betreuende Elternteil innerhalb der ersten drei Lebensjahre eines Kindes nicht berufstätig sein. Aber auch über das vollendete dritte Lebensjahr hinaus kann die Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit ausgeschlossen sein, und zwar aus kindbezogenen Gründen: Benötigt das Kind eine persönliche Rundumbetreuung durch den betreuenden Elternteil, weil es etwa ein Handicap hat oder weil die Trennung und Scheidung der Eltern beim Kind schädliche psychische Auswirkungen hat und dies nur durch eine intensive Zuwendung gelindert werden kann, muss der betreuende Elternteil keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Im Normalfall jedoch ist auf eine zumindest stundenweise Tätigkeit zu verweisen, die ein betreuender Elternteil leisten kann, zumindest soweit das Kind eine kindgerechte Betreuungseinrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Umstände besuchen könnte. Die Frage, ob und in welchem Umfang die Kinderbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte, spielt also bei der Frage nach der Möglichkeit der Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils eine entscheidende Rolle. Soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt ist oder dieses im Hinblick auf seine Entwicklung zeitweise sich selbst überlassen werden kann, verlängert sich der Unterhaltsanspruch wegen Betreuung eines Kindes aber auch dann, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht, vgl. § 1570 Abs. 2 BGB. Man nennt diese Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts „elternbezogene“ Gründe. Hier spielt die nacheheliche Solidarität eine große Rolle: Maßgeblich ist das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung.
Als Beispiel kann man diesen (klassischen) Fall sehen:
So kann etwa einem geschiedenen Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte.
Die Unterscheidung zwischen kind- und elternbezogenen Gründen ist wichtig: Wenn es der Billigkeit entspricht, kann ein Betreuungsunterhaltsanspruch aus elternbezogenen Gründen verlängert werden (wenn etwa kindbezogene Kriterien nicht mehr für einen Betreuungsunterhaltsanspruch herangezogen werden können): Das ist z. B. der Fall, wenn der betreuende Elternteil durch die Doppelbelastung von Kindererziehung und Berufstätigkeit chronisch überlastet ist und dadurch depressiv wird.
Der Unterhaltsanspruch wegen Alters ergibt sich aus § 1571 BGB: Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen dann Unterhalt verlangen, soweit von ihm wegen seines Alters keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden kann. Hierbei sind keine festen Altersgrenzen vorgesehen, sondern es stellt sich die Frage, ob von dem unterhaltsberechtigten Ehegatten typischerweise aufgrund vorgerückten Alters keine Erwerbstätigkeit mehr zu erwarten ist. Regelmäßig ist das der Fall, wenn der Berechtigte das Alter für den Bezug von Rente erreicht hat. Beim Bezug einer vorgezogenen Altersrente wird deshalb vom Gericht geprüft, ob vom Unterhaltsberechtigten beispielsweise eine sozialversicherungsfreie Nebentätigkeit entfaltet werden kann. Für Selbstständige und Freiberufler gelten diese Regeln ebenfalls. Jedoch kann ein geschiedener Ehegatte den Altersunterhalt nur dann erhalten, wenn er im Zeitpunkt der Scheidung, der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder im Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit oder Gebrechen oder Erwerbslosigkeit altersbedingt keine Tätigkeit mehr ausüben kann. Das bedeutet, dass ein geschiedener Ehegatte, der über mehrere Jahre keinen Unterhalt erhält und dann aufgrund seines Alters an der (weiteren) Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist, keinen Altersunterhalt mehr vom anderen Gatten beanspruchen kann.
Ein geschiedener Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn von ihm wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Hierfür reichen bereits Persönlichkeitsstörungen, die mit geringer Vitalität, geringer Ausdauer und Belastbarkeit, rascher Erschöpfung, Konzentrationsschwäche, vegetativen Störungen und einem Nicht-Gelingen privater oder beruflicher Anforderungen verbunden sind. Auch selbstverschuldete Erkrankungen fallen hierunter, wie Fettleibigkeit, Nikotin-, Alkohol- und Drogenabhängigkeit. Doch gerade bei selbstverschuldeten Störungen, aber auch grundsätzlich bei allen Arten von Krankheiten und Gebrechen wird vom unterhaltsbedürftigen Ehegatten verlangt, dass er an der Heilung mitwirkt: Der Unterhaltsanspruch kann dementsprechend wegfallen, wenn der Unterhaltsbedürftige eine zumutbare Therapie ablehnt.
In den Fällen, in denen die Krankheit nur bestimmte Tätigkeiten ausschließt, sind die verbleibenden Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen, wenn sie „angemessen“ sind. Die Angemessenheit einer Tätigkeit richtet sich wie immer nach der Ausbildung des Unterhaltsberechtigten, nach den Fähigkeiten, dem Lebensalter und natürlich dem Gesundheitszustand. Auch muss die Tätigkeit den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechen: Die Unternehmergattin, die ihr Studium der Humanmedizin aufgrund der Eheschließung und der Erziehung von zwei Kindern aufgegeben hat, und die während der Ehe in der Buchhaltung des Unternehmens ihres Ehemannes arbeitete, kann nicht auf eine Anstellung als Putzfrau verwiesen werden, wenn sie nach der Scheidung etwa aufgrund von Konzentrationsschwierigkeiten keine anspruchsvollen buchhalterischen Aufgaben mehr erledigen kann.
Beim Krankheitsunterhalt ist auch zu beachten, dass er nur dann beansprucht werden kann, wenn die Krankheit oder das Gebrechen im Zeitpunkt der Scheidung, im Zeitpunkt der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, im Zeitpunkt der Beendigung einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder im Zeitpunkt des Wegfalls eines Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit oder dem Ende des Aufstockungsunterhalts eintritt. Man spricht hier von sogenannten „Einsatzzeitpunkten“.
Das bedeutet für den Unterhaltsschuldner, also denjenigen, der auf Unterhalt in Anspruch genommen wird: Wenn der Unterhaltsgläubiger (der den Unterhalt Begehrende) zwei Jahre nach der Scheidung erkrankt, gibt es keinen Unterhalt für ihn, der Unterhaltsschuldner muss nichts zahlen! Der Einsatzzeitpunkt ist hier entscheidend: Die Krankheit, die erst nach der Scheidung eintritt, rechtfertigt die nacheheliche Solidarität in Form von Unterhaltszahlungen nicht mehr.
Falls die Krankheit bereits während der Ehe latent vorhanden war, jedoch noch nicht zur (völligen) Erwerbsunfähigkeit führte, reicht es aber für den Unterhaltsanspruch aus, dass ein naher zeitlicher Zusammenhang zwischen den o. g. Einsatzzeitpunkten, also etwa der Scheidung, und der Erwerbsunfähigkeit besteht. Nicht ausreichend ist wiederum das Hinzutreten anderer Umstände zu einer latent vorhandenen Erkrankung, die erst zur Erwerbsunfähigkeit führen.
Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Eheverträge für die Unternehmerehe“ von Michael Kaiser, Rechtsanwalt, und Andrea Zimmermann, erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, 978-3-939384-82-3.
Kontakt: kaiser@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017