Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage – Teil 06 – Allgemeiner Kündigungsschutz

3.8 Verzicht auf den Kündigungsschutz?

Durch den Charakter des § 1 KSchG als zwingende Regelung (Fußnote) ist ein Ausschluss oder eine Einschränkung des Kündigungsschutzes unzulässig.(Fußnote) Ein Verzicht auf Kündigungsschutz im Voraus ist somit nicht rechtwirksam möglich.(Fußnote)
Dies umfasst sowohl einen Verzicht vor Abschluss des Arbeitsvertrages sowie während des Bestehen des Arbeitsverhältnisses vor dem Erhalt einer Kündigung.(Fußnote)

Beispiel:
Arbeitnehmerin Klara erklärt in einem Gespräch gegenüber ihrem Arbeitgeber Neumann, dass sie im Falle einer Kündigung sich keinesfalls auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen möchte und keine Kündigungsschutzklage anstreben würde. Erfreut darüber überreicht Neumann ihr kurz daraufhin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses und erklärt, dass sie auf ihren Kündigungsschutz ja bereits verzichtet habe. Klara ärgert sich über ihre unbedachte Äußerung.

  • Der Verzicht der Klara im Voraus ist jedoch nicht rechtswirksam.

Allerdings hat der zwingende Charakter der Regelung nicht zur Folge, dass der Arbeitnehmer den Kündigungsschutz in Anspruch nehmen muss. Es steht dem Arbeitnehmer frei sich für oder gegen die Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens zu entscheiden.(Fußnote) Selbst eine nichtige Kündigung kann der Arbeitnehmer hinnehmen.(Fußnote)

3.9 Rücknahme der Kündigung

Die Kündigung ist eine einseitige Möglichkeit das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ist die dem Gegenüber allerdings bereits zugegangen, kann der Kündigende diese nicht mehr einseitig zurücknehmen.(Fußnote) Hierbei ist es unerheblich ob der Gekündigte trotz Zugang noch keine Kenntnis davon erlangt hat, weil er z.B. im Urlaub war.(Fußnote) Geht dem Gekündigten gleichzeitig mit der Kündigung oder vorher ein Widerruf zu, wird die Kündigung nach § 130 I 2 BGB nicht wirksam.

4 Allgemeiner Kündigungsschutz

Der allgemeine Kündigungsschutz richtet sich nach dem § 1 Kündigungsschutzgesetz. Danach sind sozial ungerechtfertigte Kündigungen durch den Arbeitgeber rechtsunwirksam. Der allgemeine Kündigungsschutz resultiert aus den entgegenstehenden Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Während der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz behalten möchte und mit seiner Existenz vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängig ist, muss dem Arbeitgeber die Anpassung seines Personalbedarfs an die jeweilige ökonomische Situation und die Marktverhältnisse möglich sein.(Fußnote)

4.1 Voraussetzungen

Der im KSchG verankerte allgemeine Kündigungsschutz ist an Voraussetzungen gebunden. Hierbei wird im Wesentlichen zwischen dem persönlichen Geltungsbereich, dem betriebsbezogenen Geltungsbereich sowie der sechsmonatigen Wartezeit unterschieden.

4.1.1 Persönliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzes

4.1.1.1 Arbeitnehmer

Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG gilt grundsätzlich nur für Arbeitnehmer.(Fußnote) (-->2.2). Bei Wahrung der anderen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des KSchG, fallen ebenfalls Teilzeitbeschäftigte und auch geringfügig Beschäftigte unter den Arbeitnehmerbegriff.(Fußnote) Nicht in den Anwendungsbereich fallen Arbeitnehmerähnliche Personen wie z.B. freie Mitarbeiter.

Beispiel 1:
Karl ist als Maurer bei M. Meier beschäftigt. Er ist zeitlich, örtlich, fachlich und organisatorisch an die Weisungen des M. Meier gebunden.

  • K ist ein Arbeitnehmer. Er fällt demnach unter den persönlichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzes.

Beispiel 2:
Teresa ist eine Mitarbeiterin des Steuerberaters Schneider. Sie erledigt Vorbereitungsarbeiten in freier Zeiteinteilung zuhause.

  • Teresa ist eine freie Mitarbeiterin von Schneider und kann sich nicht auf den allgemeinen Kündigungsschutz berufen.(Fußnote)Inwiefern ein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 1 KSchG Besteht ist durch den Arbeitnehmer zu beweisen.(Fußnote) Dies geschieht in der Regel durch die Vorlage des Arbeitsvertrages.(Fußnote)
4.1.1.2 Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnlich leitende Angestellte

Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnlich leitende Angestellt sind keine Arbeitnehmer. Sie fallen nach § 14 II KSchG nur beschränkt unter den Geltungsbereich des KSchG, sofern sie selbstständig zur Schließung und Auflösung eines Arbeitsverhältnisses berechtigt sind.(Fußnote)

4.1.2 Betriebsbezogener und unternehmensbezogener Geltungsbereich

Der allgemeine Kündigungsschutz setzt weiter die Beschäftigung in einem Betrieb voraus. Im Kündigungsschutzgesetz wird der Betrieb grundsätzlich nicht definiert. Im Allgemeinen ist ein Betrieb jedoch als eine organisatorische Einheit zu verstehen, in welcher der Arbeitgeber allein oder mit seinen Mitarbeitern bestimmte arbeitstechnische Zwecke mit technischen oder immateriellen Mitteln verfolgt.(Fußnote) Insofern findet eine Anknüpfung an die Grundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes statt.(Fußnote)
Weiter ist der allgemeine Kündigungsschutz auch unternehmensbezogen. Mehrere Unternehmen können zusammen einen gemeinsamen Betrieb bilden.(Fußnote) Es wird jedoch ein einheitlicher Leitungsapparat, welchem die Entscheidungsgewalt über z.B. Arbeitsbedingungen und personelle Entscheidungen zukommt, verlangt.(Fußnote) Die Beweislast obliegt hierbei dem Arbeitnehmer.
Es genügt grundsätzlich nicht für einen gemeinsamen Betrieb, dass die Geschäftsführer familiäre Verflechtungen aufweisen.(Fußnote) Dafür spricht viel mehr die gemeinsame Nutzung von technischen und immateriellen Betriebsmitteln, die gemeinsame räumliche Unterbringung oder z.B. die personelle und organisatorische Verknüpfung der Arbeitsabläufe.(Fußnote)
Weiter setzt das KSchG eine bestimmte Mindestbeschäftigtenzahl voraus. Das KSchG greift nicht, wenn nicht mehr als 10 Arbeitnehmer (bei vor dem 31.12.2003 abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses: 5 Arbeitnehmer) beschäftigt werden. Dies soll der geringeren Leistungsfähigkeit und der engen, persönlichen Zusammenarbeit sowie der daraus resultierenden, notwendigen Flexibilität im Umgang mit personellen Entscheidungen Rechnung tragen.(Fußnote)

  • Das heißt: Der Betrieb muss mindestens 10, 25 Arbeitnehmer beschäftigen. Dies schließt zur Berufsbildung Beschäftigte, wie Auszubildende sowie Praktikanten und Volontäre aus.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Kündigungsschutz und Kündigungsschutzklage“ von Tilo Schindele, Rechtsanwalt, und Paulina Zoe Linke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2017, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-76-2.


Kontakt: tilo.schindele@brennecke-rechtsanwaelte.de
Stand: Januar 2017


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Über die Autoren:

Tilo Schindele, Rechtsanwalt

Portrait Tilo-Schindele

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist seit 20 Jahren im Arbeitsrecht tätig.
Er prüft, erstellt und verhandelt unter anderem

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und berät und vertritt Betriebsräte.

Rechtsanwalt Schindele ist Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Stuttgart.
Seit 2001 unterrichtet er „Grundzüge im Arbeits- und Insolvenzrecht".

Rechtsanwalt Tilo Schindele hat veröffentlicht:

  • Arbeitnehmerüberlassung, Tilo Schindele und Patricia Netto, 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-55-7
  • Die internationale Entsendung von Mitarbeitern, Tilo Schindele und Babett Stoye, LL.B., 2016, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-57-1

Rechtsanwalt Tilo Schindele bereitet derzeit folgende Veröffentlichungen vor:

  • Arbeitnehmer und Scheinselbständigkeit

Rechtsanwalt Tilo Schindele ist Dozent für Arbeitsrecht an der DMA Deutsche Mittelstandsakademie.
Er bietet Schulungen, Vorträge und Seminare zum Thema:

  • Arbeitsvertragsgestaltung: Gestaltungsmöglichkeiten und Fallen
  • Arbeitszeitmodelle: Arbeitszeitkonten, Gleitzeit, (Alters-)Teilzeit, Schichtmodelle, Jobsharing
  • Telearbeit aus arbeitsrechtlicher, datenschutzrechtlicher und IT-rechtlicher Sicht
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